Fia-Kandidatur von Carlos Sainz: Der Matador, den die Rennfahrer lieben – Sport | ABC-Z

Derjenige, über den in diesen Tagen in der Formel 1 häufig gesprochen wird, ist nicht zu sehen. Carlos Sainz senior gehört fest zum Fahrerlager dazu, an den Rennwochenenden spricht er mit Teamchefs, mit Fahrern, eigentlich mit allen, er lauscht dem Funk, beobachtet. Er macht das nicht nur aus seinem Interesse als Motorsport-Aficionado, sondern weil sein Name auf der Starterliste auftaucht. Dieser Carlos Sainz ist sein Sohn, seit 2015 in der Formel 1, aktuell fährt der Junior für Williams und bereitet sich auf den Grand Prix durch die engen Gassen im Fürstentum Monaco vor. Der Senior aber: nicht da. Dabei würden ihm durchaus Fragen gestellt werden.
Mit einer Aussage gegenüber motorsport.com hatte der 63-Jährige Wirbel ausgelöst, er sei „gerade dabei herauszufinden, wie viel Unterstützung ich in der Motorsport-Community bekommen werde“. Unterstützung für eine Kandidatur als Präsident der Fia, dem Weltverband des Motorsports. Damit könnte Amtsinhaber Mohammed Ben Sulayem für die Wahl am 12. Dezember allem Anschein nach einen Konkurrenten bekommen haben. „Ich hatte das schon eine Weile im Kopf, nicht sehr intensiv, aber jetzt könnte der richtige Zeitpunkt sein“, sagte Sainz. „Ich weiß, wie wichtig es ist, allen zuzuhören. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich die Beziehungen deutlich verbessern und stärken kann.“
:Der Weltmeister meldet sich zurück
In Imola beweist Max Verstappen seine fahrerische Klasse und besiegt beide McLaren-Fahrer in ihren überlegenen Autos. Das hilft dem Red-Bull-Team, das den Topfahrer unbedingt bei Laune halten will.
Vergangene Woche in Imola schon hatte Sainz beim Europa-Auftakt der Formel 1 gefehlt. Dass er sich nun auch in Monte-Carlo im Hintergrund hielt, hatte indes einen guten Grund. Der Spanier ist selbst seit Jahrzehnten ein passionierter Rennfahrer, Spitzname „El Matador“. 1990 und 1992 gewann er die WRC-Rallye-Weltmeisterschaft und viermal die prestigeträchtige Rallye Dakar, zuletzt 2024 mit Audi. Dieses Jahr nimmt er an der Rallye-Raid Weltmeisterschaft (W2RC) teil, bei der Autos, Motorräder, Quads und LKW gemeinsam antreten. Und weil er dafür in diesen Tagen also in einem Ford Raptor durch die staubige Savanne und Buschlandschaften Südafrikas brettert, fehlt er beim Glamour-Grand-Prix.
Mercedes-Fahrer George Russell sieht in der Konstellation von Vater und Sohn vielmehr eine Chance: „Das könnte ein brillantes Rezept sein!“
Dass er dort nicht der Lobbyarbeit für seine Kandidatur nachgehen kann, schadet Sainz nicht. Als sich der Hochgeschwindigkeitstross erstmals nach Bekanntwerden seiner Pläne in Imola wieder zusammenfand, klangen diverse Fahrer nicht abgeneigt. George Russell, Mercedes-Pilot und einer der Direktoren der Fahrergewerkschaft, schwärmte beinahe schon. „Carlos senior ist eine wirklich äußerst angesehene Persönlichkeit im gesamten Motorsport. Er hat so viel Erfahrung in dieser Welt“, sagte der Brite. „Ich war erst ziemlich überrascht, aber wenn man genauer darüber nachdenkt, ist das sehr sinnvoll.“ Sainz sei ein „fantastischer Kandidat, wenn er das wollen würde“, Weltmeister Max Verstappen wählte das Wort „großartig“.
Und was ist mit dem Elefanten im Raum? Mit dem großen Interessenkonflikt? Schließlich denkt da nicht nur ein Experte darüber nach, Präsident des Weltverbands zu werden, sondern auch der Papa und Mentor eines Formel-1-Fahrers. Der Junior erkannte zwar seine Befangenheit an, sagte dann aber, angesichts der Vielseitigkeit der Einsichten seines Vaters, falle ihm niemand ein, der so gut wisse, „wie hart, teuer und schwierig“ der Weg sei. Was die Konstellation angehe, würden beide jedenfalls äußerst vorsichtig sein, ohnehin sehe er nicht, wie der Präsident Sainz den Fahrer Sainz beeinflussen könne.

