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Ausstellung in Grafing: Das Schachspiel macht Filmkarriere – Ebersberg | ABC-Z

Natürlich freuen sich Schachfans immer, wenn ihr Lieblingsspiel im Film einen Auftritt hat. Und sei es auch nur ein kleiner, als Requisite. Oftmals sei es aber so, dass damit auch eine gewisse Enttäuschung einhergehe, sagt Schachexperte Georg Schweiger aus Baldham. Denn leider seien häufig Fehler gemacht worden, von einem falsch aufgestellten Brett bis hin zu unsinnigen Zügen. Es sei sogar so, schreibt Schweigers Kollege Johannes Fischer aus Nürnberg, dass ein geübter Schachspieler die Figuren schlicht anders anfasse als ein Schauspieler, der nur selten mit König, Dame und Co. in Berührung gekommen sei. Eine authentische Darstellung hält er deshalb für schwierig.

Die gute Nachricht aber ist, dass die Filmemacher nach den Worten der beiden Schachkenner in jüngster Zeit viel dazulernen. Netflix zum Beispiel ließ sich für seine Erfolgsserie „Das Damengambit“ von Ex-Weltmeister Garry Kasparow und dem legendären Schachtrainer und Autor Bruce Pandolfini beraten. Außerdem setzte man bei schnellen Partien sogar ein „Hand-Double“ ein, die deutsche Großmeisterin Filiz Osmanodja.

Auch in „Casablanca“ wird Schach gespielt. Dieses Foto zeigt Humphrey Bogart und Peter Lorre. (Foto: Schach und Kulturstiftung G.H.S.)
In diesem französischen Stummfilm von 1927 wird die faszinierende Geschichte um den vermeintlichen Schachroboter des Erfinders Baron Wolfgang von Kempelen erzählt. Der deutsche Filmtitel lautet „Der Schachspieler“.
In diesem französischen Stummfilm von 1927 wird die faszinierende Geschichte um den vermeintlichen Schachroboter des Erfinders Baron Wolfgang von Kempelen erzählt. Der deutsche Filmtitel lautet „Der Schachspieler“. (Foto: Schach und Kulturstiftung G.H.S.)

Spannenden Details wie diesen widmet sich nun ein Projekt zum Thema „Schach und Film“. Es umfasst eine Ausstellung in Grafing, einen knapp 50-seitigen Katalog mit Bildmaterial, Illustrationen und Aufsätzen, unter anderem eben von Schweiger und Fischer, sowie drei Kinovorstellungen mit Schachbezug, ebenfalls in Grafing. So wird die historische Entwicklung des Filmmotivs „Schach“ auf vielerlei Weise anschaulich erfahrbar.  Veranstalter ist die „Schach und Kulturstiftung G.H.S.“ aus Vaterstetten, vor 15 Jahren gegründet von Georg Schweiger.

Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von etwa 100 Plakaten und Filmfotos aus der einzigartigen und äußerst umfangreichen Sammlung von Siegfried Tschinkel in Eschweiler. „Vor allem für die Älteren unter uns bieten die Exponate eine Zeitreise zu grandiosen Kinoerlebnissen“, sagt Schweiger. Schließlich umfasse die Schau eine Zeitspanne von hundert Jahren: Das erste Beispiel ist ein russischer Stummfilm namens „Schachfieber“ von 1925, das jüngste gerade mal ein paar Monate alt. Man begegnet allerhand Leinwandgrößen wie John Wayne, Steve McQueen, Bruno Ganz oder Kevin Kline. Außerdem zu entdecken gibt es Bücher, DVDs und diverse Zeitungsartikel zum Thema. Zwei Schachsets zu Blockbustern aus der Sammlung von Walter Rädler runden die Schau ab.

Die „Schachnovelle“ mit Curd Jürgens und Mario Adorf ist ein Klassiker.
Die „Schachnovelle“ mit Curd Jürgens und Mario Adorf ist ein Klassiker. (Foto: Schach und Kulturstiftung G.H.S.)
61 Jahre später gab es eine viel gelobte Neuverfilmung des Buches von Stefan Zweig.
61 Jahre später gab es eine viel gelobte Neuverfilmung des Buches von Stefan Zweig. (Foto: Schach und Kulturstiftung G.H.S.)

„Grundsätzlich war es schon immer so, dass sich die Schach-Referenz als ikonischer Bestandteil von Filmszenen sehr gut eignet“, so Schweiger. Denn Schach sei wie kein anderes Spiel global verbreitet, habe eine lange Geschichte und sei stets stark mit gesellschaftlichen Entwicklungen verbunden. Allein schon das Brett und seine Figuren dienten als ideales Requisit: „Das Schachbrettmuster mit seinen 64 Feldern ist universell bekannt, die Figuren selbst haben in ihrer dreidimensionalen Ausführung eine einzigartige visuelle Qualität.“

Dank seines Antagonismus von Schwarz und Weiß eignet sich das Spiel freilich sehr als Motiv für Geschichten von Gut und Böse, Schach steht für den strategischen Kampf der Gegensätze, den Konflikt, das große Duell. Doch Schweiger und seine Kollegen haben herausgearbeitet, dass sich hier gerade ein Wandel vollzieht – hin zu einem anderen, wesentlich positiveren, differenzierteren Image.

