BSW-Chefin bei RTL: Wagenknecht: „Solche Gewalttaten führen dazu, dass die Stimmung im Land kippt“ | ABC-Z

Von der Messerattacke in Aschaffenburg sieht sich Wagenknecht in ihren Forderungen bestätigt: Gewaltdelikte müssten zum Abbruch der Asylverfahren führen – und die Flüchtlingszahl gesenkt werden. In puncto Ukraine-Krieg plädiert die BSW-Spitzenkandidatin für einen Waffenstillstand.
Kurz vor Beginn des Interviews der BSW-Spitzenkandidaten Sahra Wagenknecht bei „RTL Direkt: Der Kandidatenchecks“ erreicht die Anwesenden im RTL-Hauptstadtstudio eine schockierende Nachricht: Ein ausreisepflichtiger Afghane erstach beim Angriff auf eine Kindergarten-Gruppe in Aschaffenburg einen 41-Jährigen sowie einen zweijährigen Jungen aus Marokko, zwei weitere Menschen werden verletzt. Der 28-jährige sei in der Vergangenheit mindestens dreimal wegen Gewalttaten aufgefallen und in psychiatrischer Behandlung gewesen, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. „Ein schrecklicher Fall, der weiter aufgearbeitet werden muss. Auch wenn viele Details noch fehlen: Es geht um einen ausreisepflichtigen Flüchtling aus Afghanistan“, betont Moderatorin Pinar Atalay zu Beginn ihres Gesprächs mit Wagenknecht.
Das Thema werde im Bundestagswahlkampf eine große Rolle spielen, deshalb lautet Atalays erste Frage: „Bestätigt Sie das in Ihrer Forderung, dass unkontrollierte Migration gestoppt werden sollte und kriminelle Geflüchtete ihren Anspruch auf ein Asylverfahren verlieren sollten?“ Die bejaht umgehend und fügt an: „Ich frage mich, was noch geschehen muss, ehe die Politik begreift, dass wir so nicht weitermachen können.“ Nach dem ersten Entsetzen gingen Politiker einfach zur Tagesordnung über. Man müsse aber bedenken, was solche Taten bei den Familien der Opfer anrichten.
Deshalb seien zwei Maßnahmen „überdringlich“, so Wagenknecht: „Das eine ist, dass tatsächlich ein Gewaltdelikt zum Abbruch des Asylverfahrens führt, und zur sofortigen Ausweisung, also Abschiebung.“ Das zweite sei, „nur noch denen ein Asylverfahren in Deutschland zu ermöglichen, die nicht aus einem sicheren Drittstaat einreisen“. Deutschland ist von Staaten der Europäischen Union umgeben, die automatisch als sichere Drittstaaten gelten. Zwar müssen Flüchtlinge laut der Dublin-Regel ihren Asylantrag eigentlich dort stellen, wo sie zuerst EU-Boden betreten – und damit quasi nie in Deutschland. Dieses System scheitert aber in der Realität, weil viele EU-Staaten die Weiterreise von Flüchtlingen, auch nach Deutschland, billigen.
Das Problem mit der Durchsetzung der Dublin-Regel zeigt, wie kompliziert es ist, Lösungen bei Problemen rund um Migration zu finden. Auch Atalay betont, wie „schwierig“ ein solcher Fall sein kann, etwa weil der Täter psychische Erkrankungen habe. Ob Wagenknecht das nicht auch so sehe. Die verweist trotz aller Komplexität auf „klare Statistiken“, die zeigten, die Gewaltkriminalität sei „überproportional hoch bei bestimmten Zuwanderergruppen, die über Asylrecht einreisen“. Einen Grund sieht sie in der Gewalt, die manche Migranten in ihrem Heimatland vor der Flucht erlebt hätten. Aber, da ist sich Wagenknecht sicher: „Wir können das ja nicht in unser Land holen“. Die Probleme seien nicht mehr zu bewältigen.
„Schlimm finde ich es, dass man der AfD das Thema überlässt“
Jetzt bittet Atalay um eine ehrliche Antwort: „Denken Sie innerlich: Ich will mich nicht anhören wie die AfD? Oder fänden sie das nicht schlimm?“ Aber Wagenknecht geht nicht darauf ein, inwiefern ihre Position mit derjenigen der AfD übereinstimmen könnte. Stattdessen geht sie zu einem anderen Gedanken über: „Schlimm finde ich es, dass man der AfD das Thema überlässt.“ Die Partei mache deshalb Stimmung gegen gut integrierte Zuwanderer. Und weiter: „Solche Gewalttaten führen dazu, dass die Stimmung im Land kippt.“ So würden auch arabisch aussehende Männer in der U-Bahn schräg angeguckt, obwohl sie in Deutschland nur ihren Job machen wollten. Hier will Atalay nachhaken, ob sie sich klar gegen die AfD abgrenze. Doch Wagenknecht redet weiter. Um die Ausbreitung einer generellen Ausländerfeindlichkeit zu verhindern, müsste die Zahl der irregulär eingereisten Migranten gesenkt werden. Schließlich malt sie ein düsteres Bild vom Niedergang Deutschlands, falls das Problem nicht gelöst werde: „Sonst bekommen wir tatsächlich eine Gesellschaft, wie sie sich niemand wünschen kann.“
Ein Einspieler zeigt nun Wagenknechts Weg von der ehemaligen Linken-Abgeordneten zur Gründerin ihrer eigenen Partei BSW. Das letzte Jahr lief gut für das Bündnis Sahra Wagenknecht: Aus dem Stand schaffte es die Partei bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen, drittstärkste Kraft zu werden. In Potsdam und Erfurt ist das BSW Teil der Regierungskoalitionen. Doch in Umfragen zur Bundestagswahl kratzt es an der Fünf-Prozent-Hürde, weil es im Westen deutlich unbeliebter ist als im Osten. Im Einspieler frohlockt Wagenknechts ehemaliger Parteigenosse Gregor Gysi von den Linken, er erlebe jetzt schon, wie der Erfolg der Partei bröckele.
