König Charles ehrt Donald Trump mit einem militärischen Paradetag | ABC-Z

Rekorde allein machen noch keine Geschichte: 120 Pferde, 200 Militärmusiker, 1300 Soldaten, drei Truppenfahnen, die größte Ehrengarde, die je bei einem Staatsbesuch angetreten ist – alle Superlative, die zum Empfang Donald Trumps in Großbritannien aufgeboten wurden, geben zunächst bloß Hinweise auf die Beflissenheit der Gastgeber und die Empfänglichkeit des Gastes. Vor der Abreise fügte der noch einen Rekord dazu – es sei „die ultimative Ehre“, nach Schloss Windsor eingeladen zu werden, stellte Trump bei seinem Aufbruch nach Großbritannien fest, also in jene Residenz an der Themse, deren Kern eine fast 1000 Jahre alte Burg bildet, deren äußere Gestalt jedoch eher der Mittelalter-Romantik des frühen 19. Jahrhunderts geschuldet ist. „Normalerweise machen die das ja immer im Buckingham Palace“, ließ der amerikanische Präsident noch kundig wissen, aber er werde nun in Windsor bewirtet.
Buckingham Palace ist allerdings momentan eine Großbaustelle und daher für große Empfänge stillgelegt, und Windsor hat auch schon einen Vorgänger Trumps beherbergt: Ronald Reagan wurde damals sogar bei einem gemeinsamen Ausritt mit Königin Elisabeth II. durch den Großen Park gesichtet, der das Schloss umgibt. Und der französische Präsident Emmanuel Macron genoss erst im vergangenen Mai die Ehre, in Windsor willkommen geheißen zu werden. Damals hatte die Kutschenkolonne den Weg durch das Städtchen neben dem Schloss genommen, Schaulustige winkten dem Staatsgast zu, und er winkte zurück.
Trump hingegen wurde auf seiner Kutschfahrt vom Hubschrauber zum Schlosshof nur innerhalb des gut bewachten Parks chauffiert; Sicherheitsgründe hätten andere Routen nicht zugelassen, hieß es. So hatte er auch keine Gelegenheit, auf irgendwelche Demonstranten zu treffen, die ihren Unmut über den Präsidenten kundtun wollten, ob wegen seiner Gazapolitik, seines autoritären Vorgehens gegen Migranten und Geisteseliten oder wegen seiner einstigen Verbundenheit mit dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein. Die wurde den Passanten in Windsor am Vorabend des Staatsbesuchs kurz in Erinnerung gerufen, als einige Aktivisten in einer riesigen Projektion Fotos von Epstein und Trump an die Fassade des Eckturms an der äußeren Schlossmauer warfen. Sie waren einige Minuten lang zu sehen, bis Polizisten den Standort des Projektors gefunden hatten.
Ein Zapfenstreich für Trump
Anders als Trump führte der britische Premierminister Keir Starmer das Attribut „historisch“ nicht im Munde, als er im Februar bei seinem ersten Besuch in Washington nach Trumps zweitem Amtsantritt die Einladung zum Staatsbesuch überbrachte. Ein wenig unbehaglich saß Starmer damals auf dem Besucherstuhl im Oval Office, zog einen Briefumschlag aus der Innentasche seines Jacketts und verkündete, er habe von seinem König eine Einladung zu einem zweiten Staatsbesuch dabei – ein offizieller Ritus, der nach dem britischen Protokoll jedem ausländischen Staatschef eigentlich nur einmal zusteht. Das sei „noch nie dagewesen“, es sei „beispiellos“, lauteten Starmers einordnende Hinweise.
Seither hat es noch mehrere Begegnungen Starmers mit Trump gegeben, anlässlich des Treffens der G-7-Industriestaaten im Juni in Kanada und auch während eines privaten Sommeraufenthalts Trumps auf dessen schottischen Golfplätzen im Juli. Das Vereinigte Königreich hat tatsächlich auch von den offiziellen Schmeicheleinheiten seiner Regierung profitiert: die Handelsbarrieren, die Trump in unterschiedlicher Höhe gegenüber Wettbewerbern und Konkurrenten errichtet, hat er gegenüber Großbritannien wieder gesenkt; seinen Besuch begleitet der Abschluss eines Kooperationsabkommens auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz sowie Investitionsankündigungen amerikanischer Technologiekonzerne wie Microsoft in zweistelliger Milliardenhöhe.