Russell wertete das Ganze gar als Chance, würde die aktuelle Insider-Sicht verbunden mit der generellen Expertise: „Das könnte ein brillantes Rezept sein!“ Und überhaupt würden die Regeln inzwischen doch letztlich von den Technikern bestimmt. Einen Seitenhieb konnte sich der 27-Jährige dabei nicht verkneifen. Der Präsident sei ohnehin weniger involviert und weniger sichtbar. „Wir wussten immer, wer der Fia-Präsident war, vor allem bei Jean Todt. Aber jetzt arbeitest du im Hintergrund, nicht an vorderster Front.“
Dazu muss man wissen: Mohammed Ben Sulayem – einst übrigens auch Rallye-Fahrer – erfreut sich nach diversen Kontroversen in der Formel 1 und gerade unter den Piloten nicht gerade großer Beliebtheit. Erst zu Jahresbeginn hatte es Kritik an einem Strafenkatalog gegeben, passend zu seinem generell harten Kurs, in dem es unter anderem um Fluchen während des Rennens ging. Das erinnerte an die Maulkorb-Affäre, als Fahrern kritische Äußerungen untersagt werden sollten. Nun trudelten wieder so viele Beschwerden ein, dass die Fia vergangene Woche einen Rückzieher machte. Regeln sollen entschärft, Strafen verringert werden. Carlos Sainz jr. beispielsweise bekam in Suzuka 10 000 Euro aufgebrummt, weil er noch auf Toilette musste und etwas zu spät zur Nationalhymne in der Startaufstellung stand. Dabei hatte er ein ärztliches Attest. Damit wird ein Vorgang korrigiert, der „von Anfang an etwas lächerlich war“, wie Russell in Imola sagte. „Es ist eine etwas seltsame Lage, wir hatten noch keinen Austausch mit irgendeiner Führungsperson.“
„Viele Leute im Fahrerlager haben es ihm in den Kopf gesetzt“, sagt der Junior über die Idee seines Vaters
Schon öfter waren mangelnde Transparenz und Kommunikation des Weltverbands ein Thema. Zudem verließ eine Reihe von Funktionären zuletzt verärgert den Weltverband oder wurde gefeuert. Aber mit der Fia ist es ein bisschen wie mit der Fifa. Wer den obersten Posten erhält, entscheidet nicht die prominente Formel-1-Familie, sondern die Generalversammlung aus 245 Mitgliedsorganisationen. Und die Sympathien der Fahrer für den 63-jährigen Mann aus den Vereinten Arabischen Emiraten spiegeln nicht unbedingt sein Standing unter den Landesfürsten wider, die ihn im Dezember 2021 als Nachfolger von Jean Todt zum Fia-Präsidenten gemacht hatten.
Politik spielt eben eine große Rolle, dabei sagte Carlos Sainz jr., sein Vater könne die Person sein, die in der Formel 1 die Politik reduziert: „Bei ihm zählt nur der gesunde Menschenverstand. Er ist sehr bodenständig“. Die Kandidatur an sich sei gar nicht von seinem Vater selbst gekommen: „Viele Leute im Fahrerlager haben es ihm in den Kopf gesetzt.“ Jetzt versuche er zu verstehen, wie die Wahlen funktionieren, „wie viel Überzeugungsarbeit er leisten und mit wie vielen Leuten er sprechen muss.“ Antreten muss ein Kandidat nämlich gleich mit einem Team von Stellvertretern und Vizepräsidenten.
Offiziell hat Ben Sulayem seine Kandidatur noch gar nicht verkündet, aber sie gilt als ausgemacht. Was sich auch in seinem neusten Vorstoß zeigt, über den die BBC zuerst berichtete. Indem Ben Sulayem versuchen soll, die Statuten zu ändern und unter anderem den Bewerbungsschluss vorzuverlegen, scheint er seine Chancen steigern zu wollen. Laut BBC schwebt ihm auch eine Regelung vor, mit der Bewerber leichter ausgeschlossen werden könnten. Dass es im Motorsport auf Zeit ankommt, ist Carlos Sainz senior aber ja gewohnt. Einen ersten Wahlspruch hat er jedenfalls schon: „Ich wünsche mir, dass die Fia in Zukunft von allen geschätzt und respektiert wird.“