Bundesliga letzter Schrei: Aufregung beim Spitzenspiel zwischen Leverkusen und Frankfurt – Sport | ABC-Z
Bayer hatte zuletzt ungeahntes Talent darin bewiesen, Führungen zu verspielen, Holstein Kiel hatte beim 2:2 nach 0:2 in Leverkusen einen Punkt entführt. Gegen die stärker als Aufsteiger Kiel einzuschätzenden Frankfurter allerdings drehte das Team von Trainer Xabi Alonso nun die Sache um – oder besser: das Spiel. Leverkusen lag diesmal mit 0:1 hinten – und schlug dann doppelt zurück und gewann dieses Bundesligaspiel.
Halbzeit eins bot zwei Kuriositäten aus der Abteilung „VAR-nsinn“. Schiedsrichter Felix Brych, einer der erfahrensten der Liga, entschied zweimal auf Hinweis des Videoreferees auf Strafstoß, und zwar jeweils mindestens zweifelhaft: In der fünften Minute tankte sich Leverkusens Angreifer Victor Boniface im Strafraum durch, legte zurück zu Alejandro Grimaldo, dessen geblockten Schuss versuchte Dina Ebimbe zu klären, traf aber dabei – ohne ihn zu sehen – Leverkusens Amine Adli in den Hacken. Den Strafstoß nahm Boniface einige Warteminuten später zum Anlass, den Ball flach in die Arme von Eintracht-Torhüter Kevin Trapp zu schieben. Nach einer Viertelstunde dann die zweite kritische Szene: Im Duell mit Nationalspieler Robert Andrich kam Frankfurts Stürmer Omar Marmoush am linken Strafraumeck zu Fall. Brych prüfte die Szene nachträglich per Video – offenbar mit der Erkenntnis, dass Andrich dem Ägypter strafwürdig das Standbein weggeschlagen hatte. Diesen Elfmeter schoss nun der Gefoulte selbst – und traf wuchtig zum 1:0 (16.).
Leverkusen brauchte nicht lange, um sich zu erholen. Und es war kurioserweise wieder Andrich, der die Verantwortung übernahm, was im Fußball konkret heißt: Er schoss ein Tor. Nach Doppelpass mit Adli am Strafraum bekam Andrich den Ball zurück, ehe er den nächsten Doppelpass mit Martin Terrier per Kullerball zum 1:0 formschön vollendete (25.). Anschließend verflachte die Partie zunehmend, auch die Videobeweisführung im Kölner Keller wollte sich nicht mehr für zusätzliche Spannung oder Spannungen empfehlen – und so war es am Ende doch Boniface vorbehalten, das letzte zählbare Highlight zu setzen: Nach einem abgefälschten Schuss von Nationalspieler Florian Wirtz (der trotz DFB-Blessur von Minute 64 an spielen konnte), versenkte der Nigerianer den Ball zum 2:1-Siegtreffer im Frankfurter Tor (72.).
Aufregung gab es dann noch einmal kurz vor Schluss. Weil Lukas Hradecky unglücklich den eigenen Mann anschoss, hatte Hugo Ekitiké plötzlich frei vor dem leeren Tor eine Kopfballchance. Doch im Sprung schubste ihn Leverkusens Jonathan Tah leicht und der Verteidiger landete mit dem Fuß auch noch auf dem am Boden liegenden Stürmer. Brychs Pfeife blieb stumm und auch der VAR meldete sich diesmal nicht. „Klar sagen wir, den kann man, den muss man fast pfeifen“, sagte Trapp nach dem Spiel.
FSV Mainz 05 – RB Leipzig 0:2 (0:2), Tore: 0:1 Xavi Simons (20.), 0:2 Willi Orban (37.)
In Mainz waren sie bisher recht zufrieden mit dieser Saison: Ein Platz im sogenannten „gesicherten Mittelfeld“ der Liga, Stürmer Jonny Burkardt plötzlich Nationalspieler und endlich wieder Fußball, der sich nach Spektakel anfühlt. Die Frage ist halt: Spektakel für wen? Denn dieses Mal wurde dem FSV ein Problem zum Verhängnis, das sich bei aller Offensivlust zuletzt eben auch angedeutet hatte: Hinten zwickt’s die Mainzer – gegen Leipzig fehlten dann noch die amtlichen Aufpasser Dominik Kohr und Andreas Hanche-Olsen.
Was zur Folge hatte, dass sich Lücken von der Größe eines Obstfeldes in Sichtweite des Lerchenberges ergaben. In diese stieß Xavi Simons hinein, sein Lauf nach Steilpass von Amadou Haidara brachte das 0:1, ehe eine weite Flanke des Niederländers auch das 0:2 einleitete. Lois Opendas Volleyschuss ließ FSV-Keeper Robin Zentner abklatschen, was Willi Orban ein blitzsauberes Stochertor ermöglichte. Klare Sache insgesamt, trotz einiger Mainzer Gelegenheiten. Vor allem, weil RB, der vorübergehende Tabellenführer, bei diesem Herbstkick eine Art der Effizienz zelebrierte, die den Rheinhessen einfach fehlt.
