Bundestagswahl 2025: Nach Wagenknecht-Austritt – Linke registriert Mitgliederzuwachs | ABC-Z
Die Linke stellt deutlich mehr Neumitglieder als Austritte fest – und zwar, seit die heutige BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht der Partei den Rücken gekehrt hat. Die Parteiführung spricht von einem „Vitalitätsschub“ – und macht dafür zwei Gründe aus.
Die Linke verzeichnet seit dem Austritt von Sahra Wagenknecht einen spürbaren Zuwachs an Neumitgliedern. Insgesamt 13.350 neue Mitglieder konnte die Partei seit Oktober 2023 registrieren, 7458 traten aus. Daraus ergibt sich ein Netto-Zugewinn von 5892 Personen. Das geht aus laufenden Zahlen der Linken vor, die WELT vorliegen.
Insbesondere das Ampel-Aus machte sich zuletzt bemerkbar: 4238 Eintritte verzeichnete die Partei seit dem Bruch der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP vor knapp drei Wochen. Lediglich 109 Austritte stehen dem entgegen, wie die vorläufigen Zahlen zeigen. Insgesamt hat die Partei derzeit 55.884 Mitglieder.
Die Linke hofft, aus ihrer andauernden Krise zu kommen. Diese fand im Oktober des vergangenen Jahres ihren vorläufigen Höhepunkt: Wagenknecht trat nach monatelangem Streit über die Ausrichtung der Linken und schlechten Wahlergebnissen aus, zahlreiche Linke folgten ihr. Mit insgesamt 5604 Austritten und lediglich 4042 Eintritten im Jahr 2023 zeigte sich dieser schwelende Konflikt ganz drastisch. Im Januar 2024 gründete die Ex-Linke das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das nach ersten Wahlerfolgen bei den Ost-Landtagswahlen bald in Thüringen und Brandenburg mitregieren könnte.
Die Linke setzt nun auf Aufschwung – und konnte im laufenden Jahr 2024 ein Anwachsen feststellen. Die Partei spricht gar von einer der größten Eintrittswellen der eigenen Geschichte. So sind im laufenden Jahr 10.485 neue Mitglieder eingetreten, dem 4667 Austritte gegenüberstehen. Ein Plus von 5818 Mitgliedern. In den zurückliegenden Jahren verlor die Partei stetig Mitglieder – auch aufgrund von Todesfällen in der alternden Mitgliederschaft und aufgrund von Genossen, die ihre Beiträge nicht mehr zahlen.
Die im Oktober gewählten neuen Linke-Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken sehen sich auf einem guten Weg. „Offenbar war die Trennung von der BSW-Truppe für viele der richtige Zeitpunkt, in die Linke einzutreten“, sagt van Aken. „Die Menschen kommen zur Partei wegen der wachsenden sozialen Ungerechtigkeit und dem Erstarken der Rechten.“
Wen die Linke bei der Wahl ansprechen will
Schwerdtner nennt den Mitgliederzuwachs einen „Vitalitätsschub“ für die krisengebeutelte Partei, der beim bevorstehenden Bundestagswahlkampf helfen soll. „Wir klopfen derzeit an mehrere Hunderttausend Haustüren und fragen die Menschen, wo der Schuh drückt“, so Schwerdtner zu WELT. Jene Haustürgespräche werde man wissenschaftlich auswerten und Forderungen für den Wahlkampf ableiten. „Für uns ist Gerechtigkeit der Kern unserer Politik“, sagt die Publizistin Schwerdtner. „Wir sind diejenigen, die die Probleme des Landes in der ungleichen Verteilung des Reichtums und den ungerechten Eigentumsverhältnissen sehen.“
Im Wahlkampf wolle man sich gegen die hohen Lebenshaltungskosten und steigenden Mietpreise wenden, etwa durch die Forderung nach einem bundesweiten Mietendeckel, kündigt van Aken an. Es gehe um die Menschen, „die am Ende des Monats zu wenig Geld in der Tasche haben“, so der ehemalige Bundestagsabgeordnete. „Hart arbeitende Menschen, Rentnerinnen und Rentner oder Menschen, die Grundsicherung beziehen. Wir werden denen ein politisches Angebot machen, die sich in diesem Land nicht mehr gehört fühlen.“
Die Partei-Urgesteine und Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi und Dietmar Bartsch sowie der Noch-Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, verkündeten vergangene Woche, für den nächsten Bundestag kandidieren zu wollen. Mit ihrer „Mission Silberlocke“ wollen sie drei Direktmandate erkämpfen, um einen Beitrag zum Bundestagseinzug zu leisten. Derzeit rangiert die Linke in Umfragen zur Bundestagswahl bei vier Prozent. Im Februar droht die Partei aus dem Bundestag zu fliegen.
Dass die Partei nicht gänzlich aus der Krise ist, zeigten auch die ersten Tage von Schwerdtner und van Aken im Amt. Nach dem Bundesparteitag in Halle im Oktober traten mehrere prominente Mitglieder um den ehemaligen Berliner Kultursenator Klaus Lederer aus. Sie warfen der Partei einen zu zaghaften Kampf gegen linken Antisemitismus und Israelhass vor.
Politikredakteur Kevin Culina ist bei WELT zuständig für die Berichterstattung über das Bündnis Sahra Wagenknecht und die Linkspartei.