Kinder fragen Olaf Scholz und Friedrich Merz: Nutella besser ohne Butter | ABC-Z

Es war nicht so, dass die Kinder, die Olaf Scholz und Friedrich Merz in der Sat1-Sendung „Kannste (nochmal) Kanzler?“ in die sogenannte Mangel nehmen sollten, die beiden nur nach Migration, Ukrainekrieg, Wehrpflicht, Ampelstreit und Schuldenbremse fragten. Sie fragten sie auch danach, ob sie lieber unsichtbar werden oder fliegen könnten (Scholz nach einer Bedenksekunde: unsichtbar werden wäre am tollsten – ab und zu), ob sie sich eher für Harry Potter oder Herr der Ringe entscheiden (Merz: Harry Potter) und ob sie Nutella lieber mit oder ohne Butter essen (Scholz und Merz übereinstimmend: ohne Butter). Sie sollten also als Kinder kenntlich bleiben, das war wichtig für die Idee der Sendung. „Da wir Kinder sind, dürfen wir alles fragen“ – so brachte ein Mädchen die Idee eingangs auf den Punkt.
Doch natürlich konnte keine Rede davon sein, dass da kindliche Spontaneität jenseits der erwachsenen Sprachregeln und Schablonen die Wahlkämpfer aus ihren autopilotmäßig ablaufenden Formeln herausreißen und gewissermaßen plötzliche Momente der Wahrheit hervorbringen könnte. Für die Realisierung einer solch romantischen Vorstellung (die ja tatsächlich einmal ein interessantes Experiment wäre) fehlte schon die grundlegende Voraussetzung: dass sich das Ganze live ereignet und so die nötige Unberechenbarkeit möglich macht.
Sorgfältig kuratierte Zusammenschnitte
Die Inszenierung der Produktionsfirma Redseven Entertainment war das glatte Gegenteil davon. Die Sendung bestand aus einem sorgfältig kuratierten Zusammenschnitt der getrennten Auftritte der beiden Kandidaten in einem Berliner Klassenzimmer. Zuvor waren die aus dem gesamten Bundesgebiet ausgesuchten Kinder zwischen sieben und vierzehn Jahren tagelang vorbereitet worden.
Redseven Entertainment hat laut seiner Selbstbeschreibung die „Vision, den perfekten Content zu kreieren“, und realisiert das zum Beispiel mit Germany‘s Next Topmodel, der Kochsendung „The Taste“ und dem Duell der Gartenprofis. „Kannste Kanzler“ ist als „unterhaltsames Politikformat“ dadurch gekennzeichnet, dass es seinen Unterhaltungsmehrwert gerade aus der Eingliederung in politische Talkshows und Wahlkampfduelle zieht. Seit 2021 wird es nun schon zum dritten Mal ausgestrahlt. Olaf Scholz ist als einziger jedes Mal dabei gewesen.
Dafür wirkte sein Auftreten allerdings ein wenig linkisch. „Guten Tag, hallo“, sagte er, als er mit seiner berühmten schwarzen Aktentasche den Klassenraum betrat, und dann noch: „Wie geht‘s?“ „Und Ihnen?“ fragten die Kinder. „Mir geht‘s auch gut“, sagte Scholz. Im Unterschied zu ihm sprach Merz die Kinder mit Namen an, verwickelte sie in kurze Gespräche und schloss seine Ausführungen regelmäßig mit der Frage ab: „Sind wir uns da einig?“ Die Kinder waren sich am Ende nicht ganz sicher, was sie davon halten sollten. „Vom rein Menschlichen her“, sagte ein Junge, fand er Merz‘ Auftritt schon irgendwie gut und deutete damit doch zugleich an, dass da auch noch andere Aspekte zu berücksichtigen sind.
Nicht viel anders als Erwachsenen-Talkshows
Die Kinder ihrerseits machten alle einen extrem sympathischen Eindruck. Dass sie exakt die gleichen Themen und Begriffe ansprachen wie alle Moderatoren in allen Talkshows ist kaum ihnen anzulasten. Das ganze Setting machte deutlich, dass es hier sowieso auf etwas anderes ankommen sollte, nämlich auf die Blicke, die Gesten, die Formulierungen, mit denen sich die Wahlkämpfer den Kindern zuwandten, das sozusagen Menschliche also, für das die Themen von immer nur das unvermeidliche Hintergrundgeräusch abgaben.
Und plötzlich ertappte man sich bei dem Gedanken, dass das in den erwachsenen Talkshows vielleicht auch gar nicht so viel anders ist. Sie finden zwar live statt, aber sie sind mit den frappierend ähnlich aufbereiteten Fragen und Themen oft so moderiert, dass man sich als Zuschauer unwillkürlich auf Haltungsnoten statt auf die Politik, um die es eigentlich gehen soll, konzentriert.
Wie wäre es, wenn man einmal nicht bloß Kindern, sondern auch erwachsenen Moderatoren die Unberechenbarkeit zutrauen würde, mit eigenen Gedanken die Politiker aus ihren vorgefertigten Konzepten zu bringen? Schön war, dass am Ende Kanzler und Kanzlerkandidat noch draußen im Hof mit den Kindern Kicker spielten. Das wäre auch noch so eine Idee für die Talkshows der Großen.