KI, Videoüberwachung, Fußfessel: Polizei erhält mehr Kompetenzen | ABC-Z

Berlin. Die Berliner Koalition hat sich auf ein neues Polizeigesetz im Kampf gegen Kriminalität und Terror geeinigt. Das bietet Sprengstoff.
Berlins Ermittler sollen schon bald mehr Befugnisse im Kampf gegen Kriminalität und Terror erhalten. Nach zähen Verhandlungen hat sich die schwarz-rote Regierungskoalition auf ein neues Polizeigesetz geeinigt, wie die Senatsinnenverwaltung mitteilte. Das rund 750 Seiten lange Dokument – formell „große Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG)“ genannt – wird am Sonntag von den Fraktionsspitzen von CDU und SPD auf ihrer Fraktionsklausur vorgestellt.
Das Gesetzespaket enthält einige umstrittene Punkte, Kritik der Oppositionsparteien Linke und Grüne scheint vorprogrammiert. So soll es nach dem Willen der Koalitionäre schon bald dauerhafte Videoüberwachung an den sieben kriminalitätsbelasteten Orten Berlins geben – also Alexanderplatz, Görlitzer Park, Hermannplatz, Hermannstraße, Kottbusser Tor, Rigaer Straße und Warschauer Straße.
Polizei Berlin: KI-Basierte Videoüberwachung und längere Speicherfristen
Im Zusammenhang mit dieser Videoüberwachung soll die Polizei auch Künstliche Intelligenz einsetzen können. „Es geht nicht darum, Personen zu identifizieren, sondern um das Erkennen von Verhaltensmustern“, sagt Innensenatorin Iris Spranger (SPD). „So können Polizeidienstkräfte schneller Maßnahmen ergreifen, wenn sie Videoaufnahmen auf Monitoren sehen.“ Den Live-Abgleich biometrischer Daten wird es in diesem Sinne explizit nicht geben.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) erhalten die Möglichkeit, die Speicherzeit ihrer Videoaufnahmen von 48 auf nunmehr 72 Stunden zu erhöhen. Das soll traumatisierten Opfern schwerer Straftaten einen längeren Zeitraum geben, um sich bei der Polizei zu melden und Aussagen zu tätigen. „Als Innensenatorin könnte ich mir auch eine Speicherfrist von 96 Stunden vorstellen“, so Spranger.
Polizei soll verschlüsselte Nachrichten lesen dürfen
Ein großer Sprung wird in Sachen Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) gemacht, schon lange eine Forderung der Polizeigewerkschaften. Durch TKÜ wird Kommunikation erfasst, bevor diese etwa in Messengern wie WhatsApp verschlüsselt wird. Außerdem ermöglicht sie die Entschlüsselung. So soll es der Polizei von nun an unter strengen Auflagen erlaubt sein, verschlüsselte Kommunikation abzuhören.
Dabei liegt der Fokus auf der Abwehr von organisierter Kriminalität (OK) und Terrorismus. Allerdings nur unter Gerichtsvorbehalt. Heißt: TKÜ darf nur nach einem richterlichen Entscheid angewandt werden. „Wir wahren dabei den Grundrechtsschutz und die Verhältnismäßigkeit“, betont Spranger.
Organisierte Kriminalität: Kryptowährungen können eingezogen werden
Großer politischer Sprengstoff liegt in der Neuregelung zur Bestandsdatenauskunft, der Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten sowie der Funkzellenabfrage für die Gefahrenabwehr. Bislang können nur bestimmte Verkehrsdaten abgefragt werden, nun aber soll es möglich sein, bei Gefahr von Leib und Leben oder im Falle des Kinderschutzes präventiv und ohne zuvor begangene Straftat Kommunikationsdaten sowie Name und Adresse von Verdächtigen von Unternehmen anzufordern sowie Festplatten zu durchsuchen. Auch das allerdings nur unter richterlichem Vorbehalt.
Im Kampf gegen die OK sollen erstmals Kryptowährungen und andere virtuelle Währungen präventiv beschlagnahmt werden können „Wir treffen damit die Organisierte Kriminalität an einer Stelle, die ihr weh tut: am Vermögen“, sagte Spranger.
Häusliche Gewalt: Die Fußfessel für gewalttätige Ex-Partner kommt
Lange gefordert und nun umgesetzt werden zudem härtere Maßnahmen im Kampf gegen häusliche Gewalt. Die Polizei Berlin wird mit der ASOG-Novelle die Befugnis erhalten, das gegen den Gewalttäter verhängte Verbot zur Betretung der gemeinsamen Wohnung von 14 auf 28 Tage zu verlängern. Damit erhalten die meist weiblichen Opfer ausreichend Zeit, um beim Familiengericht Schutz auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes zu erlangen.
Spektakulärste Neuerung ist wohl die Einführung einer Fußfessel für verurteilte Gewalttäter im sogenannten „Spanischen Modell“. Dabei kann auch die gefährdete Person, meist die Ex-Partnerin, auf freiwilliger Basis mit GPS-Technik ausgestattet werden, damit frühzeitig festgestellt werden kann, ob sich ihr die Person nähert, der dies untersagt wurde. „Das ist ein wichtiges Signal für den Opferschutz“, freut sich Innensenatorin Spranger.
Pilotprojekt im Kurfürstenkiez: Notrufsäule mit Videotechnik
Des Weiteren wird ein Pilotprojekt im berüchtigten Kiez rund um die Kurfürstenstraße mit einer stationären polizeilichen Notrufsäule und integrierter Videotechnik gestartet. Damit sollen Personen, die den Notruf auslösen, besser vor Angriffen geschützt und Verletzungssituationen schneller erfasst werden. Das Projekt, das in Zukunft möglicherwiese auch in anderen Problem-Kiezen Anwendung finden könnte., ist speziell auf Prostituierte zugeschnitten, denen beispielsweise von ihren Zuhältern das Handy abgenommen wurde.
Morgenpost Späti
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Nicht zuletzt erhält die Polizei durch das ASOG mehr Rechts- und Handlungssicherheit bei der Nutzung von Bodycams und beim Einsatz von Schusswaffen. Der finale Rettungsschuss bei Gefahr für Leib und Leben wird erstmals gesetzlich geregelt, um den Einsatzkräften bei Anwendung mehr Rechtssicherheit zu geben.