Bundestagswahl: Erstes Schaulaufen im Wahlkampf – Dachau | ABC-Z
Podiumsdiskussionen im Wahlkampf dienen dem Kennenlernen. Wer kandidiert für welche Partei? Was ist Kandidaten wichtig? Was wollen die Parteien? Manches Gesicht ist bekannt, andere sind neu. Die gut 80 Besucherinnen und Besucher der von den Selbständigen organisierten Diskussion im Säulensaal des Veranstaltungsforums Fürstenfeld konnten sich am Mittwoch ein Bild von vier Kandidatinnen und einem Kandidaten machen. Das gelang gut, weil Britta Jacob (Grüne), Michael Schrodi (SPD), Susanne Seehofer (FDP), Katrin Staffler (CSU) und Dagmar Wagner (Freie Wähler) nicht nur Fragen beantworteten, sondern auch kontrovers miteinander diskutierten.
Zum ersten Mal in diesem Bundestagswahlkampf sind die vier Kandidatinnen und der Kandidat in Fürstenfeldbruck auf einem Podium gesessen. Der frühere Kreishandwerksmeister Franz Höfelsauer und Uwe Jennerwein vom Bund der Selbständigen (BDS) wollten von den Bewerbern wissen, was sie in Berlin für die kleinen und mittelständischen Unternehmen erreichen möchten. Dafür hatten sie einen Katalog von Fragen vorbereitet, aus dem Moderator Christian Hufnagel von der Süddeutschen Zeitung einige stellte. Dabei ging es um Bürokratie, die Kosten von Energie und Rohstoffen, den Fachkräftemangel und den Mindestlohn.
Bürokratie
Der Abbau von Bürokratie wurde von den Kandidierenden als „allerwichtigstes Thema“ (Jacob) oder „großes Thema“ (Staffler) bezeichnet. Unisono gelobten sie Besserung und wollen die Wünsche der Unternehmer und Selbständigen nach Verringerung von Auflagen und Vorschriften nachkommen. Schrodi und Jacob erinnerten an die Bemühungen der Ampel-Regierung, mit mehreren Bürokratie-Entlastungsgesetzen den Dschungel an Vorschriften zu lichten. Allein eine Milliarde Euro werde durch das jüngste Gesetz eingespart, sagte Jacob und forderte eine stärkere Digitalisierung der Verwaltung. Schrodi möchte erreichen, dass sämtliche Ministerien bürokratische Auflagen einem Praxischeck unterziehen.
Staffler kritisierte diese Bemühungen als zu wenig. 146 Milliarden Euro koste die Bürokratie das Land in jedem Jahr, sagte sie und forderte eine Beseitigung des „Bürokratie-Monsters“. Als Streichkandidaten nannte Staffler das Lieferkettengesetz und etliche Dokumentationspflichten. Auch Seehofer will die Bürokratie eindämmen, in den nächsten drei Jahren dürfe es keine weiteren Dokumentationspflichten für Unternehmen geben. „Die Bürokratie hemmt Innovationen“, sagte sie. Wagner schloss sich ihren Vorrednerinnen an, sie sprach vom „Entschlacken“ und nannte das Baurecht, das unbedingt ein Weniger an Regelungen benötige.
Höfelsauer berichtete, wie er als Bäckermeister mehrmals am Tag die Temperatur in den Kühlschränken messen und dokumentieren musste. Bei Prüfungen hätten diese Aufzeichnungen aber niemanden interessiert, sagte er über die in seinen Augen völlig unnötige Auflage. Solche Vorschriften vermittelten ihm das Gefühl, dass die Politik den Betrieben grundsätzlich misstraue.
Von einem grundsätzlichen Misstrauen wollten die Politiker nichts wissen. Wenn Unternehmer aber dieses Gefühl hätten, dann mache die Politik etwas falsch, sagte Staffler und plädierte ein weiteres Mal für das Abschaffen vieler Regelungen. Dagegen erinnerten Jacob und Schrodi daran, dass Regelungen nicht eingeführt würden, um Selbständige zu ärgern. Deren Sinn liege zumeist darin, dass die Firmen in den verschiedenen Ländern Europas gleiche Voraussetzungen für den Wettbewerb haben. Schrodi warb zudem für Verständnis. Passiere ein Nahrungsmittelskandal, dann müssten sich Politikerinnen und Politiker jedes Mal für fehlende Regeln oder Kontrollen rechtfertigen.