Und womöglich kann auch der Pomp, der Trump am Mittwoch einen ganzen Tag lang serviert wurde, noch politische Botschaften transportieren. Der Präsident und seine Gattin wurden auf der Fahrt zum Schloss von einem doppelten Detachement der berittenen Garde begleitet; im Innenhof warteten drei Ehrenkompanien auf sie, die Nationalhymnen wurden von drei Militärkapellen intoniert. Nachmittags servierten die königlichen Garderegimenter Trump ein Extrazeremoniell: „beating retreat“, eine Art Großer Zapfenstreich. Schließlich sollten über den Köpfen Kampfflugzeuge hinwegziehen.
Gastgeschenke mit Symbolcharakter
Anders als bei den üblichen Festgelegenheiten im Kalender der britischen Monarchie sollten es dieses Mal nicht historische Spitfires und Lancasters, sondern neben der Schauformation der „Red Arrows“ amerikanische F-35-Kampfflugzeuge sein, von denen die Royal Air Force gerade ein Dutzend bestellt hat, um wieder an der nuklearen Teilhabe der NATO partizipieren zu können. Das Wetter machte jedoch einen Strich durch die Rechnung: Der Überflug wurde abgesagt.
Aus allen diesen militärischen Auftritten ließ sich der Hinweis herauslesen, dass Großbritannien sich weiterhin als engster Verbündeter Amerikas versteht, oder auch, dass die Vereinigten Staaten verlässliche Verbündete bleiben müssen. Am heutigen Donnerstag wird wohl der Premierminister darauf eine Probe machen können: Zum Abschluss des Staatsbesuches will er Trump auf seinem Landsitz Chequers empfangen. Dabei wird sicher auch die Haltung zum Krieg in der Ukraine zur Sprache kommen.
Auch die ausgetauschten Gastgeschenke bieten symbolische Interpretationen: Dem König wurde die Replik eines „Eisenhower-Schwertes“ verehrt, welches, wie der Begleittext verriet, „die historische Partnerschaft“ verkörpere, die „entscheidend für den Sieg im Zweiten Weltkrieg“ war, aber auch den „kooperativen Geist“, der weiterhin zwischen beiden Ländern herrsche. Der Königin schenkten die Trumps eine Tiffany-Brosche; die First Lady bekam umgekehrt eine Handtasche von Anya Hindmarch.
Einladungen zum Dinner ausgeschlagen
Auf Schloss Windsor folgte dem privaten Mittagessen mit dem Königspaar eine Reihe protokollarischer Programmpunkte, die stets Bestandteil eines Staatsbesuchskalenders sind und sich schlecht vervielfältigen oder vergrößern lassen. Dazu zählten ein Blick auf die königliche Sammlung von Kunst und Büchern, genauer auf Exponate, welche die Verbundenheit mit dem Gastland symbolisieren, sowie eine Kranzniederlegung. In diesem Fall galt die Ehrung der vor drei Jahren verstorbenen Königin Elisabeth II., die in der St.-Georgs-Kapelle auf dem Schlossareal ruht und die 2019 während Trumps ersten Staatsbesuchs seine Gastgeberin gewesen war. Damals hatte der Präsident beteuert, die Queen habe sich mit niemandem so gut amüsiert wie mit ihm, während sie – so will es einer ihrer Biographen wissen – geurteilt haben soll, der Präsident sei ein grober Kerl gewesen.
Im aktuellen Besuchsablauf blieben der Regen und die dunklen Wolken über Windsor der stärkste Misston. „Ihr werdet wundervolle Bilder bekommen, phantastische Bilder“, hatte Trump den Fotografen während der Anreise prophezeit – sie wären im Sonnenschein noch schöner gewesen. Eine Gelegenheit zur Missfallensbekundung könnten höchstens jene haben, die am Abend auf einen der 160 Plätze des Staatsbanketts geladen waren. Sowohl Ed Davey, der Parteichef der britischen Liberaldemokraten, als auch Eluned Morgan, die Erste Ministerin der walisischen Regionalregierung, schlugen die Einladung öffentlich aus.
Über weitere stille Botschaften des Protests ließ sich allenfalls rätseln. Hatte es eine Bedeutung, dass Königin Camilla zur Begrüßung des republikanischen Präsidenten in Blau erschien und der König eine blaue Krawatte trug – also die Farbe der Demokraten zeigte? Und warum war es ausgerechnet die irische Staatskutsche, in der Präsident und König zum Schloss fuhren, wo doch Trumps Vorgänger Joe Biden irische Wurzeln hat, Trump hingegen über schottische Ahnen verfügt?





















