Politik

Bundesregierung: Ampelkoalition auf Kollisionskurs – Politik | ABC-Z

Die Ausgangslage erinnert inzwischen an zwei Züge, die aufeinander zu fahren: FDP und SPD gehen auf Kollisionskurs, bei den Themen Haushalt und Rentenpaket. Da wäre etwa Boris Pistorius (SPD), Verteidigungsminister. In seiner Not, nicht genug Geld für seinen Etat zu bekommen, hat er von einer USA-Reise schöne Grüße an Christian Lindner (FDP) geschickt. Er forderte vom Finanzminister, die Ausgaben für die Bundeswehr und die Krisenvorsorge von der Schuldenbremse auszunehmen. “Die Schuldenbremse bliebe ja bestehen, aber die Ausgaben für Verteidigung und Zivilschutz würden nicht dort eingerechnet”, sagt Pistorius. Die FDP lehnt das ab – und droht im Bundestag zudem mit einer Blockade des großen Rentenpakets.

Damit zeichnet sich ab, dass ein Lösen der verschiedenen Knoten wieder ein Fall für die Chefs werden dürfte – und dass Kanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) ein komplizierter Koalitionssommer bevorsteht. Da das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr praktisch verplant ist, warnt Pistorius schon vor einem “Rüstungsstopp”. Zudem steht man bei den Nato-Partnern im Wort, dauerhaft nun mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Rüstung und Verteidigung auszugeben, um sich gegen die Gefahren aus Russland zu wappnen und die Ukraine weiter auf hohem Niveau zu unterstützen.

“Wir reden von 6,5 bis 7 Milliarden Euro Zusatzbedarf für das kommende Jahr”, so der Verteidigungsminister. “Der Mehrbedarf wird auch in den Jahren danach weiter aufwachsen, weil das Sondervermögen schon ab Ende dieses Jahres vertraglich gebunden und damit ausgeschöpft sein wird.” Ab 2028 werde eine zweistellige Milliardenerhöhung nötig sein – Fachleute gehen von bis zu 30 Milliarden Euro aus. Derzeit werden noch Ausgaben des Sondervermögens eingerechnet beim Zwei-Prozent-Ziel.

Mehrere Ministerinnen haben deutlich mehr Geld gefordert, als Lindner ihnen zugestehen will

Lindner wies Pistorius umgehend in die Schranken. “Der Kollege Pistorius zeigt leider nur die Option auf, Sicherheit durch Schulden zu schaffen. Den Bürgern werden so immer mehr dauerhafte Zinslasten aufgehalst”, sagte der FDP-Chef der dpa. Der bessere Weg sei es, im Staatshaushalt Geld umzuschichten und die Wirtschaft in Fahrt zu bringen. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung betont auch der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke, solche Bevorzugungen einzelner, noch so wichtiger politischer Bereiche seien der Versuch, “für sich mehr Geld zu bekommen, aber die Antwort, wo es herkommen soll, zu vermeiden”. Er könne sich jetzt schon vorstellen, welche Ministerinnen und Minister als Nächstes für sich eine Ausnahme von der Schuldenbremse haben wollen, “nämlich alle, die jetzt mehr gefordert haben, als sie im Finanzplan beschlossen haben”. So haben Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) deutlich mehr Geld gefordert, als Minister Lindner ihnen zugestehen will.

Der Haushalt für das Bundestagswahljahr 2025 wird damit zur weiteren, großen Belastungsprobe für die Ampelkoalition, eigentlich müssen bis zu 25 Milliarden Euro eingespart werden. Trotz der sich überlappenden Krisen will Lindner eisern an der Schuldenbremse festhalten. Bei der FDP wird betont, wenn man anfange, einzelne Etatposten auszuklammern, würden das auch andere einfordern, da komme man “ins tiefe Gras”. So könnten die Grünen dann fordern, alle CO₂-mindernden Ausgaben von der Bremse auszunehmen, mithin würde sie vollkommen aufgeweicht.

Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz hatte als Erster schon vor Monaten den nun auch von Pistorius postulierten Vorschlag in die öffentliche Debatte eingebracht. Er betont auf SZ-Anfrage, aus dem Haushalt heraus ließen sich die zusätzlichen Aufwendungen für Verteidigung, Zivilschutz, Energie- und Mobilitätswende nicht finanzieren. Noch nie habe man vor so vielen Herausforderungen gleichzeitig gestanden. Lindners Alternativideen von einem massiven Umbau des Sozialstaates würde die Gesellschaft spalten. “Wir brauchen jetzt Zusammenhalt und einen mutigen und zukunftsfähigen Haushalt, der Orientierung und Planbarkeit gibt”, sagt Schwarz.

Die FDP will im Bereich Soziales kürzen, auch das Bürgergeld will sie reformieren

Die zweite offene Großbaustelle ist ein weiteres Konfliktfeld vor allem zwischen der Kanzlerpartei SPD und der FDP. Erst hatte Lindner die Verabschiedung des Rentenpakets im Kabinett gestoppt, nun soll es dort zwar noch im Mai beschlossen werden – aber die FDP-Fraktion will eines der Herzensanliegen der Sozialdemokraten danach im Bundestag blockieren. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plant hier zusätzliche Milliarden ein, die FDP will aber gerade im Bereich Soziales kürzen; auch das von der SPD durchgesetzte Bürgergeld, das frühere Hartz IV, will man reformieren. So habe gerade eine Studie gezeigt, dass wegen der Leistungen weniger Arbeitslose eine Arbeit annehmen, betont der FDP-Abgeordnete Jens Teutrine.

Mit dem Rentenpaket soll wie im Koalitionsvertrag vereinbart ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2039 garantiert werden. Das kostet viel Geld, weshalb der Beitragssatz steigen wird. Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Pascal Kober, betont im Gespräch mit der SZ, im Koalitionsvertrag stehe eindeutig, dass das Rentenniveau nur unter Wahrung der Generationengerechtigkeit gesichert werden könne. “In dem, was jetzt vorliegt, steigen die Rentenbeiträge viel zu stark, das belastet künftige Generationen, macht Arbeit teurer, gibt weniger Netto vom Brutto und schwächt die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Deshalb fordern wir da Nachbesserungen.”

Es gebe eine Reihe von Stellschrauben: etwa die Reserven der Rentenversicherung am Kapitalmarkt anlegen, “oder wir können auch gerne über die Rente ab 63 sprechen.” So wie die FDP bei der Schuldenbremse hart bleibt, bleibt es die SPD in diesem Bereich. Kober betont, man solle auch die Anreize verstärken, freiwillig länger zu arbeiten. “Der FDP-Bundestagsfraktion fehlt es hier nicht an Fantasie, insofern setzen wir darauf, dass sich der Bundesarbeitsminister von uns inspirieren lässt.”

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"