Borussia Mönchengladbach – 1. FC Heidenheim 3:2 (1:1), Tore: 0:1 Leonardo Scienza (12.), 1:1 Ko Itakura(22.), 2:1 und 3:1 Tim Kleindienst (62. und 75., Foulelfmeter), 3:2 Marvin Pieringer (80., Handelfmeter)
25 Tore und sieben Vorlagen hatte der Fußballer Tim Kleindienst in der vorvergangenen Saison dazu beigetragen, dass der 1. FC Heidenheim in die Bundesliga aufstieg. Und weil ihn die Heidenheimer nicht hergeben wollte, trug er sich im deutschen Fußball-Oberhaus mit weiteren zwölf Toren und fünf Vorlagen in die Listen ein. Er sicherte seinem damaligen Klub nicht nur den Klassenerhalt, sondern sogar die Qualifikation für die europäische Conference League. Und nun? Traf er wieder doppelt. Allerdings erstmals gegen Heidenheim.
Kleindienst ist inzwischen nicht nur Nationalspieler, sondern auch in Diensten eines neuen Klubs Borussia Mönchengladbach. Und für den trifft er munter weiter. Heidenheim war im Borussiapark in Halbzeit eins in Führung gegangen. Einen 20-Meter-Schuss von Jan Schöppner lenkte Gladbachs Keeper Moritz Nicolas zur Seite und sah dann nicht gut aus, als der nachsetzende Leonardo Scienza aus ganz spitzem Winkel durch seine Beine einnetzte (12. Minute). Zehn Minuten später gelang Gladbachs Itakura nach wildem Getümmel im Heidenheimer Strafraum der Ausgleich (22.). Nach Wiederanpfiff begann die Kleindienst-Show: In Minute 62 bugsierte er eine Flanke von Alassane Plea nach einem Hackentrick zum 2:1 ins Tor, ehe er nach einem Foul an Plea einen Strafstoß gegen seinen Trauzeugen Kevin Müller hart ins rechte Eck zum 3:1 (75.) platzierte. Kleindienst verzichtete darauf, gegen seinen alten Klub zu jubeln. Er wurde belohnt, der 2:3-Anschlusstreffer durch Marvin Pieringer in der 80. Minute kam für Heidenheim zu spät.
SC Freiburg – FC Augsburg 3:1 (3:0), Tore: 1:0 Vincenzo Grifo (34.), 2:0 Philipp Lienhart (37.), 3:0 Christian Günter (45.+1), 3:1 Phillip Tietz (65.)
Ist der Sportclub die heimliche Spitzenmannschaft dieser Saison? Wobei, heimlich ist im Fußball ja wenig, die Tabelle, die ja nie lügt, platziert die Freiburger auch am Ende dieses Spieltages beinahe ganz oben. Gegen Augsburg lag das mal wieder am vielleicht schärfsten rechten Fuß der Bundesliga: Vincenzo Grifo schoss das Führungstor selbst und bereitete das zweite mit einem präzisen Eckball auf den kurzen Pfosten (den man auf Bundesliga-Niveau aber auch besser verteidigen muss, als Augsburg das tat) vor. Dass Christian Günter noch vor der Pause das 3:0 mit einem seiner berüchtigten Fernschüsse, denen auch schon der FC Bayern hinterhergucken musste, erzielte, rundete eine perfekte Viertelstunde aus Badener Sicht ab. Vorher hatte es eher nach einem drögen Spiel als nach einem Kantersieg ausgesehen.
Dass Augsburg auswärts wiederholt (sie gingen schon 0:4 in Heidenheim unter) in sich zusammensackte? Kann Freiburgs Trainer Julian Schuster guten Gewissens unter den Tisch fallen lassen. Vom Spiel gegen St. Pauli abgesehen, hätte der Saisonstart für den Christian-Streich-Nachfolger nicht besser laufen können. Und dass der Spielplan ab jetzt auch für Freiburg mit Auswärtsspielen in Leipzig, Berlin und Dortmund härter wird, damit kann sich Schuster auch erst später beschäftigen. Erstmal darf er freudig auf die Tabelle gucken.
TSG Hoffenheim – VfL Bochum 3:1 (1:0), Tore: 1:0 Andrej Kramaric (11.), 2:0 Marius Bülter (64.), 2:1 Cristian Gamboa (76.), 3:1 Haris Tabakovic (90.+3)
Das Chaos kann bei der TSG in Hoffenheim noch so groß sein, am Ende haben sie ihre beiden Lebensretter: hinten Oliver Baumann, seit Montag offiziell einer von zwei Interimsnationaltorhütern, und vorne Andrej Kramaric. Die Klasse des Kroaten reichte auch diesmal, um den VfL Bochum vor zu große Probleme zu stellen. Neben seinem Tor nach elf Minuten traf er nach 24 Minuten nach einem Solo auch noch die Latte und kurz vor der Pause rettete Bochums Torhüter Patrick Drewes knapp. Marius Bülter schoss dann das Tor, dass sein Kollege verpasste.
Dass sich Hoffenheim auf Führungsebene zerstritten zeigt und auch deswegen mehr oder weniger ohne eine ausreichende Zahl an Innenverteidigern in die Saison gegangen ist – Mittelfeldspieler Anton Stach lief erneut in der Dreierkette auf – rächte sich dann in der zweiten Halbzeit gegen einen verbesserten VfL. Erst traf Christian Gamboa zum Anschlusstreffer und dann verursachte Kevin Akpoguma einen vermeidbaren Foulelfmeter, wie das so schön heißt. Aber dann griff Hoffenheims zweiter Retter ein: Baumann fing den – sehr schwach geschossenen – Strafstoß. Der Torhüter hat damit in den vergangenen zwei Saisons mehr als die Hälfte der Elfmeter gegen sich gehalten: eine sensationelle Quote.
Im Stadion wurden übrigens gar nicht mal so viele Menschen Zeuge dieser Partie: Gegen Bochum sah man wie so oft in letzter Zeit wieder sehr, sehr viele Plastiksitzschalen im Fernsehbild.