Bundesliga: Leverkusen siegt, Gladbach rückt vor, Spielunterbrechung bei Union – Sport | ABC-Z
Dieter Hecking ist ein erfahrener Hase, 422 Bundesligaspiele hat er als Trainer schon gesehen. Da lernt man viel, aber sowas hat auch er noch nicht gesehen. Das Spiel ging 1:1 aus, aber wie es gewertet wird, das wird sich erst noch entscheiden. Aber der Reihe nach: Nach 13 Minuten versuchte Bochums Koji Miyoshi, im Mittelfeld einen Ball zurückzugewinnen, traf aber aus der Drehung Andras Schäfer mit offener Sohle seitlich am Schienbein. Es war keine Absicht, soweit man das beurteilen konnte, trotzdem glasklar Rot. Garantiert hatte Hecking auf Zählbares gehofft, Union Berlin ist dieses Jahr notorisch offensivschwach, vielleicht, wenn man hinten stabil genug steht …
Aber fast 80 Minuten in Unterzahl? Schwierig. Union wurde mit einem Mann mehr zunächst nicht stürmischer, stattdessen ging der VfL in Führung. Ibrahima Sissoko köpfte eine Flanke von Felix Passlack ein – ein simples Tor, also genau das, was Bochum dringend brauchte. Erst danach entwickelten die Köpenicker ein bisschen Gefahr, Benedict Hollerbach erzielte mit einem handlungsschnellen Innenristschuss das verdiente 1:1. Zu Beginn der zweiten Hälfte nahm Schiedsrichter Martin Petersen zurecht einen Elfmeter für Union wieder zurück. Was aus Berliner Sicht bitter war, denn danach mussten sie auf herkömmliche Art und Weise ein Tor erzielen, und das ist einfach nicht ihre Stärke gerade. Nur über Hollerbach entstand Gefahr, Bochum verteidigte aber auch in Unterzahl souverän.
Der Spielverlauf wird aber in Vergessenheit gerade, denn was in der Nachspielzeit passierte, wird nun die Debatte bestimmen: Bochums Torhüter Patrick Drewes wurde vorm Ausführen des Abstoßes aus dem Berliner Fanblock von einem Wurfgeschoss, offenbar einem Feuerzeug, am Kopf getroffen. Er sank zu Boden, Schiedsrichter Petersen schickte die Spieler in die Kabine. Fast eine halbe Stunde blieben die Mannschaften dort, dann kehrten sie wieder zurück aufs Feld. Nur Torhüter Drewes nicht. Weil Bochum sein Wechselkontingent schon erschöpft hatte, musste Stürmer Philipp Hofmann ins Tor. Zu tun bekam er nichts mehr, denn beide Mannschaften spielten sich nur noch kurz den Ball zu. Mit 1:1 ging es dann zu Ende. Über den Spielausgang wird nun das Sportgericht entscheiden.
„Wir haben uns geeinigt, dass wir den Ball hin und her spielen“, sagte Hofmann danach bei Sky. „So eine Aktion geht nicht. Ich habe es erst gar nicht gesehen.“ Der VfL habe „das Spiel zu Ende bringen“ wollen.Stadionsprecher Christian Arbeit hatte zuvor an die Fans appelliert, keine Gegenstände mehr zu werfen. Die Berliner Fans hatten Drewes allerdings auch mit höhnischen Gesängen verspottet. „Die Bochumer werden Einspruch einlegen, das ist unsere Kenntnis“, sagte Unions Sportchef Horst Heldt. „Bei allem Respekt, dass das nicht schön ist, da sind wir uns einig“, sagte Heldt. „Es ist jetzt, leider Gottes, passiert, da können wir uns nur entschuldigen. Es sind Einzelne, dass uns das nicht gefällt, steht außer Frage. Aber wir dürfen nicht anfangen, dass wir die ganze Tribüne verurteilen.“
Die Sicht des VfL Bochum ist dagegen eine andere: „Wir sind der Meinung, dass das Spiel nach Regelwerk hätte abgebrochen werden müssen“, sagte Geschäftsführer Ilja Kaenzig. „Wenn man das Regelwerk auslegt“, sei von einer Umwertung in einen VfL-Sieg auszugehen. Zur Begründung sagte Kaenzig: „Das kann ja nicht der Maßstab sein, ob jemand verletzt, schwer verletzt, ohnmächtig oder sonst was ist. Das Regelwerk ist ganz klar. Wir hatten unser Wechselkontingent ausgeschöpft, der sportliche Nachteil war schon gegeben.“
FC St. Pauli – SV Werder Bremen 0:2 (0:1), Tore: 0:1 Derrick Köhn (24.), 0:2 Marvin Ducksch (54.)
Das Spiel konnte wegen Pyrorauch im Stadion erst mit leichter Verspätung beginnen. In Halbzeit eins entwickelte sich dann eine ausgeglichene, wenn auch recht ereignisarme Partie. Die Gäste aus Bremen nutzten ihre erste Chance: Jens Stage behauptete an der rechten Außenlinie den Ball, zog in die Mitte und bediente an der Strafraumlinie Derrick Köhn auf links. Der Außenverteidiger zielte ins lange Eck, wo der Ball trotz aller Streckbemühungen von Pauli-Torwart Nikola Vasilj auch hinein fand. Die Hamburger hatten zuvor Glück gehabt, dass eine potenzielle rote Karte für David Nemeth wegen Notbremse stecken blieb – die Abseitsstellung von Bremens Stage machte die Aktion nichtig.
