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Prozess um Brandanschlag auf Erdinger Tankstelle – Erding | ABC-Z

Von dem nächtlichen Brand an der Tankstelle habe sie am frühen Morgen des 25. März aus dem Radio erfahren, erinnert sich die Mutter des Beschuldigten bei ihrer Vernehmung am Landgericht Landshut. Die Nachricht, dass ihr 31-jähriger Sohn als mutmaßlicher Täter festgenommen worden ist, habe „schon ein bisschen geschmerzt“, gibt die 71-Jährige zu. Ihre zitternde Stimme und ihr gesenkter Blick deuten darauf hin, dass die Angelegenheit sie in Wahrheit ziemlich belastet. Schließlich entscheidet sich in dem Prozess, ob ihr Sohn dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung bleiben muss.

An der Täterschaft des 31-Jährigen, der nach eigenen Angaben zwei Berufsausbildungen abgeschlossen hat, bestehen nach den polizeilichen Ermittlungen keine Zweifel. Auf Aufnahmen von Überwachungskameras ist zu erkennen, wie er sich an mehreren Zapfsäulen der Erdinger Tankstelle zu schaffen macht, Schnüre verlegt, unmittelbar neben einer Zapfsäule einen Molotow-Cocktail entzündet und wegläuft. Wenig später erscheinen Polizisten, die mit Handfeuerlöschern die knapp einen halben Meter hohen Flammen ersticken. Offenbar hat ein Passant die Polizei verständigt.

Die sofort eingeleitete Fahndung hat Erfolg: Der Erdinger kann unweit der Tankstelle festgenommen werden. In seinem Rucksack finden die Beamten unter anderem ein Multi-Tool mit mehreren Messern, mit denen er offenbar die Zapfschläuche angeschnitten hat. Außerdem werden an seinen Händen Rückstände von Waschbenzin und in seiner Wohnung Utensilien zum Bau von Molotow-Cocktails sichergestellt. Der für die Ermittlungen zuständige Beamte der Erdinger Kriminalpolizei spricht von einem „untauglichen Versuch“, die gesamte Tankstelle in Brand zu setzen. Die Schnüre seien als Lunten ungeeignet und die Tanks unter der Tankstelle durch Sicherheitsventile geschützt. So wie der Molotow-Cocktail verwendet worden sei, sei er „wie eine Kerze“ abgebrannt.

Am Abend zuvor hat der Beschuldigte das Auto seines Vaters angezündet. Anders als an der Tankstelle ist der Molotow-Cocktail, den er auf die Windschutzscheibe geworfen hat, zerbrochen und die rechte vordere Seite des Wagens ausgebrannt. Neben dem Schaden von 25 000 Euro waren Personen in Gefahr: Das Auto war nämlich auf einem ebenerdigen Stellplatz unter einem Mehrparteienhaus geparkt. Hätte nicht ein Passant den Vater benachrichtigt und dieser den brennenden Wagen von dem frei zugänglichen Stellplatz rückwärts ins Freie gefahren, hätten die Flammen womöglich auf das Wohnhaus übergegriffen. Der Vater hatte seinen Sohn früher bereits angezeigt, weil es Anhaltspunkte gab, dass dieser seine Reifen zerstochen hatte. Deshalb lag der Verdacht nahe, dass der Sohn der Brandstifter war. Zu einer Durchsuchung seiner Wohnung kam es an diesem Tag indes nicht. Mit der Brandlegung am Abend an der Tankstelle ist der gelernte Zimmerer der Durchsuchung „zuvorgekommen“, wie der Kriminalpolizist es formuliert.

Der Angeklagte glaubt, dass er falsch behandelt worden ist

Der Beschuldigte räumt die Taten ein. An der Tankstelle habe er lediglich ein „Kleinfeuer“ entfachen wollen, beteuert er. An eine Explosion habe er ebenso wenig gedacht wie daran, dass der Fahrzeugbrand auf das darüberliegende Wohnhaus übergreifen könnte. Sein Vater habe ihn als Kind „drangsaliert“. So habe er „stundenlang“ weite Strecken laufen oder in der Sonne schmoren müssen – bis zum Sonnenbrand. Die Taten seien Ausdruck seiner paranoiden Schizophrenie. Er habe Stimmen gehört und sich eingebildet, sein Vater höre seine Wohnung ab – mit Unterstützung des Tankstellenbetreibers. Nach der Trennung von seiner Freundin ein Jahr vor den Taten sei er in eine „tiefe Depression“ gefallen und psychologisch behandelt worden. Dass er Stimmen hört, habe der Psychologe als „Hirngespinst“ abgetan – und weder eine Diagnose gestellt noch therapeutische Maßnahmen ergriffen.

Wie der ermittelnde Polizist berichtet, hat sich der Beschuldigte auch bei der Erstvernehmung nach den Taten „psychisch auffällig“ verhalten. So habe er etwa seine Zähne gefletscht und „immer wirrer“ gesprochen. Deshalb wurde er auch in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war, und hat ihn nicht angeklagt, sondern ein Sicherungsverfahren eingeleitet. Ob er dauerhaft in der geschlossenen Psychiatrie bleiben muss, wird vor allem davon abhängen, ob der psychiatrische Sachverständige, der am nächsten Verhandlungstag aussagen soll, in ihm eine Gefahr für die Allgemeinheit sieht. Der 31-Jährige selbst hofft auf eine Unterbringung auf Bewährung. Er würde dann ambulant therapiert mit Auflagen und Kontrollen anstelle einer unbefristeten, stationären Einweisung. Bei den Taten „habe ich die Kontrolle über mich selbst verloren“, erklärt er. Wäre er frühzeitig mit Psychopharmaka behandelt worden, sagt er, wäre es nicht dazu gekommen. Seine Mutter macht ihm Mut: „Alles wird gut.“

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