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Bundesregierung unter Druck: Lage im Gazastreifen bleibt angespannt – Politik | ABC-Z

Der von hohen Erwartungen begleitete Besuch von Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) in Israel hat zu keinem grundlegenden Erfolg geführt. Die Bundesregierung stelle „erste, leichte Fortschritte bei der humanitären Hilfe für die Bevölkerung im Gazastreifen fest, die allerdings bei Weitem nicht ausreichen, um die Notlage zu lindern“, teilte Regierungssprecher Stefan Kornelius mit. Wadephul hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und das Sicherheitskabinett am Samstag telefonisch über die Ergebnisse seiner Reise unterrichtet. Israel stehe „weiter in der Pflicht, eine umfassende Versorgung auch mit Unterstützung der Vereinten Nationen und anderer humanitärer Organisationen sicherzustellen“, erklärte Kornelius. Wadephul, der auch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu empfangen worden war, sprach im Deutschlandfunk von einer „Hungersnot“.

Kanzler Merz und seine Regierung geraten damit zunehmend unter Druck, der Kritik an der israelischen Regierung auch Taten folgen zu lassen. Wadephul stellte allerdings klar, dass Deutschland die Anerkennung eines palästinensischen Staates zum jetzigen Zeitpunkt ablehnt und nicht dem Beispiel Frankreichs oder Großbritanniens folgen wird. Die Bundesregierung sei besorgt, weil eine „immer größere Zahl von Staaten Partei einseitig ergreifen für die Palästinenser und die israelischen Interessen nicht mehr sehen“. Er verwies auch auf die Verantwortung der Terrororganisation Hamas, die der Bevölkerung im Gazastreifen Hilfsgüter vorenthalte. Deutsche Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass 50 bis 100 Prozent der Lastwagenladungen mit humanitären Gütern von der Hamas und anderen kriminellen Organisationen abgefangen werden.

Die Lage in der Region verschärfte sich am Wochenende nach Veröffentlichung eines Videos der Hamas. Zu sehen ist der bis auf die Knochen abgemagerte 24-jährige Evjatar David. Die israelische Geisel wird in dem Video gezwungen, ihr „eigenes Grab“ zu schaufeln.

Der Screenshot aus einem Propaganda-Video der Terrororganisation Hamas, das mit Zustimmung der Familie vom „Hostages and Missing Families Forum Headquarters“ geteilt wurde, zeigt Evjatar David, der im Gazastreifen als Geisel festgehalten wird. (Foto: Hamas, geteilt von Hostages and Missing Families Forum Headquarters)

Der rechtsextreme israelische Polizeiminister Itamar Ben-Gvir rief daraufhin nach einem Gebet auf dem Tempelberg zu einer Wiederbesetzung des Gazastreifens auf. Als Reaktion müsse Israel„noch heute den ganzen Gazastreifen besetzen, Souveränität im ganzen Gazastreifen erklären“, sagte Ben-Gvir. Gleichzeitig müsse man die palästinensische Bevölkerung zur „freiwilliger Auswanderung ermutigen“.

Merz hatte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts am vergangenen Montag mögliche Schritte gegen die israelische Regierung von der weiteren Entwicklung abhängig gemacht. Wadephul ließ nach seiner Reise allerdings erkennen, dass solche Entscheidungen zunächst nicht anstehen. Auch in der knappen Mitteilung von Regierungssprecher Kornelius war davon nicht die Rede. Auffällig war allerdings, dass die Erklärung nicht die üblichen Solidaritätsbekundungen für Israel enthielt. Das kann als Zeichen der Frustration von Kanzler Merz über die harte Haltung Netanjahus gewertet werden.

Zugleich wird in der Bundesregierung auf die Rolle der Hamas verwiesen. Der bewaffnete Widerstand könne nur dann aufgegeben werden, wenn die Errichtung eines unabhängigen und vollständig souveränen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt verwirklicht sei, heißt es in einer Erklärung der Terrororganisation. Diplomatisch sucht die Bundesregierung trotz der unterschiedlichen Positionen zur Anerkennung Palästinas die Kooperation mit London und Paris. Merz’ außenpolitischer Berater Günter Sautter arbeite an einer Initiative mit seinen Kollegen aus Großbritannien und Frankreich, hieß es. Beteiligt werde auch Italien, das eine Anerkennung Palästinas derzeit ebenfalls ablehnt.

„Es gehören mehr als nur mahnende Worte dazu.“

Stark umstritten ist die Nahost-Politik auch innerhalb der schwarz-roten Koalition. „Zunächst mal, glaube ich, müssen wir an unseren Linien festhalten, an unseren Grundsätzen. Das heißt, wir sind engste Partner mit Israel“, betonte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder im Sommerinterview des ZDF. „Wir erwarten von der Bundesregierung entschlosseneres Handeln. Es gehören mehr als nur mahnende Worte dazu“, sagte hingegen der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Adis Ahmetović, dem Sender. „Deutschland sollte sich der europäischen Initiative zur Ganz- oder Teilaussetzung des EU-Assoziierungsabkommen nicht mehr verschließen. Und auch Sanktionen gegen israelische Minister dürfen kein Tabu mehr sein“, forderte er.

Wenn sich die israelische Haltung nicht schnell ändere, werde auch Deutschland gezwungen sein, für „die Aussetzung bestimmter europäisch-israelischer Abkommen und Projekte“ zu stimmen, hatte zuvor der Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, auf X gepostet. Wenn es am Mittwoch im Kabinett keine Klarheit gebe, wolle er Röttgen eine gemeinsame parlamentarische Initiative vorschlagen, kündigte Ahmetović an. Nach der Stadt Hannover kündigte derweil auch Düsseldorf an, Kinder aus dem Gazastreifen und Israel aufzunehmen, die besonders schutzbedürftig oder traumatisiert sind.

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