Bürgerfragen unerwünscht? Ebersberger Kreistag beschneidet Rederecht – Ebersberg | ABC-Z
Obwohl es im Ebersberger Kreistag und seinen Ausschüssen häufig um die Verwendung von Steuergeldern geht, sind die Zusammenkünfte der Gremien selbst nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig. Wohl auch deshalb verirren sich eher selten Bürgerinnen und Bürger zu den öffentlichen Sitzungen im Landratsamt. Einer aber ist fast immer da: ein Mann aus Kirchseeon, der es sich nicht nehmen lässt, großzügig von seinem Fragerecht als Bürger des Landkreises Gebrauch zu machen.
Mal geht es dabei um den geplanten Windpark im Ebersberger Forst, den der Kirchseeoner offenbar ziemlich kritisch sieht, dann wieder um mögliche Nebeneinkünfte von Landrat Robert Niedergesäß (CSU), die Nutzung seines Dienstwagens oder um Detailfragen über haushalterische Buchungen. Meist ist der Fragenkatalog so umfangreich, dass nicht nur die Rede des Bürgers bereits einige Zeit in Anspruch nimmt, sondern im Anschluss an die Sitzung ein nicht geringer Rechercheaufwand auf die entsprechenden Mitarbeiter im Landratsamt wartet. Doch damit soll nun Schluss sein.
„Mit der Meinungsfreiheit scheint so mancher hier seine Mühe zu haben“, kritisiert der Mann
In seiner jüngsten Sitzung hat der Kreistag beschlossen, dass die Redezeit für Bürgerfragen auf drei Minuten reduziert werden soll. Bisher waren fünf Minuten erlaubt. Zudem sollen künftig nur noch solche Wortmeldungen zugelassen werden, die sich unmittelbar auf ein Thema der aktuellen Tagesordnung beziehen. Dadurch solle die Zahl sachfremder Anfragen verringert werden, wie das Landratsamt in einer Stellungnahme schreibt. Diese Idee gefällt allerdings nicht jedem – am allerwenigsten dem Kirchseeoner Bürger, der natürlich ebenfalls in der Sitzung zugegen war. „Mit der Meinungsfreiheit scheint so mancher hier seine Mühe zu haben“, sagte er an die Adresse der Kreisräte. Sein Vorwurf: Mit dem Beschluss versuche man, unliebsame Themen aus dem Gremium zu verdrängen.
:Eine schwere Geburt
Nach zähem Ringen hat es der Landkreis Ebersberg geschafft, einen Haushalt für das kommende Jahr aufzustellen. Doch das Finanzkonstrukt steht bereits jetzt auf wackeligen Beinen.
Anders als sonst stand der Mann mit seiner Meinung diesmal nicht komplett alleine da. Auch in der Grünen-Fraktion hatte man gewisse Bauchschmerzen mit der neuen Regelung. „Wir haben Zeiten, die für die Demokratie herausfordernd sind“, sagte Thomas von Sarnowski. Es dürfe deshalb nicht der Eindruck entstehen, dass die Lokalpolitiker vollends bestimmen können, über welche Themen diskutiert werden soll und über welche nicht. „Im Bundestag und im Landtag dürfen nur gewählte Abgeordnete reden“, so von Sarnowski, „in der Kommunalpolitik sind wir da offener.“ Aus Sicht des ehemaligen Landesvorsitzenden der bayerischen Grünen ist das auch gut so: „Die Bürger bringen oft Themen ein, die sonst nie zur Sprache kommen würden.“
Dem wollte im Gremium grundsätzlich auch niemand widersprechen, es gehe hier lediglich um das Verhalten des Kirchseeoner Bürgers, wie Leonhard Spitzauer (CSU) sagte. „Der Fragesteller geht einfach raus und wartet nicht mal ab, ob da eine Antwort kommt. Ich finde das respektlos“, schimpfte der Vaterstettener Bürgermeister. Ähnlich äußerte sich auch Günter Scherzl (Freie Wähler), der davon sprach, dass den Kreisräten durch so ein Benehmen „kostbare Zeit gestohlen“ werde. Und nicht nur diesen, wie Christa Stewens (CSU) ergänzte, auch die Verwaltung werde durch den übermäßigen Gebrauch des Fragerechts belastet, schließlich seien die dortigen Mitarbeiter für die Antworten zuständig.
Bürgerinnen und Bürger sollen mit ihren Anliegen direkt auf die Kreisräte zukommen
Ganz unabhängig davon gab Doris Rauscher (SPD) zu bedenken, dass die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Anliegen ja auch einfach direkt auf die Kreisräte zukommen können. Landrat Robert Niedergesäß versuchte die Debatte zu beruhigen. Er sei ja nicht gerade als „Hardliner“ bekannt, so der Chef der Ebersberger Kreisbehörde. „Wenn ein Bürger hier reinkommt und eine Frage stellt, die vielleicht nicht hundertprozentig zur Tagesordnung passt, dann wird das auch zugelassen.“ Es gehe schlicht darum, dem „Missbrauch“ durch einzelne Personen vorzubeugen.
Als das Gremium schließlich gegen die Stimmen von Grüne und ÖDP/Linke für die neue Regelung votierte, war jene vom Landrat angesprochene Person schon nicht mehr zugegen. Wie üblich hatte der Kirchseeoner unmittelbar nach seinem Vortrag den Sitzungssaal verlassen.