Bundeskartellamt: Ausnahmen von 50+1 für Leverkusen und Wolfsburg “nicht mehr möglich” | ABC-Z

Das Bundeskartellamt hat der DFL mitgeteilt, dass die 50+1-Regel bleiben kann, aber die DFL in der Anwendung nachbessern muss. Daraus ergeben sich Aufgabenstellungen für die DFL, die vor allem Leverkusen und Wolfsburg betreffen.
Die Behörde veröffentlichte am Montag ihre Schlüsse aus der Prüfung der 50+1-Regel. Weiterhin habe sie “keine grundlegenden Bedenken gegen die 50+1-Regel”. Bundeskartellamtpräsident Andreas Mundt mahnte aber drei Maßnahmen an:
- Maßgeblich sei, “dass die DFL bei allen Vereinen der Bundesliga und 2. Bundesliga gleichermaßen für offenen Zugang zur Mitgliedschaft und damit für die Mitbestimmung der Fans sorgt”. Das Amt hatte sich konkret auf die Situation bei RB Leipzig bezogen, und in Frage gestellt, ob der e. V. dort “hinreichend offen” für stimmberechtigte Neumitglieder ist.
- Die DFL solle zudem “sicherstellen, dass die Wertungen der 50+1-Regel auch bei ihren eigenen Abstimmungen beachtet werden”. Gemeint ist hier der Streit um das Abstimmungsverhalten von Martin Kind als damaliger Geschäftsführer von Hannover 96 zum DFL-Investorendeal.
- Der heikelste Punkt: “Nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erscheint es allerdings nicht mehr möglich, zu den bislang vorgeschlagenen Bedingungen einen dauerhaften Bestandsschutz für Vereine vorzusehen, die bereits eine Förderausnahme erhalten haben.” Das sind aktuell Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg. “Vielmehr müssen alle Klubs grundsätzlich homogene Wettbewerbsbedingungen vorfinden. Das bedeutet, dass bei allen Klubs zumindest perspektivisch sichergestellt werden muss, dass der für Neumitglieder offene Mutterverein die Profiabteilung beherrscht.”
“Wir gucken jetzt sehr genau darauf, wie 50+1 gelebt wird”, hatte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, der Sportschau bereits im Dezember 2024 gesagt. Die einheitliche Anwendung der Regel für alle Klubs sei dabei entscheidend. Die DFL teilte im April 2024 mit: “Die 50+1-Regel ist ein zentraler und elementarer Bestandteil der Satzung des DFL e.V. und gilt für alle Mitglieder und Organe des Ligaverbandes.” Die Vereinsprägung der Klubs im Spielbetrieb sei “ein Wesenskern” der Bundesliga und der 2. Bundesliga. “Das DFL-Präsidium wird sich auch weiterhin für den Schutz und den Fortbestand der 50+1-Regel einsetzen.”
50+1-Regel
Die 50+1-Regel besagt, dass die Mehrheit der Stimmanteile an einer ausgegliederten Profiabteilung immer in den Händen des von Mitgliedern bestimmten Muttervereins liegen muss. Der Einfluss von Investoren wird somit begrenzt. Eine Ausnahmeregelung gilt für Bayer 04 Leverkusen und den VfL Wolfsburg. Begründet wurden diese Ausnahmen mit einer “ununterbrochen und erheblichen Förderung über mindestens 20 Jahre”.
Einfluss durch ein EuGH-Urteil
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) hatte Ende 2023 zu neuen Fragestellungen in dem Verfahren des Bundeskartellamts geführt. Der EuGH hatte eine Verbandsregel im belgischen Fußball akzeptiert, sofern diese transparent, objektiv, präzise und nicht-diskriminierend gestaltet sei und in der Praxis entsprechend durchgesetzt werde.
Gleiches gelte damit für andere Verbandsregeln, wie eben 50+1 im deutschen Fußball. Deshalb hatte Deutschlands oberste Wettbewerbsbehörde sein eigentlich bereits beendetes Prüfverfahren neu aufgenommen.
Im Fokus: Leverkusen, Wolfsburg, Leipzig, Hannover
Aber auch die vertragliche Situation zwischen Investor Martin Kind und eingetragenem Verein bei Hannover 96 wollte sich das Kartellamt genauer anschauen, und ob dort die 50+1-Regel überhaupt noch richtig angewendet wird. Bei der hart umkämpften Abstimmung im Januar 2024 über die Einbeziehung eines Investors in die Geschäfte der DFL blieb der Eindruck, dass Martin Kind als Geschäftsführer von Hannover 96 entgegen der Weisung des Muttervereins Hannover 96 e. V. mit “Ja” gestimmt hat. Kind machte nie öffentlich, wie er abgestimmt hat. Immer wieder kritisierte der Mutterverein, dass Kind sich gegen Weisungen stellte. Das Weisungsrecht nannte die DFL zuvor “maßgeblich für die Einhaltung von 50+1”.
Zudem rückte in dem wiederaufgenommenen Prüfverfahren erstmals Rasenballsport Leipzig in den Fokus der Wettbewerbsbehörde. Bei RB Leipzig sei es möglich, dass die Zielsetzung von 50+1 nicht erfüllt werde – “aufgrund einer für stimmberechtigte Neumitglieder nicht hinreichend offenen Ausgestaltung des Muttervereins RasenBallsport Leipzig e.V.”, hieß es 2024 in einem Schreiben der Wettbewerbshüter an die Verfahrensbeteiligten. Bei RB gibt es nur etwas mehr als 20 ausgesuchte stimmberechtigte Mitglieder, die dem Investor “Red Bull” nahestehen.
Außerdem müssen weiterhin die Strukturen der offiziell von der 50+1-Regel ausgenommenen Klubs Bayer 04 Leverkusen und VfL Wolfsburg mit den Vorgaben in Einklang gebracht werden. Dabei hatten das Amt und die DFL eigentlich schon eine Einigung zu den beiden Klubs gefunden.
Fans des VfB Stuttgart protestieren für 50+1.
Leverkusen und Wolfsburg: Ein Kompromiss wurde nie umgesetzt
Denn der Ursprung der Prüfung durch das Bundeskartellamt reicht bis 2018 zurück. Damals hatte die DFL unter dem ehemaligen Präsidenten Reinhard Rauball und dem damaligen Geschäftsführer Christian Seifert das Bundeskartellamt darum gebeten zu prüfen, ob die Regel mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Das Ergebnis legte das Bundeskartellamt 2021 vor: Die 50+1-Regel ist mit demnach mit Kartellrecht vereinbar, die Ausnahmen von der Regel für Bayer 04 Leverkusen und den VfL Wolfsburg sind es aber nicht. Beide Seiten fanden aber einen Kompromiss: Bei einem zu hohen Verlustausgleich durch ihre Mutterkonzerne sollten die Klubs aus Wolfsburg und Leverkusen eine Art Luxussteuer bezahlen müssen.
In dem Kompromissvorschlag war außerdem festgehalten, dass ein Gremienposten für Vereinsvertreter geschaffen wird. Weitere Ausnahmen sollte es in der Zukunft nicht geben. Mit dieser Lösung hätten die beiden Klubs Bestandsschutz gehabt und die anderen Vereine zumindest vom Kartellamt Rechtssicherheit. Dieser Kompromiss wurde auch vom Bundeskartellamt befürwortet, aber nie beschlossen – denn dann ergaben sich mit dem EuGH-Urteil neue Fragestellungen.