Bundesliga: Urteil nach Feuerzeug-Wurf – Bochum bekommt Sieg bei Union zugesprochen | ABC-Z
Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes hat nach dem Feuerzeug-Eklat beim Bundesliga-Spiel zwischen Union Berlin und dem VfL Bochum ein Urteil gesprochen. Die Partie wird zugunsten der Bochumer gewertet. Union kündigt an, gegen das Urteil Berufung einzulegen.
Torwart Patrick Drewes nahm das Urteil des DFB-Sportgerichts ohne große Emotionen hin – der VfL Bochum darf sich aber nach der juristischen Aufarbeitung des Feuerzeugwurfs von Berlin erst einmal als Gewinner fühlen. 25 Tage nach dem Eklat beim unterbrochenen Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem Tabellenletzten (1:1) hat das DFB-Sportgericht den Bochumern drei Punkte zugesprochen. Die Partie wird mit 2:0 für den VfL gewertet, weil Drewes dabei verletzt worden war.
Das Sportgericht gab in Frankfurt/Main dem Einspruch des VfL gegen die Wertung des Spiels statt. „Für eine besondere Schauspieleinlage von Herrn Drewes oder für ein Komplott oder eine Schmierenkomödie haben wir nicht die entsprechenden Anhaltspunkte bekommen“, sagte Stephan Oberholz als Vorsitzender des Gremiums nach der rund dreistündigen mündlichen Verhandlung auf dem DFB-Campus.
„Entscheidungen am Grünen Tisch sind immer das letzte Mittel, hier haben wir es aber mit Umständen zu tun, die uns kaum eine andere Möglichkeit gegeben haben“, erklärte Oberholz weiter. Die Bochumer begrüßten die Entscheidung. „Wir sind glücklich, dass unsere Argumente vollumfänglich gehört wurden. Der Fußball ist trotzdem der Verlierer, wenn solche Dinge passieren“, sagte VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig.
Der 1. FC Union Berlin wird gegen die Umwertung Berufung einlegen., wie das Präsidium des Vereins am Donnerstagabend entschied.
Union-Präsident Dirk Zingler begründet die Entscheidung: „Es ist schon schlimm genug, dass Personen bei Konzerten oder Sportveranstaltungen immer wieder Gegenstände auf Bühnen, in Innenräume oder auf den Rasen werfen. Leider ist das durch keinen Veranstalter zu verhindern. Umso wichtiger ist es, diese Personen zu identifizieren, aus der Veranstaltung zu entfernen und mit der höchstmöglichen Strafe zu belegen, um potenzielle Nachahmer davon abzuhalten.
Viel schlimmer ist es jedoch, wenn jemand versucht, sich aus diesen für keinen Veranstalter zu verhindernden Ereignissen einen Vorteil zu verschaffen, insbesondere dann, wenn auch unbeteiligte Dritte dadurch erheblich benachteiligt werden. Das ist hier der Fall: Der eigentliche unsportliche Skandal hat nach dem Ereignis auf dem Rasen und heute vor Gericht stattgefunden.“
Weiter schreibt der Verein in einer Mitteilung: „Das heutige Urteil zeigt zudem, dass die oft benutzte „Hinzurechnung“ eines Ereignisses zu einem Verein fragwürdig, oft sogar falsch ist. Wenn die Konsequenzen daraus sich sogar zu Lasten unbeteiligter Vereine erstrecken, wird es vollkommen absurd.“
Partie mehr als 25 Minuten unterbrochen
Die Partie im Stadion An der Alten Försterei war am 14. Dezember in der 92. Minute für mehr als 25 Minuten unterbrochen, nachdem der Bochumer Schlussmann Drewes von einem aus dem Union-Block geworfenen Feuerzeug getroffen worden war und vom Feld musste. Die Berliner hatten angezweifelt, dass eine Verletzung bei Drewes vorgelegen habe.