Zu Beginn von Halbzeit zwei zeigte sich, dass die Zündelei vor Anpfiff nur ein kleiner Appetithappen war – beide Fanlager brannten derart viel Pyrotechnik, dass der Rauch jede Sicht aufs Spielfeld nahm und Schiedsrichter Robert Hartmann die Partie für mehrere Minuten unterbrach.
Anschließend war St. Pauli das zwar aktivere Team, agierte auf dem Weg zum möglichen Ausgleich aber unsauber oder zu kompliziert. Wie einfach Fußball sein kann, zeigten dann die Bremer: Abschlag von Torwart Michael Zetterer zu Mitchell Weiser auf rechts, der mit einem Seitenwechsel zu Marvin Ducksch im Strafraum – Brustannahme, Abschluss, Innenpfosten, 2:0. Kurz darauf köpfte Werder-Verteidiger Niklas Stark nach einem Pauli-Eckball an die eigene Latte. Der Bremer Auswärtssieg geriet jedoch nicht mehr in Gefahr.
FC Augsburg – Bayer 04 Leverkusen 0:2 (0:2), Tore: 0:1 Martin Terrier (14.), 0:2 Florian Wirtz (40.)
Augsburgs Außenverteidiger Dimitrios Giannoulis fehlte die letzten Wochen verletzt. Womöglich erklärt das den Tiefschlaf des Griechen in Minute 14, als er seine Seite völlig verweist ließ. Es ist eigentlich kein Geheimnis, dass man dem dort flitzenden Leverkusener Jeremie Frimpong so viel Freiraum besser nicht geben sollte. Granit Xhaka spielte einen langen Diagonalball auf den Niederländer, der sprintete, legte flach in die Mitte, wo Martin Terrier vollendete. Toreschießen leicht gemacht für den Favoriten, der abgesehen davon keineswegs überragte. Der vermeintliche Ausgleich von Keven Schlotterbeck mit dem Hinterkopf nach gut 20 Minuten zählte nur wegen knapper Abseitsstellung nicht. Insgesamt wurden die Augsburger mutiger. Kurz vor der Pause zeigte dann der bis dahin eher unauffällige Florian Wirtz sein Können. Halblinks an der Strafraumkante täuschte er erst einen Schuss an, den er nur Sekundenbruchteile später absetzte und durch die Beine der FCA-Verteidigung flach im rechten Eck versenkte. Zweite Chance, zweites Tor – kein Fußballfeuerwerk, aber meisterlich effizient.
Wirtz hätte kurz nach der Halbzeit auf 3:0 erhöhen können, FCA-Torwart Nediljko Labrović parierte seinen Schlenzer. Im Anschluss mangelte es den Augsburgern an Können und den Leverkusenern an Willen, um noch nennenswert am Spielstand zu schrauben. Großchancen blieben bis zum Schlusspfiff aus. Mit einem ungefährdeten Sieg nutzte Leverkusen den Patzer der Bayern in Mainz aus und kommt nach zwischenzeitlich neun Punkten Rückstand wieder auf vier Zähler in Reichweite.
Borussia Mönchengladbach – Holstein Kiel 4:1 (3:1), Tore: Tim Kleindienst (1.), 2:0 Robin Hack (26.), 2:1 Armin Gigovic (30.), 3:1 und 4:1 Alassane Pléa (43., 79.)
Manchmal versuchen Trainer, den Gegner mit einem Spielzug vom Anstoß weg zu überraschen. Man denke an das Länderspieltor von Florian Wirtz im März gegen Frankreich nach 7,92 Sekunden. Ganz so schnell ging es für Gladbach nicht. Außerdem ist es alles andere als überraschend, dass Kopfbälle von Tim Kleindienst Gefahr bedeuten – umso erstaunlicher, wie naiv die Kieler verteidigten, als sich der Gladbacher nach 35 Sekunden in die Luft schraubte. Auch beim 2:0 sah der Aufsteiger nicht gut aus: Nico Elvedi schlug den Ball lang aus der eigenen Hälfte, zwei Holstein-Verteidiger wurden sich nicht einig, wer die Sache klären sollte. Robin Hack bedankte sich und lupfte den Ball über Kiels Keeper Timon Weiner hinweg, der mit schlechtem Timing halb aus dem Tor gekommen war.
Aus dem Nichts verkürzte nur wenige Minuten später Armin Gigović, dessen traumhafter Linksschuss sich wie gemalt ins Gladbacher Kreuzeck senkte. Das Tor brachte den Aufsteigern etwas Selbstbewusstsein aber keine echte Torgefahr. Auf der anderen Seite hätte Kleindienst allein noch zwei bis drei Kopfballtreffer erzielen. Ein solcher gelang dann Alassane Pléa nach einem Eckball zum 3:1. Nach der Pause änderte sich an den Kräfteverhältnissen wenig. Kiel probierte, Gladbach kontrollierte – und traf dank Pléa nochmal. Kleindienst bekam ein weiteres Tor wegen Abseits aberkannt.
Gladbach rückt dank des Erfolgs an die Europapokalplätze heran. Die Kieler bleiben mit nur einem Sieg und fünf Punkten tief im Tabellenkeller.