Wagenknecht allerdings gibt sich trotz alldem zuversichtlich. Für eine Partei, die es erst seit einem Jahr gebe, seien dies hohe Zustimmungswerte. Diese seien bei der AfD ein Jahr nach ihrer Gründung ähnlich ausgefallen, die Grünen seien bei ihrer ersten Bundestagswahl sogar nur auf 1,4 Prozent der Stimmen gekommen.
Doch zwei BSW-Minister der neuen Thüringer Brombeer-Regierung geraten nun durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Erfurt unter Druck. Sie ermittelt gegen Finanzministerin Katja Wolf und Infrastrukturminister Steffen Schütz wegen des Verdachts der Korruption. Wagenknecht beteuert, sie habe davon erst jetzt erfahren. Es gelte die Unschuldsvermutung. Gewusst könne sie davon nichts haben, weil sich die Vorfälle vor der Gründung des BSW ereignet hätten.
„Waffenstillstand da machen, wo die Frontlinie ist“
Atalay versucht weiter, ihre Interviewpartnerin aus der Reserve locken – nun mit der Frage, ob es nicht in Wagenknechts Sinn sei, dass US-Präsident Donald Trump die Invasion in die Ukraine schnell beenden wolle, weil Russland dann „vermutlich mit großen Gebietsgewinnen aus dem Krieg gehen würde“. Wagenknecht schüttelt lächelnd den Kopf. Dies sei eine Unterstellung, sagt sie. Doch das Sterben an der Front müsse aufhören – genauso wie die Waffenlieferungen an Kiew, bei denen Steuergeld „verbrannt“ werde. Niemand glaube mehr daran, dass die Ukraine die Gebiete militärisch zurückerobern könne. „Also sollte man jetzt Waffenstillstand da machen, wo die Frontlinie ist“, fordert sie.
Anschließend attackiert sie CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz mit der Behauptung, die von ihm befürwortete Taurus-Lieferung an die Ukraine mache Deutschland zur Kriegspartei. Neben dem BSW verbreitet auch die AfD in sozialen Netzwerken die Falschbehauptung, für einen Taurus-Einsatz brauche es deutsche Soldaten in der Ukraine. Experten und Hersteller widersprechen dem seit vielen Monaten.
Um Frieden in der Ukraine herzustellen, gibt es laut Wagenknecht bereits einen überzeugenden Friedensplan, den Brasilien und China entworfen haben. Dabei fällt unter den Tisch, wie empört die Ukraine im September auf diesen Plan reagierte. „Alle Initiativen, die keinen eindeutigen Verweis auf die UNO-Charta enthalten und nicht die vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine garantieren, sind inakzeptabel“, schrieb das Außenministerium in Kiew dazu. Mit der gleichen Begründung lehnten auch die USA und europäische Verbündeten den Plan ab. Wagenknecht zeigt sich davon jedoch unbeeindruckt. Schnellstmöglich sollten die „Waffen schweigen, ohne Vorbedingungen“, um anschließend an den Verhandlungen von Istanbul anzuknüpfen – obwohl diese im Frühjahr 2022 bereits nach wenigen Monaten scheiterten.
Am Ende überbringt Atalay ihrer Interviewpartnerin noch einen Gruß ihres einstigen Parteikollegen, dem Linken-Spitzenkandidat Jan van Aken: „Ich soll ihnen ausrichten, sie hätten aufs falsche Pferd gesetzt.“ Das beantwortet Wagenknecht mit einem milden Lächeln. Einen Seitenhieb kann sie sich nicht verkneifen – mit einem Verweis auf die Umfragewerte der Linken, die noch schlechter ausfallen, als die des BSW: „Also wenn ich mir angucke, wo die Linke steht… Aber das ist nicht mein Thema.“ Van Aken war am Dienstag zu Gast bei „RTL Direkt: Der Kandidatencheck“, am Montag die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel.
Vergangene Woche waren SPD-Kanzler Olaf Scholz, der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz im Studio. Am 17. Februar wird sich FDP-Chef Christina Lindner Atalays Fragen stellen.