Auch der Münchner Tatort „Zugzwang“ war ein voller Erfolg.
Auch der Münchner Tatort „Zugzwang“ war ein voller Erfolg. (Foto: Schach und Kulturstiftung G.H.S.)

Hintergrund ist, dass Schach boomt. Vor allem seit der Covid-Pandemie hat die Zahl derer, die im Internet Schach spielen, global enorm zugenommen, auch das generelle Interesse ist laut Schweiger stark gestiegen. Und dies zeige sich eben auch darin, dass Schachmotive im Film eine immer größere Rolle spielten.

2021 zum Beispiel, also 61 Jahre nach dem Klassiker mit Curd Jürgens und Mario Adorf, gab es eine viel beachtete Neuverfilmung von Stefan Zweigs „Schachnovelle“. Und gerade eben erst schaffte es das Thema erstmals in einen „Tatort“: Im April sahen den Film „Zugzwang“ aus München 8,66 Millionen Zuschauer, für die Macher vom Bayerischen Rundfunk eine Traumquote.

Georg Schweiger hat mit seiner Schach- und Kulturstiftung bereits sechs Ausstellungs-Projekte realisiert. Außerdem spielt er selbst leidenschaftlich gern, hier bei einem Schnellschachturnier in Ebersberg.
Georg Schweiger hat mit seiner Schach- und Kulturstiftung bereits sechs Ausstellungs-Projekte realisiert. Außerdem spielt er selbst leidenschaftlich gern, hier bei einem Schnellschachturnier in Ebersberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit dem Boom geht zudem eine „Entbürgerlichung des Schachs“ einher: Die Spieler – und zunehmend auch Spielerinnen – stammen laut Schweiger inzwischen aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten, schicht- und generationsübergreifend. „Der hohe Anteil von Migranten und vor allem von Jugendlichen zeigt zudem einen rasanten Wandel im Image des Spiels an.“ Ursprünglich ein Randthema, „etwas für Nerds“, sei Schach mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen, konstatiert der Baldhamer.

Daher sei es nur logisch, dass auch die kreative Branche auf diese veränderte Situation reagiere und das Spiel unter neuen Gesichtspunkten thematisiere. Spielfilme wie „Die Schachspielerin“ (2009), „Queen of Katwe“ (2016) oder „Das Wunder von Marseille“ (2019) setzen neue Akzente: Sie zeigen Schach als Mittel zur Emanzipation und zum sozialen Aufstieg.

„The Queen of Katwe“ erzählt die Geschichte von Phiona Mutesi (gespielt von Madina Nalwanga): Sie wächst in einem Slum in Uganda auf, kann weder lesen noch schreiben und hat wenig Aussichten auf eine bessere Zukunft. Doch dann lernt sie, Schach zu spielen....
„The Queen of Katwe“ erzählt die Geschichte von Phiona Mutesi (gespielt von Madina Nalwanga): Sie wächst in einem Slum in Uganda auf, kann weder lesen noch schreiben und hat wenig Aussichten auf eine bessere Zukunft. Doch dann lernt sie, Schach zu spielen…. (Foto: Edward Echwalu/Disney)

In diese Kategorie fällt auch „Das Damengambit“. Die Netflix-Serie erzählt die Geschichte eines Waisenmädchens, das in den 1950er-Jahren die Schachwelt erobert. Zwar ist diese Karriere stets von inneren Kämpfen begleitet, von Isolation, Sucht, Verlustängsten. Doch im Gegensatz zu einflussreichen Darstellungen des Schachs in Film und Literatur – allen voran Stefan Zweigs „Schachnovelle“ und Nabokovs „Lushins Verteidigung“ – steht das Spiel in dieser Serie laut Fischer „nicht für Wahn, Verderben und den allmählichen Verfall einer Persönlichkeit, sondern für Heilung“. Das Schachtalent der Hauptfigur symbolisiere ihr Potenzial und diene als Vehikel ihrer Selbstverwirklichung. Überdies sei es den Machern gelungen, die Faszination und die Spannung des Spiels sehr gut einzufangen.

So wird die Serie zu einem ungeheuren internationalen Erfolg. Sie löst vor allem bei Frauen und Mädchen großes Interesse am Schach aus und führt zu einer positiveren Wahrnehmung des Spiels, die sich in einer ganzen Reihe von kulturellen Phänomenen zeigt. Plötzlich ist Schach cool, wenn nicht sogar sexy. Und wer weiß, vielleicht gelingt es der Ausstellung in Grafing, weitere Begeisterung zu wecken.

Ausstellung „Schach und Film“ in der Stadtbücherei Grafing: Eröffnung am Freitag, 17. Oktober, um 19 Uhr. Am Samstag, 15. November, um 19 Uhr spricht Helmut Pfleger über „Schach vor 60 Jahren“. Die Bücherei ist geöffnet dienstags von 9 bis 13 Uhr, mittwochs, donnerstags und freitags von 15 bis 19 Uhr sowie sonntags von 9 bis 12 Uhr. Die Ausstellung endet am 30. November. Capitol-Filmtheater Grafing: Am Mittwoch, 22. Oktober, läuft die „Schachnovelle“ (Verfilmung von 2021), am Mittwoch, 29. Oktober, „Bauernopfer – Spiel der Könige“ (2014) und am Montag, 24. November, „Das Wunder von Marseille“ (2019). Beginn ist jeweils um 19 Uhr, der Eintritt frei.

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