Kultur

Der Frauenkörper als konzise Störung | ABC-Z

Berlin taz | Ob so das Unbehagen im eigenen Leib ausschaut, der ja Andockstelle wie Vergewisserung an die äußere Welt und damit auch an ein gerade stark ins Wanken geratendes Realitätsprinzip ist? Aber dann werden Verunsicherung und Mehrdeutigkeit getragen von einer geradezu übermächtigen Strahlkraft.

Céline Ducrot wie auch Cathrin Hoffmann überlassen in ihren Arbeiten ganz offenbar nichts dem Zufall. Vielleicht sind ihre Protagonistinnen, auch die verunsicherten oder die verunsichernden, Heroinen. Beide Künstlerinnen kannten sich vorher nicht und stellen zum ersten Mal gemeinsam aus – eine Idee, die in dieser düster-apokalyptischen, aber auch lustvollen Schau in der Kunsthalle Gießen eine bestechende Logik zeigt.

Gerade, weil sich beide höchst unterschiedliche Bildwelten nicht aufheben, eher gegenseitig ungut aufladen: Während Cathrin Hoffmanns Wesen auf Leinwand und als Skulptur, mit schmerzhaft herausstechenden Werkzeugknochen und Schamlippen, vielleicht eine Auffrischung feministischer Grotesken heraufbeschwören, lassen sich Céline Ducrots traumwandlerische Szenarien in Schwarz, Weiß und Grau als treffende Zustandsbeschreibungen dieser Zeit lesen, in der man sich fragt, wo die Körper eigentlich hinwandern, wenn der Geist permanent abwesend ist.

Wer diesen auf den ersten Blick geradezu unangenehm digital erscheinenden Oberflächen im realen Raum gegenübersteht, entdeckt mehr. Aus Hoffmanns Bildern erheben sich plötzlich reale Haare aus der gemalten Fläche. Ducrot hat selbst ins makellose Finish ihrer gemalten Oberflächen noch graduelle Unterschiede eingebaut. Konzise sitzt jede Textur.

Rabiat zusammengeflickte Gesichter

In jene allerdings nicht malerische Oberfläche direkt hinein sticht Annegret Soltau: Hochaktuell erscheinen die Arbeiten der 79-jährigen Künstlerin. Dass sie noch immer Störungen produzieren zu wissen, zeigt das Städel Museum in einer späten Retrospektive. Seit Jahrzehnten bringt Soltau Selbst- und Familienbilder in fotografische Vernähungen. Von Heilung und Reparatur braucht man in diesen rabiat zusammengeflickten Gesichtern und Körpern vermutlich gar nicht zu reden. Lustig im grotesken Sinne schaut vieles aus, aber es bleibt ein verstörendes Moment, das über reinen Effekt hinausgeht und das sich nicht in Wohlgefallen auflöst.

Man muss nicht bis Afghanistan schauen, um nachzuvollziehen, wie hochpolitisch der Frauenkörper noch immer ist, der dort de facto nicht mehr öffentlich vorkommen darf, aber sollte ebendiesen Blick gerade deshalb auch nicht vergessen. Annegret Soltau beschreibt ihre Kunst übrigens im Ausstellungskatalog als letztlich universelle, nämlich jeden Menschen betreffende Angelegenheit. Aber das Universelle ergibt sich ja aus dem Hochspezifischen. Die Künstlerin ging in ihrer Arbeit stets von sich aus, als Frau, später Mutter, Tochter, und hat dabei weibliche Rollenzuschreibungen immanent durchdekliniert.

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