„Vorne links oben“ am Kopf sei er getroffen worden, sagte der VfL-Keeper bei der Verhandlung im Saal Golden Goal auf dem DFB-Campus. „Das war schon ein Treffer, denn ich wahrgenommen habe.“
Das Spiel wurde damals nach dem Vorfall und der Unterbrechung durch Schiedsrichter Martin Petersen ohne Drewes fortgesetzt und beendet. Da Bochum sein Auswechselkontingent bereits ausgeschöpft hatte, ging Angreifer Philipp Hofmann kurzzeitig ins Tor. Beide Teams passten danach den Ball lediglich hin und her, um die Begegnung zu beenden.
Drewes wurde später im Krankenhaus untersucht. Ein Test auf Gehirnerschütterung sei unauffällig verlaufen, hieß es von Vereinsseite. Der 31-Jährige berichtete vor dem DFB-Sportgericht von Schwindel, Übelkeit und Schmerzen an der Einschlagstelle. Teamarzt Mark Sandfort nannte als Zeuge vor Gericht als erste Verdachtsdiagnose in dem Moment ein Schädelhirntrauma – „in leichter Form zwar, aber ausschließen konnte ich es nicht.“
VfL-Spieler Passlack forderte auf dem Platz einen Spielabbruch
In Fan-Kreisen war Drewes vorgeworfen worden, geschauspielert zu haben. Und: Hat ihn sein Mitspieler Felix Passlack gar dazu angestiftet? Der Bochumer hatte kurz nach dem Feuerzeugwurf hinter vorgehaltener Hand etwas zu Drewes gesagt. „Ich habe ihm gesagt, dass er sich erst mal setzen und beruhigen soll“, erklärte der befragte Passlack. „Ich spreche gerne mit vorgehaltener Hand.“ Beim Schiedsrichter habe er „aus den Emotionen heraus“ den Spielabbruch gefordert.
Referee Petersen war selbst bei einem DFB-Pokalspiel 2015 in Osnabrück von einem Feuerzeug an der Schläfe getroffen worden und erinnerte vor Gericht daran, dass er damals nicht weitermachen konnte: „Mir ist schummrig geworden, ich hatte weiche Knie.“
Warum der Referee aus Stuttgart die Partie in Berlin nicht abbrach, erklärte der 39-Jährige ausführlich. Es habe keine Einwände von der Polizei gegeben, das Spiel nicht fortzuführen – und auch beide Mannschaften hätten es so gewollt. „Ein Spielabbruch ist durchaus erforderlich gewesen“, kritisierte Oberholz das Vorgehen von Petersen.
Den Nichtangriffspakt beider Teams, von dem Petersen wusste, fand DFB-Chefankläger Anton Nachreiner „grob unsportlich“. Zudem betonte der erfahrene Jurist: „Es ist hier irregulär weitergespielt worden.“ Auch Richter Oberholz verurteilte so etwas, da so etwas zu einer Wettbewerbsverzerrung führe. Auch deshalb, weil das Spiel „nicht regulär beendet“ worden sei, schloss Bochums Rechtsbeistands Joachim Rain eine Wiederholung aus: „Es ist nur ein Urteil gerechtfertigt: dass der VfL die Punkte bekommt.“
Wenn das Urteil bestehen bleibt, dann hat es auch sichtbare Auswirkungen auf die Tabelle – und den Abstiegskampf: Das bisherige Schlusslicht Bochum schließt durch den ihm zugesprochenen Sieg zum punktgleichen Vorletzten Holstein Kiel auf und hat nur noch zwei Zähler Rückstand auf den 1. FC Heidenheim. Union hatte den Feuerzeugwerfer nach eigenen Angaben ermittelt, eine Anzeige erstattet und ein dreijähriges Stadionverbot ausgesprochen.
Union wollte den einen Punkt behalten
Nach Paragraf 17 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB kann Einspruch gegen die Spielwertung eingelegt werden bei „Schwächung der eigenen Mannschaft durch einen während des Spiels eingetretenen Umstand, der unabwendbar war und nicht mit dem Spiel und einer dabei erlittenen Verletzung im Zusammenhang steht“.
Genau diese Schwächung sah die Union-Seite nicht. „Die Verletzung hat sich nicht widergespiegelt in den letzten zwei Minuten“, sagte Berlins Anwalt Michael Müller angesichts des Ballgeschiebes nach der Unterbrechung. Doch der eine Punkt ist für die Eisernen erst mal weg.
rc