Energie- und Rohstoffkosten
Die Preise für Energie und Rohstoffe sind den Betrieben zu hoch. Außerdem unterliegen sie starken Schwankungen. Die Selbständigen wollten deshalb wissen, was die Diskutanten auf dem Podium und ihre Parteien unternehmen wollen, um die Preise zu senken und mehr Planbarkeit zu erreichen. Schrodi und Jacob empfahlen die erneuerbaren Energien. Diese seien günstiger als alle fossilen und die Atomenergie, sagten sie. Wagner und Seehofer warben für Technologieoffenheit und Wasserstoff als Speichermedium. Die FDP-Kandidatin nannte zudem das Fracking, also den Abbau von Erdgas, als Möglichkeit, autark von Energieimporten zu werden.
An diesem Punkt entspann sich eine Kontroverse um die Atomenergie. Seehofer hatte den im Jahr 2011 beschlossenen Ausstieg und das Abschalten der drei letzten Meiler im April 2023 als Fehler bezeichnet. Schrodi wollte nun von ihr wissen, woher sie das Uran beziehen wolle und wie das mit einer Autarkie im Energiebereich zusammenpasse. Seehofer beantwortete die Frage nicht, sondern sagte nur, dass die Atomenergie Vergangenheit sei.
Staffler möchte in einer Regierung erreichen, dass die Netzentgelte halbiert werden. Diese Gebühren müssen für die Versorgung mit Strom bezahlt werden. Zudem möchte sie die Stromsteuer senken und das durch die Bepreisung des Kohlendioxids eingenommene Geld an die Bevölkerung zurückgeben.
Fachkräftemangel
Um den Mangel an Fachkräften zu verringern, setzen alle Parteien auf eine Erhöhung der Berufstätigkeit von Frauen. Mängel in der Kinderbetreuung und der oft nur geringe Zuwachs beim Einkommen verhinderten, dass mehr Frauen arbeiten gingen, hieß es. Kontrovers wurde es bei der Zuwanderung. Schrodi warb für eine Verbesserung der Willkommenskultur, um Arbeitskräfte aus dem Ausland anzulocken. Jacob verwies auf die Erleichterungen für ausländische Arbeitskräfte durch das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz der Ampel.
Seehofer sagte, eine Einwanderung für die Sozialsysteme sei nötig, Staffler warnte vor einer Einwanderung in die Sozialsysteme. Für von Unternehmen angeworbene Fachkräfte will Staffler erreichen, dass sich die Einreise leichter gestaltet, beispielsweise lange Wartezeiten auf Visa verringert werden.
Mindestlohn
Unterschiedliche Meinungen gab es beim Thema Mindestlohn. Die SPD hatte bei der vergangenen Wahl eine Erhöhung versprochen, die Ampel erhöhte den Mindestlohn. Nun verspricht die SPD wiederum eine Erhöhung. Schrodi widersprach der Aussage von Höfelsauer, durch einen höheren Mindestlohn werde die Inflation angeregt. Dafür gebe es keine Belege, sagte der SPD-Finanzpolitiker und bot dem früheren Kreishandwerksmeister einen Faktencheck an. Auch die Grünen-Kandidatin sprach sich für eine Erhöhung aus. Ihr Argument: Ein großer Niedriglohnsektor sei eine Gefahr für die Demokratie.
Seehofer sagte, sie finde den Mindestlohn eine gute Sache, sei aktuell aber gegen eine Erhöhung. Damit ging sie auf die Argumentation der Selbständigen ein, in der wirtschaftlichen Situation keine höheren Lohnkosten tragen zu können. Wagner sagte, Arbeit müsse sich lohnen, äußerte sich aber nicht konkret zum Mindestlohn. Dem beschied Staffler nur knapp, sie sei kein Fan von ihm.