Politik

Bündnis Sahra Wagenknecht: in Niedersachsen wurde Landesverband Nummer neun gegründet – Politik | ABC-Z

Nein, Sahra Wagenknecht ist auch dieses Mal nicht persönlich vor Ort, auch Devotionalien, Tassen, Aufkleber, sucht man vergebens im historischen Backsteingebäude der Kaiserlichen Post. Das mag auch damit zu tun haben, dass Oldenburg die Heimatstadt der Co-Bundesvorsitzenden Amira Mohamed Ali ist. Hier hat sie ihren Wahlkreis, hier lief die vierköpfige Fraktion der Linken im Stadtrat Anfang des Jahres geschlossen zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) über. Hier spricht sie das Grußwort vor etwas mehr als 50 mehrheitlich männlichen Mitgliedern. Es ist ein Best-of aus dem Genre „Failed State Deutschland“.

Die Politik der Bundesregierung sei „kopflos und ideologiegetrieben“, der Zustrom von Menschen aus dem Ausland „nicht handhabbar“, sagt Mohamed Ali. Die Ampel habe den Bezug zur Bevölkerung verloren. Die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag beklagt die drohenden Werksschließungen bei Volkswagen, kritisiert die Milliarden-Dividende des wichtigsten Konzerns der Region. „Wir wollen, dass jeder Arbeitsplatz erhalten wird“, ruft Mohamed Ali, als sei das BSW allein mit dieser Forderung.

Der Kanzler fordert doch jetzt auch Verhandlungen, sagt Co-Chefin Mohamed Ali

Die Liste der politischen Gegner ist lang, Mohamed Ali spricht vom „politischen Mainstream“. Sie amüsiert sich über das „versprengte Häufchen ehemaliger DDR-Bürgerrechtler“, das in einem offenen Brief vor einer Regierungsbeteiligung des BSW in Sachsen und Thüringen gewarnt hat. Die Wirkung des Bündnisses zeige sich doch schon daran, dass der Kanzler nun auch Verhandlungen mit Russland fordere. „Wir sind fürwahr eine Partei ganz neuen Typus“, sagt Mohamed Ali, ein Ausdruck mit Geschichte. Denn als „Partei neuen Typus“ bezeichnen sich Kaderparteien, die sich dem Marxismus-Leninismus verpflichtet fühlen, die SED war eine solche Partei.

Meint sie das ernst? Will das BSW eine Staatspartei sein, die Diktatur des Proletariats? Das kann man Mohamed Ali erst nach Ende des Parteitags fragen, bei einer abschließenden Pressekonferenz. Bis dahin müssen Journalisten den Kaisersaal verlassen, für den Deutschen Journalistenverband eine „Einschränkung der Pressefreiheit“.

Holger Onken, einstimmig gewählter Co-Landesvorsitzender und Mohamed Alis Ehemann, bittet um Verständnis für diese ungewöhnliche Praxis. Viele Mitglieder seien noch nie in einer Partei aktiv gewesen. Sie sollen die Gelegenheit bekommen, „sich in einer vertraulichen Atmosphäre kennenlernen zu können.“ In seiner Bewerbung beklagt der Politikwissenschaftler eine „unverhohlene Kriegspolitik“ im Land und die Diffamierung „unbequemer Meinungen.“

In der Partei prüfen sie sehr genau, wer jetzt mitmachen will

Derzeit zählt das BSW in Niedersachsen 2200 Unterstützer, aber nur um die 60 Mitglieder. Noch wird offenbar sehr genau geprüft, wer da mitmachen will. Man will nicht denselben Weg gehen wie die AfD, deren rechtskonservative Ausrichtung über die Jahre einer rechtsextremen gewichen ist.

„Wir führen mit den Interessenten Gespräche, dabei geht es darum, ob die Interessenten die politischen Ideen des BSW mittragen und hinter unserem Programm stehen“, erklärt Onken das Auswahlverfahren. „Wir fragen auch, ob jemand schon einmal politisch aktiv war, um zu vermeiden, dass Extremisten in die Partei kommen.“ Eine endgültige Entscheidung über die Aufnahme fällt der Bundesvorstand, „kontrolliertes Wachstum“ sei das Ziel, sagt Amira Mohamed Ali. Es gebe keine harten Kriterien für die Aufnahme. „Aber einen direkten Wechsel von der AfD zu uns schließe ich aus.“

Landesverbände des BSW gibt es bereits in Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und im Saarland. In Sachsen und Thüringen gelang der Partei Anfang September der Einzug in die Landtage, mit jeweils zweistelligem Ergebnis auf dem dritten Platz. In beiden Ländern könnten sie an der Regierung beteiligt werden. Für die am Wochenende neu gegründeten Landesverbände in Bremen und Niedersachsen gilt vorerst das Bundesparteiprogramm. Konkrete landespolitische Vorhaben sind noch rar, das zeigt die abschließende Pressekonferenz: mehr Polizisten, kleinere Schulklassen und die Energiesanktionen gegen Russland beenden. Vor allem das letztgenannte Vorhaben wird sich kaum von Niedersachsen aus umsetzen lassen.

Was also hat Amira Mohamed Ali damit gemeint, als sie das Bündnis Sahra Wagenknecht „eine Partei ganz neuen Typus“ genannt hat? War das ein historisches Zitat, ein Witz vielleicht? Das BSW fülle eine Lücke im Parteienspektrum, sagt die Bundesvorsitzende, sie sei anders als die anderen, auch wegen des großen Zusammenhalts untereinander. Um nichts anderes sei es ihr bei der Formulierung gegangen. „Tut mir leid, da habe ich wohl eine Wissenslücke“.

Back to top button