So war das Konzert von Cat Power in der Isarphilharmonie – eine Konzertkritik – München | ABC-Z

Im grünen Dreiteiler betritt die US-amerikanische Alternative-Country-Sängerin Charlyn Marie Marshall alias Cat Power die nur spärlich beleuchtete Bühne der Isarphilharmonie. Die sechs dort positionierten Scheinwerfer ähneln dabei denen, die sich bereits als ebenso reduzierte Dekoration von Bob-Dylan-Konzerten bewährt haben.
Natürlich ist das kein Zufall, schließlich stellt Cat Power an diesem Abend ja ein Bob-Dylan-Konzert nach. Song für Song lässt sie jenes Bob-Dylan-Konzert von 1966 wieder auferstehen, das unautorisiert mitgeschnitten zu den berühmtesten Bootlegs der Rockgeschichte zählt: The Royal Albert Hall Concert.
Gleichwohl das berühmte Tondokument gar nicht in der Londoner Konzerthalle aufgenommen wurde, hat man jene Zuschreibung im Titel beibehalten, als es 1998 endlich auch offiziell veröffentlicht wurde. Darauf zu hören ist der Wandel des Folk-Sängers Bob Dylan zum Rockmusiker, der nach einigen noch auf akustischer Gitarre begleiteten Songs plötzlich zur E-Gitarre griff. Er wurde von einer Rockband begleitet, die nun den großartigen Sound entfachte, den viele seiner damaligen Fans nur als Lärm empfanden.
Schlimmer noch, die Hinwendung zur vermeintlich kommerzielleren Rockmusik galt den Folk-Puristen geradezu als Verrat. „Judas!“ ruft darum auch ein aufgebrachter Zuschauer auf dem überlieferten Tondokument, das Cat Power gleich in den Sinn kam, als ihr 2022 ein Konzert in der Royal Albert Hall angeboten wurde. Also spielte sie das komplette Dylan-Konzert nach, das als Live-Mitschnitt erneut zu den besten Alben des Jahres avancierte.
Mittlerweile tourt Cat Power sogar mit diesem Programm, dessen Songauswahl also allen Konzertbesuchern schon vorab bekannt ist. Doch wie auch Dylan seine Songs zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verändert, setzt auch Cat Power die Songs mit kleinen Melodie-Abweichungen und Textänderungen in ein neues Licht. Hatte ihr „Royal Albert Hall Concert“ die besungene Person in Dylans „Just like a woman“ noch als Frau belassen, singt sie zum Beispiel in München von einem „Er“, der Liebe macht wie eine Frau. Der leidet wie eine Frau. Und der zerbricht wie ein kleines Mädchen.
Henry Munson, der schon in der Royal Hall mitgewirkt hatte, begleitet dabei Cat Power auf der Gitarre, derweil Sasha Smith hinter der Hammondorgel sitzend die Mundharmonika so wunderbar spielt, dass auch hier das bekannte Dylan-Werk eine neue Wertschätzung erfährt.
Wenn Cat Power zudem die biblischen Figuren Kain und Abel in Dylans „Desolation Row“ pluralisiert und also gleich von mehreren Kains und Abels singt. Wenn sie den darin erwähnten Zirkus nicht einfach so wie bei Dylan in der Stadt belässt. Wenn sie sogar ausdrücklich betont, dass er wieder zurück in der Stadt sei, nachdem er dieser Logik folgend schon mal weg gewesen sein mag, dann könnte der darin besungene Rassismus nicht mehr nur jene Lynchmorde von Dulluth thematisieren, wo 1920 drei schwarze Zirkusarbeiter gelyncht wurden.
Der hier besungene Rassismus ist vielmehr ein erschreckend aktueller. Darum ist auch Cat Powers Wechsel zur lauteren Rockmusik im weiteren Verlauf des Konzerts nicht nur eine historisch korrekte Aufbereitung des legendären Dylan-Konzerts, sondern auch eine musikalische Aufrüstung. Mit einer nunmehr sechsköpfigen Begleitband schließt Cat Power einen großartigen Konzertabend mit „Like A Rolling Stone“. Niemand schreit diesmal Judas. Stattdessen steht das Publikum auf und applaudiert begeistert.