Bundesverfassungsgericht: So soll die Richterwahl im Bundestag ablaufen | ABC-Z

Im Juli scheiterte der Bundestag daran, drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht zu wählen. Nun gibt es einen neuen Anlauf. Alles Wichtige dazu im Überblick
© Uli Deck/dpa
Am Donnerstag stimmt der Bundestag über drei neue Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht ab. Gleich drei Richterinnen und Richter scheiden wegen ihres Alters beziehungsweise des Endes ihrer Amtszeit aus, zwei davon sind bereits nur noch geschäftsführend im Amt, weil es noch keinen Nachfolger gibt. Ein erster Anlauf im Bundestag war gescheitert: Die Unionsfraktion konnte trotz Zusage im Wahlausschuss im Plenum keine Mehrheit für eine der Kandidatinnen garantieren. Nun hat die SPD eine neue Kandidatin aufgestellt: die Bundesverwaltungsrichterin Sigrid Emmenegger. Ob es dieses Mal klappt, ist noch unklar. Wer kann Richterin am Bundesverfassungsgericht werden? Wer darf vorschlagen? Und was macht eine Bundesverfassungsrichterin? Ein Überblick
Wie viele Richterinnen und Richter sind am Bundesverfassungsgericht tätig?
Welche Voraussetzungen müssen Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht erfüllen?
Wer Richterin oder Richter am Bundesverfassungsgericht werden will, muss nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) mindestens 40 Jahre alt sein und das passive Wahlrecht für den Bundestag haben. In beide Senate müssen außerdem mindestens drei Richterinnen oder Richter gewählt werden, die direkt von einem der obersten Gerichtshöfe ans Verfassungsgericht wechseln und mindestens drei Jahre dort gearbeitet haben.
Und schließlich dürfen sie laut BVerfGG weder dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung
noch entsprechenden Organen eines Landes angehören und als Bundesverfassungsrichterinnen und -richter nicht mehr lehren.
Wie werden die Vorgeschlagenen ausgewählt?
Der Bundestag und der Bundesrat wählen jeweils die Hälfte der Richterinnen und Richter. Aktuell ist der Bundestag zuständig. Vorschläge für die Richterwahl im Bundestag werden vom Wahlausschuss des Bundestags gemacht. Dieser Wahlausschuss wird nach BVerfGG im Bundestag gewählt und besteht aus zwölf Mitgliedern. Dem Bundestag als neue Richterin oder neuer Richter vorgeschlagen wird, wer mindestens acht Stimmen bekommt. Dieser Wahlausschuss tagt laut BVerfGG so lange, bis Vorschläge für alle zu wählenden Richterinnen und Richter beschlossen sind.
Bereits
im Wahlausschuss müssen sich mehrere Parteien auf Vorschläge für
Richterinnen und Richter einigen, die sie dann dem Bundestag vorlegen.
Es gibt ein informelles, aber gewohnheitsrechtliches Prozedere, das die
Reihenfolge festlegt, in der die Parteien Vorschläge vorlegen. Es
orientiert sich an der
Stärke der Fraktionen; Linke und AfD werden bislang aber nicht
berücksichtigt. Diese Praxis soll ein möglichst unabhängiges und
kompetentes Gericht gewährleisten.
Im aktuellen Wahlausschuss ist die SPD mit zwei Vorschlägen und die Union mit einem Vorschlag
an der Reihe. Diese Vorschläge werden dann normalerweise von den anderen
Ausschussmitgliedern mitgetragen. Im Ausschuss haben Union und SPD mit
den Grünen eine ausreichende Mehrheit: Die Union stellt fünf
Ausschussmitglieder, die SPD zwei und die Grünen eins.
Kann sich der Wahlausschuss nicht innerhalb der gesetzten Frist auf
Vorschläge einigen, soll laut BVerfGG das älteste Ausschussmitglied
Vorschläge vom Bundesverfassungsgericht selbst einholen. Der Vorschlag
muss aber nicht angenommen werden. Die Union hat das in diesem Fall
tatsächlich getan, ihr Vorschlag basiert auf einem Vorschlag des
Bundesverfassungsgerichts.
Schafft es die zuständige
Parlamentskammer – aktuell der Bundestag – nicht, dann innerhalb von
drei Monaten eine Richterin oder einen Richter zu wählen, ist nach
BVerfGG die andere Kammer – in diesem Fall der Bundesrat – zuständig.
Wie läuft die Richterwahl im Bundestag ab?
Die 16 Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht werden vom Parlament bestimmt, und zwar jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat. Für die drei aktuell zu besetzenden Posten ist der Bundestag zuständig. Sie bestimmen auch abwechselnd den Präsidenten oder die Präsidentin und den Vizepräsidenten oder die Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts.
Die Wahl eines Richters oder einer Richterin findet auf Basis des Wahlvorschlags aus dem Wahlausschuss statt. Dieser tagt in diesem Fall am Montag, dem 22. September. Die Wahl im Bundestag ist für Donnerstag, den 25. September, geplant. Die genaue Tagesordnung legt der Ältestenrat des Bundestags laufend fest. Über die beiden Richterkandidatinnen und den -kandidaten dürfte separat abgestimmt werden. Normalerweise ist keine Aussprache im Plenum angesetzt. Die Wahl ist geheim, es werden also Wahlzettel eingeworfen und ausgezählt.
