Bundesverfassungsgericht: Bundestag entscheidet über drei Richterstellen am Verfassungsgericht | ABC-Z

Der Bundestag stimmt ab neun Uhr über die Neubesetzung von drei Richterstellen am Bundesverfassungsgericht ab. Anfang der Woche hatte der Wahlausschuss des Bundestags den drei Vorschlägen der Regierungsparteien zugestimmt. Die SPD schlug die beiden Juraprofessorinnen Ann-Katrin Kaufhold und Frauke Brosius-Gersdorf vor. Kandidat von CDU und CSU ist der Bundesrichter Günter Spinner.
Mit einem Wahlergebnis für Spinner ist ab dem späteren Vormittag zu rechnen. Über die beiden SPD-Kandidatinnen wird gleichzeitig, aber getrennt abgestimmt. Das Ergebnis wird voraussichtlich am frühen Nachmittag bekannt sein.
Für die Wahl einer Verfassungsrichterin oder eines Verfassungsrichters ist im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen nötig – bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im deutschen Parlament eine Herausforderung. Auch zusammen mit den Grünen kommen Union und SPD nicht auf eine Mehrheit und brauchen daher für ihre Kandidaten bei einem voll besetzten Bundestag zusätzlich Stimmen von AfD oder Linken.
AfD will nur für Kandidaten der Union stimmen
Während die AfD-Fraktionsführung ihren Abgeordneten empfiehlt, nur den
Kandidaten der Union mitzuwählen, wollte die Linke vor der Wahl Gespräche mit der Union führen – diese lehnte allerdings ab. Die CDU hat per Parteitagsbeschluss “Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit” mit beiden Parteien ausgeschlossen. Falls die Linksfraktion geschlossen gegen den Unions-Kandidaten Spinner stimmt, könnte dieser nur durch AfD-Stimmen gewählt werden. Allerdings ist die Wahl geheim, das Abstimmungsverhalten einzelner Fraktionen wird sich am Ende also nur aus öffentlichen Äußerungen ableiten lassen.
Die Linke hat die Union für ihre Absage an Gespräche kritisiert. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sei offenkundig bereit, Stimmen der AfD billigend in Kauf zu nehmen, sagte Clara Bünger dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). “Ich hoffe, dass sie sich endlich für eine demokratische Mehrheit für alle Kandidatinnen und Kandidaten einsetzen wird und nicht mit den Stimmen der AfD kalkuliert”, sagte Bünger. Fraktionschefin Heidi Reichinnek sagte dem Spiegel, die Fraktion werde am Freitagmorgen in einer Sondersitzung entscheiden, “wie wir mit dem Kandidaten der Union verfahren”.
Als Basis für Gespräche mit der Union hatte die Linke etwa ein eigenes Vorschlagsrecht für Verfassungsrichter ins Spiel gebracht. Bislang wechseln sich CDU, CSU, SPD und Gründe nach Proporz ab.
Auch Wahl einer der SPD-Kandidatinnen unsicher
Eine zweite Unsicherheit stellt die Wahl der durch die SPD vorgeschlagenen Kandidatin Brosius-Gersdorf dar, über die es in der Union etwa wegen ihrer liberaleren Ansichten zum Recht auf Schwangerschaftsabbrüche Vorbehalte gibt. Obwohl die Linke ihre Zustimmung bei beiden Kandidatinnen der Sozialdemokraten angekündigt hat, könnten Brosius-Gersdorf bei der Richterwahl Stimmen der Union fehlen.
Ob diese Szenarien eintreten, hängt auch von der Besetzung des Parlaments ab. Union und SPD könnten die Mehrheiten unter Umständen auch nur gemeinsam mit den Grünen erreichen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass weniger Abgeordnete von Linken und AfD anwesend
sind. Entscheidend sind nur die abgegebenen Stimmen.
Friedrich Merz setzt auf ausreichende Mehrheiten
Vor der Wahl plädierte Bundeskanzler Friedrich Merz für eine
mehrheitliche Zustimmung. “Ich hoffe, dass sich der Deutsche Bundestag
als entscheidungsfähig
erweist”, sagte Merz in der Regierungsbefragung. Andernfalls würde das
Recht zur Wahl auf den Bundesrat übergehen. “Ich glaube nicht, dass wir
das tun sollten”, sagte er.
Der Bundesrat springt ein, wenn der Bundestag innerhalb von drei Monaten nach Wahlvorschlägen des Gerichts keine Nachfolger gewählt hat. Noch am Donnerstagabend wollte Merz nach eigenen Worten mit Fraktionschef Jens Spahn (CDU) zusammenkommen. “Wir werden darüber noch einmal sprechen und wir werden auch versuchen, da zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen”, kündigte er an.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner rief die Bundestagsfraktionen ebenfalls auf, die Wahl ohne Komplikationen durchzuführen. “Ein Parlament muss wissen, was seine Bedeutung ist. Und wenn man ureigenste Zuständigkeiten abgibt, dann ist das keine Stärkung eines Parlaments”, sagte sie im Berlin-Playbook-Podcast von Politico.
Letzte Richterwahl scheiterte
Dass es bei dieser Richterwahl gleich drei Posten zu besetzen gibt, liegt an der Altersgrenze für das Verfassungsrichteramt, die bei 68 Jahren liegt. Vordringlich geregelt werden soll dabei die Nachfolge des Verfassungsrichters Josef Christ, der altersbedingt eigentlich seit vergangenem November im Ruhestand sein müsste.
Für Christ, der seither geschäftsführend im Amt ist, tritt Spinner an. Die Union hatte bereits in der vergangenen Legislaturperiode Richter Robert Seegmüller vom
Bundesverwaltungsgericht vorgeschlagen. Die Nominierung scheiterte aber
am Widerstand der Grünen, denen Seegmüller als zu konservativ galt. Im Mai machte das Gericht deshalb eigene Personalvorschläge. Damit begann eine dreimonatige Frist, nach der das Wahlrecht an den Bundesrat übergeht.