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Briefwahl: Die Post fährt Sondertouren – Wirtschaft | ABC-Z

Wenn die Post an einem Sonntag Briefe zustellt, muss es dringend sein. In ganz Deutschland werden sich am Wahltag die kleinen gelben Postautos auf den Weg machen, um die Stimmen des briefwählenden Volkes in die Wahllokale zu tragen. Operation „Sonderlogistik“ heißt der Auftrag, den die Deutsche Post in Absprache mit dem Bundesinnenministerium kurz vor der Bundestagswahl ausführt.

Die Deutsche Post war bis zu ihrer Privatisierung in den 1990er-Jahren ein stolzer Staatskonzern mit eigenem Ministerium in Bonn. Heute ist sie lediglich eine Marke des weltweit operierenden Logistikkonzerns DHL. Beamte gibt es kaum noch, das Briefgeschäft schrumpft. Im Zeitalter von E-Mails und Chatnachrichten verschicken immer weniger Deutsche noch Briefe aus Papier. Nun aber, bei der Bundestagswahl, zeigt sich: Die Aufgabe der Deutschen Post, sie kann immer noch staatstragend sein – im wahrsten Sinne des Wortes.

Wer in Deutschland wahlberechtigt ist, zu dem ist mindestens einmal auch die Deutsche Post gekommen. Ohne die Wahlbenachrichtigung aus dem Briefkasten kann niemand in Deutschland seine Stimme abgeben, ob persönlich im Wahllokal oder per Briefwahl. Die Post hat für das Geschäft mit den Wahlunterlagen eine eigene Abteilung aufgebaut und kümmert sich um den reibungslosen Ablauf von der Kommunal- bis zur Bundestagswahl.

Fast die Hälfte aller Wähler nutzte bei der vergangenen Bundestagswahl im Jahr 2021 die Briefwahl. Auch dieses Mal dürfte die Briefwahl eine wichtige Rolle spielen.  Vor allem für die kleineren Parteien könnten die Briefwahlstimmen der Stab zum Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde sein. Voraussetzung aber ist, dass der Brief pünktlich ankommt: Bis Sonntagabend, 18 Uhr, müssen alle Stimmen im zuständigen Wahllokal eingetroffen sein – sonst werden sie nicht mitgezählt. Briefwähler können ihre Stimmzettel bis zum Wahltag noch selbst bei der Kommune abgeben. Viele nutzen aber lieber den kostenlosen Postversand.

Post und Bundeswahlleiterin warnten zunächst: Bis zur letzten Leerung am Donnerstag vor der Wahl müssten die Briefwahlunterlagen im Postkasten liegen. Nur dann sei eine pünktliche Beförderung garantiert. Diese Drei-Tages-Frist gab es auch schon bei der vergangenen Bundestagswahl.

Der erhöhte Schwierigkeitsgrad dieses Mal aber ist: Nach dem Ampel-Aus im Herbst wird früher gewählt als gedacht. Nur wenige Wochen hatten die Parteien Zeit, ihre Wahllisten zusammenzustellen; erst dann konnten die Kommunen die Stimmzettel drucken und die Post sie ausliefern.

Damit trotzdem auch die Stimmen der Trödler unter den Briefwählern gezählt werden können, zeigen Post und Bundesinnenministerium sich in diesem Jahr großzügig. Die Post verspricht: Wer seinen Wahlbrief noch am Samstag vor der Leerung in den Briefkasten wirft, dessen Stimme soll rechtzeitig ankommen. Dafür sorgt die vom Innenministerium bestellte Sonderlogistik.

Die Post fahre dafür am Sonntag Sondertouren von den Briefzentren zu den Wahlämtern, bestätigte ein Sprecher der Süddeutschen Zeitung. Die roten Wahlbriefumschläge werden meist automatisch in den Briefzentren sortiert und von der Post mit Priorität behandelt. In der Nacht zu Sonntag fahren zusätzliche Lkws quer durch Deutschland, um die Wahlbriefe zu verteilen. Expressflüge im Inland oder Sonderleerungen soll es aber nicht geben.

Der Wahltermin im Winter hat für die Post auch sein Gutes: Um das Weihnachtsgeschäft zu stemmen, hatte die Post bereits Zehntausend Aushilfskräfte zusätzlich eingestellt. „Ein gewisser Anteil“ sei dann als Verstärkung für die Bundestagswahl weiterbeschäftigt worden, sagt der Sprecher.

Nachdem sich viele Verbraucher zum Jahresbeginn noch über das neue Postgesetz geärgert hatten – über das gestiegene Porto und die Tatsache, dass die Post sich nun mehr Zeit lassen darf mit der Zustellung -, kann der Konzern mit seiner Rolle in Sachen Briefwahl vielleicht den ein oder anderen Kunden wieder versöhnlich stimmen. Es werden zwar immer mal wieder Stimmen laut, dass DHL das Briefgeschäft in Deutschland verkaufen solle. Wenn aber die Operation Sonderlogistik glattläuft, kann die Post immerhin auf ihre Erfolge als Demokratielogistiker verweisen.

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