Buffalo Sabres auf Europatour: Der Trainer ist das Aushängeschild – Sport | ABC-Z
Den Trachtenhut nahm Lindy Ruff den ganzen Abend nicht ab, auch wenn er etwas kauzig damit daherkam. Der Trainer der Buffalo Sabres trug ihn hinter der Bande, auf der Pressekonferenz nach dem Spiel – und tags darauf, bei seinem ersten Oktoberfestbesuch. Keine Frage: Lindy Ruff, 64 Jahre alt, geboren im 676-Einwohner-Örtchen Warburg in der kanadischen Provinz Alberta, fand beim fünftägigen Sabres-Gastspiel in München Gefallen an seiner neuen Kopfbedeckung.
Jetzt beginnt für die Sabres allerdings der spielerische Ernst: Am Freitag eröffnen sie in Prag die neue NHL-Saison, innerhalb von 24 Stunden treffen sie dort gleich zweimal auf die New Jersey Devils. In der kommenden Woche starten dann auch Leon Draisaitls Edmonton Oilers, Moritz Seiders Detroit Red Wings und alle anderen NHL-Klubs in die Saison.
Das Eishockey hat dem alten Trainer viel gegeben – und viel genommen
Als die Sabres – begleitet von einem beeindruckenden 150-köpfigen Tross – in München waren, drehte sich sehr viel um J.J. Peterka, den deutschen Nationalspieler, der als Kind in München mit dem Eishockeyspielen begonnen hatte und beim EHC den Sprung in die NHL schaffte. Das Aushängeschild der Sabres ist aber ihr Trainer Lindy Ruff. Denn er ist inmitten seiner sechsten NHL-Dekade.
Es gibt wenige Personen, die sich besser dafür eignen, die NHL-Geschichte der vergangenen knapp 50 Jahre zu durchstöbern. Ruff ist seit 1993 Trainer – und stand zuvor 14 Jahre lang als Spieler auf NHL-Eis. Als er seine Trainerkarriere startete, waren zwei seiner aktuellen Spieler geboren. Sein hüftsteifer Gang gibt unmissverständlich zu verstehen, wie viele sportliche Schlachten er in all den Jahrzehnten in der NHL geschlagen hat. Ruff ist einer, der für Disziplin und harte sportliche Arbeit steht. Dem das Eishockey viel gegeben, aber auch genommen hat: 1986, als er Kapitän der Sabres war, verstarb sein jüngerer Bruder Brent im Alter von 16 Jahren bei einem Busunfall mit seinem Nachwuchsteam.
Das Portal The Athletic widmete Lindy Ruff nach seinem 900. NHL-Sieg als Trainer eine große Hommage, in der diverse Wegbegleiter zu Wort kamen. Als ein „Junge, der sich kurz vor seinem Draft das Bein brach und dann seinen Bruder verlor“, habe er eine schöne Karriere hingelegt, sagte sein Berater Bill Watters. Und was er seit dem Ende seiner aktiven Karriere geleistet habe, sei noch bedeutender. Sabres-Eigentümer Terry Pegula, Multimilliardär, Besitzer der Buffalo Bills und Vater der diesjährigen US-Open-Finalistin Jessica Pegula, sagte, Ruff sei der wohl „kompetitivste Mensch“, den er in seinem Leben getroffen habe. Und Sabres-Kapitän Rasmus Dahlin assistiert: „Lindy ist sehr gut darin, uns hart trainieren zu lassen. Er sagt immer: Erfolgreich zu sein, ist hart.“ Kaum jemand weiß das so gut wie Ruff. Er hat mittlerweile mehr als 900 NHL-Spiele als Trainer gewonnen – und ist damit der Trainer mit den meisten Siegen, ohne allerdings jemals den Stanley Cup gewonnen zu haben.
Die Sabres wollen attackieren – sie sicherten sich unter anderem die Edeltalente Rasmus Dahlin und Owen Power
Ruff ist auch wie gemacht dafür, die Entwicklung der deutschen NHL-Spieler in den vergangenen Jahrzehnten nachzuzeichnen. Er hat mit Uwe Krupp zusammengespielt, hat Jochen Hecht und Christian Ehrhoff trainiert – große Namen der mittlerweile etwas älteren deutschen NHL-Geschichte. Und er coacht jetzt J.J. Peterka, dem mit 28 Toren in der vergangenen Saison sein Durchbruch gelang. Von Krupp bis Peterka hat sich einiges getan. Er wolle nichts Respektloses über seine alten Spieler sagen, erzählte Ruff in München lächelnd, aber das offensive Talent, das die jetzige deutsche NHL-Generation mitbringe, sei ein ganz anderes. Was Leon Draisaitl zeige, sei unglaublich. Und Peterka „sollte sich nach der starken letzten Saison weiter steigern“. Das Potenzial der Talente im deutschen Eishockey, so Ruff, sei stark gewachsen.
Das gilt auch für die Sabres. In den vergangenen Jahren, die sportlich enttäuschend verliefen, bekamen sie die Möglichkeit, sich über die Talentbörse einige der talentiertesten Spieler weltweit zu sichern. Den eleganten schwedischen Verteidiger Rasmus Dahlin und dessen Abwehrkollege Owen Power zogen sie an erster Stelle, Bowen Byram und Jack Quinn waren unter den ersten acht Auserwählten ihrer jeweiligen Jahrgänge. Deshalb ist Buffalo für Krupp „auf dem Weg zu einer Topmannschaft in der NHL“.
Als Erstes will Ruff die talentierten Sabres in seiner zweiten Traineramtszeit in Buffalo wieder in die Playoffs führen, die sie in den vergangenen 13 Jahren jeweils verpasst haben – kein NHL-Team wartet länger auf den Einzug in die Endrunde um die Meisterschaft. Selbstvertrauen ist dennoch reichlich vorhanden. „Wir haben talentierte Verteidiger, die über das Eis fliegen können“, sagt Dahlin, der jüngste aller NHL-Kapitäne. Und hinter der Bande einen Trainer, der in 45 Jahren, von denen er mehr als die Hälfte in Buffalo verbracht hat, so gut wie alles gesehen hat, was auf einer NHL-Eisfläche passieren kann.