Bundestagswahl: Merz warnt vor der AfD – „Dann wird man von dieser Natter erwürgt“ | ABC-Z
Warnung vor Donald Trump, Warnung vor der AfD, Spott für Olaf Scholz und Robert Habeck: Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz beginnt mit einer angriffslustigen Rede seine Wahlkampf-Tour. Eine wichtige Frage lässt er dennoch offen.
Es wird jetzt ernst für Friedrich Merz, den haushohen Favoriten für die Bundestagswahl am 23. Februar. Als letzter der vier Kanzlerkandidaten ist Merz an diesem Sonnabend auf Wahlkampf-Tour gegangen. Premiere in Hannover. Es folgt Flensburg am kommenden Montag, dann geht es weiter nach Fulda, Dresden, Erfurt, Bonn, Singen, St. Ingbert im Saarland, Stromberg im Hunsrück, Neubrandenburg, Halle, Potsdam, Vechta, Oberhausen. 13 Stationen, wenig im Vergleich zur Konkurrenz. Die großen Ballungszentren – Hamburg, Köln, Frankfurt, Stuttgart lässt Merz erst einmal links liegen.
Auch Hannover war ursprünglich nicht vorgesehen. Der Premieren-Auftritt im großen Saal eines Flughafen-Hotels wurde kurzfristig auf das Tour-Programm gesetzt. Rund 1000 Unionsanhänger sind dennoch gekommen. Die Niedersachsen-CDU hat flink und flächendeckend für diese Veranstaltung mobilisiert. Ausverkauftes Haus. Einmarsch. Rhythmisches Klatschen.
Auf den obligatorischen Pappschildern, die zu solchen Anlässen in die Höhe gehalten werden, steht: „Wieder nach vorn“ und „Team Merz“. Sebastian Lechner, Niedersachsen CDU-Landesvorsitzender, begrüßt den „künftigen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“. Der holt dann auch gleich entsprechend weit aus. Zu detailliert, das vorab, fällt Merz‘ 65-minütige Wahlkampf-Rede nicht aus.
Merz zu Donald Trump:
Zunächst erinnert Merz an den 6. November vergangenen Jahres. Die Wahl Donald Trumps am frühen Morgen dieses Tages und das Zerbrechen der Ampel-Koalition am frühen Abend. Zumindest letzteres, sagt Merz, sei „eine gute Nachricht“ gewesen. Ob das auch für die Wahl Trumps gelte, werde man dagegen erst noch sehen.
Der Kanzlerkandidat der Union, das lässt er in Hannover immer wieder durchblicken, sieht den nächsten US-Präsidenten eher skeptisch. Es sei, so Merz, „disruptiv, was da aus Amerika kommt“. Deutschland werde einen Präsidenten sehen, dessen Amtszeit vom ersten Tag an unter der Überschrift „America first“ stehen werde.
„Es gibt auch eine zweite Überschrift“, sagt Merz, „die heißt: America second. Und es gibt eine dritte Überschrift, die heißt: America third“. Er rate den Deutschen, den Europäern deshalb „ganz einfach eines: Nehmen wir das ernst, was er sagt.“ Es wird nicht die einzige Warnung sein, die Merz an diesem Nachmittag in Hannover ausspricht.
Merz zu Europa:
Europa, die EU, findet Merz, habe dennoch keinen Grund dazu, dem neuen US-Präsidenten mit „schlotternden Knie“ gegenüberzutreten. „Wenn wir zusammenhalten in Europa, 450 Millionen Einwohner in 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dann sind wir größer als Amerika und Kanada zusammen.“ Europa dürfe sich in den kommenden Wochen, Monaten, Jahren nicht klein machen.
„Wenn wir uns zu Zwergen machen, dann behandeln sie uns wie Zwerge.“ Dazu müsse die EU insgesamt die Schwäche ihrer Volkswirtschaften überwinden – und sich ohnehin mehr um das Wesentliche kümmern. Um „Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Verteidigungsfähigkeit, Handelspolitik, unsere Interessen in der Welt“.
Nicht mehr widmen solle sich Brüssel dagegen den immer kleinteiligeren Regulierungen. Den Deckeln von Mineralwasserflaschen, die sich nicht mehr zur Seite legen lassen – „das ist doch hirnrissig“. Und um die Geschwindigkeitsüberschreitungs-Melder in Neuwagen, „das blöde Ding“, das schon anfange zu piepen, wenn man die Höchstgeschwindigkeit um zwei Stundenkilometer überschreitet.