Für eine erfolgreiche Wahl muss eine Vorgeschlagene oder ein Vorgeschlagener eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bekommen. Es muss zudem mindestens die Mehrheit der Stimmen der Abgeordneten, also mindestens 316 Stimmen, sein. Die Zahl berechnet sich je nach Anwesenheit im Plenum.
Zuletzt ernennt laut BVerfGG der Bundespräsident die Gewählten und sie leisten einen Amtseid.
Warum gestaltete sich der erste Versuch schwierig?
Warum bleibt die Wahl herausfordernd?
Die SPD hat nun Anfang September die Richterin Sigrid Emmenegger für den dritten Posten am Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen. Das gaben die beiden parlamentarischen Geschäftsführer von Union und SPD gemeinsam bekannt. Sie ist bisher Richterin am
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und offenbar politisch ziemlich unauffällig. Eine Kampagne gegen sie gab es nicht.
Nun haben es Union und SPD zwar offenbar geschafft, eine neue unstrittige Kandidatin zu benennen, die es durch den Wahlausschuss schaffen könnte. Die nötige Zweidrittelmehrheit,
um alle drei Richterinnen im Bundestag zu wählen, haben die Koalitionspartner Union und
SPD aber nicht. Auch mit den Grünen zusammen reicht es zwar im Wahlausschuss, aber nicht im Bundestag. Von deren Zustimmung geht die Koalition offenbar aus – auch wenn sich die Partei zuletzt verärgert zeigte, wenig einbezogen worden zu sein.
In jedem Fall müssen die Parteien eine Mehrheit entweder mit der AfD oder mit
den Linken suchen. Gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD haben sich aber
alle drei ausgesprochen – mit der Linken hat die Union jedoch ebenfalls noch immer einen Unvereinbarkeitsbeschluss. Trotzdem sucht die Koalition über die SPD jetzt Verhandlungen mit den Linken. Diese fordern für eine Zustimmung aber direkte Gespräche mit der Union. Und sie wollen bei künftigen Besetzungen für das Verfassungsgericht berücksichtigt werden.
Vor der Sommerpause hatte die Linke zudem nur ihre Zustimmung zu den Kandidatinnen der SPD zugesagt (damals noch Brosius-Gersdorf). Damit besteht noch immer die Gefahr, dass der Unionskandidat nur über Stimmen der AfD gewählt werden könnte – die ihre Zustimmung zu ihm zuletzt bestätigte.
Sollte es keine Mehrheit für einen oder mehrere der Vorschläge geben, kann der Bundestag die Zuständigkeit für die Wahl der drei vakanten
Posten verlieren. Dann wäre der Bundesrat zuständig.
Wie lange ist die Amtszeit der Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht?
Nach dem BVerfGG dauert die Amtszeit eines Richters oder einer Richterin am Bundesverfassungsgericht zwölf Jahre. Schluss ist aber spätestens mit der Altersgrenze, die am Ende des Monats liegt, in dem die Person 68 Jahre alt wird. Es gibt keine Wiederwahl. Nach dem Ablauf der eigenen Amtszeit führt eine Richterin oder ein Richter das Amt jedoch fort, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gewählt und ernannt ist.
Bundesrichterinnen und -richter können laut BVerfGG jederzeit ihre Entlassung beantragen, die der Bundespräsident dann auszusprechen hat.
Für die Ernennung eines Nachfolgers hat die zuständige Parlamentskammer eigentlich nicht viel Zeit: Nach BVerfGG sollen neue Richterinnen und Richter “frühestens drei Monate vor Ablauf der Amtszeit ihrer Vorgänger oder,
wenn der Bundestag in dieser Zeit aufgelöst ist, innerhalb eines Monats
nach dem ersten Zusammentritt des Bundestages gewählt” werden. Bei vorzeitigem Ausscheiden ist sogar nur ein Monat Zeit.
Was tut das Bundesverfassungsgericht eigentlich?
Das Bundesverfassungsgericht ist das höchste deutsche Gericht und kann sehr weitreichende Entscheidungen treffen: So ist es laut BVerfGG zuständig für Entscheidungen zur Verwirkung von Grundrechten und der Verfassungswidrigkeit von Parteien, entscheidet aber auch, ob eine Wahl gilt oder Abgeordnete ihr Amt verlieren.
Es entscheidet demnach zudem über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundestags, Verfassungsbeschwerden, die Auslegung des Grundgesetzes bei Streitigkeiten und auch die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern. Zudem prüft es auf Antrag die Vereinbarkeit von Bundesrecht mit europäischem oder internationalem Recht.
Es gibt kein höheres deutsches Gericht. Um Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts anzufechten, können Rechtsangelegenheiten je nach Thema aber vor internationale Gerichte gebracht werden, wie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).





















