Kultur

Buch zu Bisexualität: Uneindeutigkeit hält die Gesellschaft nicht gut aus | ABC-Z

Werden bisexuelle Menschen nicht eher selten diskriminiert? Ist ihre Emanzipation nicht längst abgeschlossen? Solchen Annahmen will Alexander Graeff mit seinem Buch „Das Spektrum erweitern. Warum wir über Bisexualität reden müssen“ etwas entgegensetzen. Sein kaum mehr als 50 Seiten langer Text platzt dabei fast aus den Nähten. So kommen neben Queer-Theorie und Statistiken zum Thema unter anderem Dracula, Freddie Mercury und der Filmklassiker „Brokeback Mountain“ vor.

Zunächst jedoch nimmt Graeff­ die Lesenden von einer rheinland-pfälzischen Kleinstadt mit in den Berliner Literaturbetrieb der 2000er Jahre. Dort wurde dem Autor schnell klar, dass er in einer anderen Form von Provinz gelandet war. Denn offen gegenüber bisexuellen Menschen trat man dort nicht gerade auf. In der Folge beleuchtet Graeff eine Reihe von Vorurteilen, die noch immer existieren: etwa, dass Bisexuelle unentschlossen seien oder nur in zwei Geschlechtern denken würden, dass Bisexualität „nur eine Phase“ sei.

Dabei will Graeff mit seinem Text selbst aus den Schubladen des binären Entweder-oder heraus. Er denkt in Spektren, in fließenden Übergängen. Der Autor argumentiert in seinem Text gegen jene, die nur die Geschlechter männlich und weiblich oder nur homo- und heterosexuelle Anziehung anerkennen. Bisexualität umfasse demnach jegliches Begehren, das nicht nur auf ein Geschlecht gerichtet sei. So begehre er selbst auch nicht Geschlechter, sondern „konkrete, individuelle Körper“, wie er schreibt.

„Schwul-lesbische Dominanz“

Den Unwillen, in Spektren zu denken, wirft er auch Teilen der queeren Community vor, als deren Teil er sich sieht. So stört ihn die von ihm dort teils wahrgenommene „schwul-lesbische Dominanz“, bei der oft nur zwischen gleich- und gegengeschlechtlicher Perspektive unterschieden werde.

Das Vorurteil, Bisexuelle seien gar nicht wirklich queer, schließe zudem bisexuelle Menschen aus. Graeff belegt dies alles zwar mit Beispielen, dennoch könnten solche Aussagen schon manche queere Person irritieren, welche die eigene Community gerade als Ort inklusiven Handelns sieht und auch dafür arbeitet.

Das Buch

Alexander Graeff: „Das Spektrum erweitern. Warum wir über Bisexualität reden müssen“. Querverlag, Berlin 2025, 64 Seiten, 8 Euro

Graeff weitet in seinem Text den Blick vom Begehren zwischen Personen auf Beziehungskonzepte. Er kritisiert, dass es zwischen Single-Dasein und Zweierbeziehung für viele nichts anderes gäbe, und spricht über seine polyamoren Beziehungen. Auch wenn dies wohl längst nicht auf alle bisexuellen Menschen zutrifft, ist es bereichernd, dass der Autor das ausführt. Es macht so die Komplexität der bisexuellen Community noch besser deutlich.

Uneindeutigkeiten aushalten

Der Text von Graeff zeigt aber ganz nebenbei auch auf, dass der Umgang vieler Menschen mit Bisexuellen sinnbildlich für eine gesellschaftliche Unfähigkeit steht, Uneindeutigkeiten auszuhalten. So werde Graeff in Begleitung einer Frau oft als heterosexuell eingeordnet, mit einem Mann als homosexuell. Kaum jedoch einmal als bisexuell.

Wenn Graeff mit Blick auf Bisexualität Offenheit fordert und die Unmöglichkeit betont, jemanden aufgrund von Äußerlichkeiten beurteilen zu können, mahnt dies nicht nur zu rücksichtsvolleren Begegnungen mit bisexuellen Menschen. Es schärft auch den Blick dafür, wie schädlich ein vielerorts spürbarer Drang nach vorschnellem Urteilen in der Gesamtgesellschaft ist.

Alexander Graeffs Essay durchbricht Denkschablonen und provoziert. Er ist zugleich ein Plädoyer für mehr gegenseitige Sensibilität. Bisexuelle Menschen würden oftmals übersehen, beklagt Graeff. Seinem Text dürfte das nicht passieren.

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