Auch das findet Merz „hirnrissig“ – und bekommt für diese Stichelei gegen die EU-Kommission und die Forderung nach einem „Rückbau der Bürokratie in der Europäischen Union“ ordentlich Szenenapplaus.
Merz zu Scholz, Habeck, Weidel
Seinen Kontrahenten um das Kanzleramt widmet sich Friedrich Merz nicht zu ausführlich, er lässt sie aber auch nicht ganz links liegen. Olaf Scholz bekommt Spott für seine Wortkargheit – „Mit Nö bringen wir diese Europäische Union nicht voran“.
Robert Habeck widmet Merz beißende Kritik an dessen Vorschlag, Sozialabgaben künftig auch auf Kapitaleinkünfte zu erheben. Eine Idee, deren Urheberschaft allerdings auch die CDA, der Arbeitnehmerflügel der Union, für sich beansprucht. Der Applaus der versammelten Christdemokraten für die Kritik am Wirtschaftsminister fällt dennoch deutlich enthusiastischer aus als der Beifall für den fast schon mitleidigen Spott am Kanzler.
Am deutlichsten allerdings grenzt sich Merz von AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel ab. „Meine Damen und Herren, schauen Sie sich die Rede von Frau Weidel an, die sie auf dem Parteitag der AfD gehalten hat. Spätestens dann müssen sie erkennen, was unserem Land droht, wenn diese Partei in politische Verantwortung kommt.“
Niemand dürfe glauben, fügt Merz mit Blick auf die Entwicklung in Österreich hinzu, „dass man eine solche rechtspopulistische Partei in der Regierungsverantwortung zähmen, domestizieren oder gar zur Vernunft bringen“ könne. „Wenn man sich eine solche Natter an den Hals holt, dann wird man von dieser Natter erwürgt.“
Merz zu Koalitionsoptionen:
Während die Absage an jegliche Zusammenarbeit mit der AfD deutlich ist, bleibt Merz bei den Grünen und bei der SPD im Ungefähren. Einen Wirtschaftsminister Robert Habeck schließt er auch in Hannover nicht aus, kündigt allerdings „mit Blick auf eine Regierungsbildung“ an, dessen bisherige Art der Amtsführung nicht dulden zu wollen.
Habeck sei wie Olaf Scholz „hauptverantwortlich“ für die Wirtschaftskrise hierzulande, auch für die schwache Rolle, die Deutschland derzeit auf europäischer Ebene spiele. „Das wird beendet.“ Ziel seines Wahlkampfes sei es, die Union so stark wie möglich zu machen. „Wir wollen aussuchen können“, ruft Merz und nennt dann SPD und Grüne in einem Atemzug.
Von der FDP will er lieber nicht mehr reden. Dass es am 23. Februar doch noch für Schwarz-Gelb reichen könnte, hält der CDU-Vorsitzende offenkundig für ausgeschlossen.
Merz zu Bürgergeld, Rente, Kernkraft und Migrationspolitik:
Inhaltlich hält sich Friedrich Merz in seiner Rede weitestgehend an das Wahlprogramm der Union. Er kündigt an, das Bürgergeld im Rahmen einer „Agenda 2030“ durch eine Grundsicherung ersetzen zu wollen. Steuersenkungen sollen zwei Prozent Wachstum und damit „90 Milliarden Euro mehr Wohlstand“ generieren.
Die Rente soll nicht gekürzt werden, aber „etwas langsamer“ wachsen, eine kapitalgedeckte Altersvorsorge die gesetzliche Rentenversicherung ergänzen. Dass es möglich sein könnte, bereits stillgelegte Atomkraftwerke wieder ans Netz zu bringen, bezweifelt der Kanzlerkandidat der Union. Wenn, dann werde man vielmehr neue, „modernste“ Reaktoren bauen. „Wir steigen nicht mehr aus, wir steigen wieder ein.“
Auch das Thema Zuwanderung streift Friedrich Merz eher am Rande. Er kündigt an, die Verfahren für die Einwanderung in den Arbeitsmarkt strikt vom Asylverfahren zu trennen und die irreguläre Einwanderung durch Grenzkontrollen deutlich erschweren zu wollen.
Es gibt einen freundlichen, nicht überschwänglichen Schlussapplaus für den Kanzlerkandidaten der Union in Hannover, dann darf sich Merz auf den Heimweg ins Sauerland machen. Dort empfängt er an diesem Sonntag CSU-Chef Markus Söder zum Weißwurstfrühstück.
Korrespondent Ulrich Exner ist bei WELT vor allem für die norddeutschen Bundesländer zuständig.