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Brosius-Gersdorf: „Ein anderer Autor hat in die Dissertation eingegriffen“, sagt der Plagiatsjäger | ABC-Z

Plagiatsjäger Stefan Weber bleibt im Interview mit WELT TV bei seiner Kritik an Verfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Er spricht von mehr als 90 verdächtigen Textstellen in ihrer Dissertation.

Die geplante Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin wurde kurzfristig verschoben, nachdem der umstrittene Plagiatsprüfer Stefan Weber ihr wissenschaftliches Fehlverhalten vorgeworfen hatte. Er entdeckte angeblich 23 Textparallelen zwischen ihrer Dissertation und der Habilitation ihres Ehemanns. Weber ist bekannt für Plagiatsvorwürfe gegen Politiker. Aktuell erhebt er neue Vorwürfe gegen die Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht. Im Interview mit WELT TV sprach er über seine Arbeit.

WELT: Reden wir über die neuen Vorwürfe, die Sie in der Arbeit von Frauke Brosius-Gersdorf aufgedeckt haben wollen. Ihr Mann soll diese Arbeit nicht nur unterstützt, sondern teilweise auch geschrieben haben. Worauf führen Sie das zurück, was hat sich Neues ergeben?

Stefan Weber: Es sind 91 Stellen, die sehr eindeutig darauf hinweisen, dass eine Mitautorschaft in dieser Dissertation gegeben ist, weil diese Textparallelen auf ältere Arbeiten von Hubertus Gersdorf hinweisen. Dieser Vorwurf ist im Detail auf meiner Website nachzulesen.

WELT: Was bedeutet das konkret?

Weber: Hier hat ein anderer Autor in die Dissertation eingegriffen. Und für alle, die jetzt nicht akademisch sozialisiert sind, möchte ich kurz erklären, dass die Dissertanten in Deutschland wie in Österreich und vielen anderen Ländern eine Eigenständigkeitserklärung abgeben, dass sie ihre Arbeit komplett selbstständig verfasst haben. Da gibt es eine klare Grenzziehung. Das heißt, Korrektorat, Lektorat ist erlaubt. Sprachliche Änderungen, inhaltliche Änderungen oder inhaltliche Eingriffe von Dritten sind per se unerlaubt. Und das werfe ich Frau Brosius-Gersdorf vor.

WELT: Also wir sprechen hier von kompletten Textpassagen, von denen Sie sagen, die finden sich in früheren Jahren auch bei ihrem Mann.

Weber: Genau so ist es, in früheren Jahren und auch in der späteren Habilitationsschrift. Es sind viele Textpassagen, eben fast 100, die die Handschrift einer anderen Person tragen. Handschrift ist eine wissenschaftliche Disziplin, die nennt sich Stilometrie. Wir haben dafür auch bereits Gutachten für renommierte Universitäten gemacht. Und wir können die Autorschaft, so wie ich sie formuliere, immer als Verdacht, also juristisch vorsichtig, aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Hubertus Gersdorff zuschreiben.

WELT: Nun sagt Frau Brosius-Gersdorf, das sei alles nicht richtig. Ihre Anwälte drohen mit rechtlichen Schritten gegen Sie. Wie gehen Sie damit um?

Weber: Sollen sie machen. Wenn Frau Brosius-Gersdorff am Ende ein Gerichtsurteil haben will, dass sie wissenschaftliches Fehlverhalten begangen hat, dann wird es ihrer Professur und ihrem Doktortitel höchstwahrscheinlich nicht förderlich sein. Das wird sowieso rauskommen, weil ja mittlerweile auch Gerhard Dannemann und Roland Schimmel (zwei Rechtswissenschaftler, d. Red.) in „Bild“ gesagt haben, da sei sowieso etwas faul.

Ob das Ghostwriting am Ende beweisbar ist, wissen Sie, das ist eine sehr schwierige Frage. Das Plagiat ist immer leichter beweisbar als das Ghostwriting, aber wie gesagt, wir haben eine Fülle von Indizien, die ich jetzt in der Kürze nicht schildern kann. Die kann auf meinem Blog jeder nachlesen. Wir publizieren unsere Gutachten im Volltext. Frau Brosius-Gersdorff hat das Gutachten ihrer Anwälte nicht publiziert. Allein hier sieht man schon ein Ungleichgewicht in der Information. Ich habe seit gestern sehr viele Rückmeldungen bekommen, auch von nicht akademisch sozialisierten Journalisten, die gesagt haben, der Sachverhalt sei glasklar.

WELT: Haben Sie das jetzt aus eigenen Stücken erneut gemacht oder gibt es einen Auftraggeber?

Weber: Nein, es gibt wieder keinen Auftraggeber. Wir haben das aus eigenen Stücken gemacht, aber ich habe über Spenden ungefähr die Hälfte finanziert. Auch meine Mitarbeiter müssen bezahlt werden, aber letztlich bleibe ich auf den Kosten sitzen. Das war übrigens schon im Fall Annalena Baerbock so. Und das zieht sich ein bisschen durch, dass ich diese höchstwahrscheinlichen oder tatsächlichen akademischen Betrügereien – oder wie bei Frau Baerbock die Betrügerei in einem Sachbuch – aufdecke und hier als Einzelkämpfer gegen eine Meinungs- und Gesinnungsarmada ankämpfe. Aber das hat sich so ergeben, und das soll mir recht sein.

WELT: Hat es im Verlauf der letzten Jahrzehnte möglicherweise Veränderungen gegeben, wie eine Dissertation verfasst werden muss und was dabei gestattet ist? War das, was eine Richterin beim Verfassen der Dissertation in der Mitte der 90er-Jahre getan hat, damals Usus und ist es heute nicht mehr?

Weber: Das ist eine gute Frage. Die Regeln haben sich tatsächlich immer wieder geändert. Aber diese Regel zur sogenannten guten Autorschaftspraxis, die gibt es seit Jahrzehnten. Und die ist immer klar gewesen: Sprachliche Korrekturen sind erlaubt, inhaltliche Korrekturen sind unerlaubt. Diese Regel findet man sogar ab Ende des 19. Jahrhunderts. Damals kam auch die eidesstattliche Erklärung auf.

WELT: Was bedeutet das?

Weber: Die Eigenständigkeitserklärung in der Dissertation ist vor circa 130 Jahren aufgekommen, um 1890. Seitdem gibt es diese Regel: selbstständiges Schreiben. Da kann man jetzt nicht sagen, naja, ich drücke ein Auge zu, von 200 Seiten haben 15 mein Mann oder mein Bruder oder der Professor geschrieben. Man hat damals nicht für möglich gehalten, dass wir mal eine Software haben werden, die das entdeckt. Wir betreiben ja hier keine Zauberei. Wir arbeiten einfach mit den richtigen Software-Systemen – Turnitin und WCopyfind. Damit finden wir diese Sünden aus der Vergangenheit. Man hat das damals nicht gemacht, weil es erlaubt oder Usus war, sondern weil die, die es gemacht haben, sich sicher waren, dass es nie entdeckt werden würde.

Dieses Transkript des Interviews bei WELT TV entstand mithilfe Künstlicher Intelligenz. Für bessere Lesbarkeit wurde das gesprochene Wort leicht redaktionell bearbeitet.

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