Boxen: Agit Kabayel will Erbe des großen Max Schmeling werden | ABC-Z

Agit Kabayel, in der Corona-Krise in finanziellen Nöten, steht vor einem entscheidenden Kampf um die WM-Krone im Schwergewicht. Der Bochumer hat bislang alle seine 25 Kämpfe gewonnen. Samstag sollen sich die jahrelangen Mühen auszahlen. Sportlich und finanziell.
Es gab Zeiten, da wusste Agit Kabayel nicht, ob das Geld reicht, um sein Auto vollzutanken. Die Anfangszeit als Profi ist für viele Boxer nicht lukrativ. Ein paar Hundert oder Tausend Euro Börse gehen für alle Kosten drauf. „Mit den ersten zehn Kämpfen habe ich keinen Cent verdient“, sagt der Bochumer, der 2011 als Profi begann: „Ich habe von der Hand in den Mund gelebt. Ich bin als Profiboxer durch die Gegend gelaufen, aber die Leute wussten nicht, dass ich finanziell am Ende war. Ich habe Kämpfe umsonst bestritten.“
Über die Jahre ging es aufwärts. Kabayel, 1992 geboren in Leverkusen, ausgewachsen und wohnhaft in Bochum, wurde 2017 Europameister im Schwergewicht. Doch dann kam der Rückschlag durch die Corona-Krise: nur zwei Kämpfe in drei Jahren. „Eineinhalb Jahre konnte ich nicht boxen, musste aber trotzdem meine Steuern zahlen, mich finanzieren und meine Familie unterstützen. Diese Existenzängste waren die Hölle“, sagt Kabayel.
Doch der Schwergewichtler blieb dran und boxte sich weiter nach oben. Inzwischen ist er die Nummer drei der Computerweltrangliste von „Boxrec“. Dadurch gab es hohe Börsen. „Als ich gegen Arslanbek Makhmudov (2023; d. Red.) eine siebenstellige Summe kassiert habe, konnte ich mein Glück kaum fassen“, sagt der Bochumer, der bisher alle 25 Kämpfe gewann, 17 davon durch K.o.: „Jetzt weiß ich endlich, dass sich diese jahrelangen Mühen gelohnt haben.“ Vom Geld renovierte er die Wohnung seiner Eltern.
Den nächsten Schritt will er am Samstag in Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens gehen – wieder für eine Millionenbörse. Gegen den Chinesen Zhilei Zhang (41) geht es um die Interims-WM des renommierten Verbands WBC (ca. 18.15 Uhr, DAZN). Es ist ein Gürtel, der ein Türöffner zum ganz großen Angriff sein kann. „Richtiger“ Weltmeister ist der Ukrainer Oleksandr Usyk (38). Der vorerst letzte deutsche Schwergewichts-Weltmeister war Max Schmeling vor mehr als 90 Jahren. Kabayel fehlen dazu noch zwei Siege.
„Ich will Gold, ich will Weltmeister werden“
Da Usyk zuletzt wegen seiner Duelle mit Tyson Fury (36) den WBC-Titel nicht gegen die Top-Leute der Verbandsrangliste – Kabayel steht auf eins, Zhang auf zwei – verteidigte, lässt das WBC die beiden um diesen Interims-Gürtel antreten. Der Sieger ist dann Pflichtherausforderer von Usyk. „Natürlich ist das jetzt etwas Großes für mich, und ich bin der WBC dankbar“, sagt Kabayel: „Aber das ist nicht mein Ziel. Ich will Gold, ich will Weltmeister werden.“
Sein Gegner aus China (27 Siege, zwei Niederlagen, ein Remis) ist ein Brocken: 1,98 Meter groß und 128 Kilogramm schwer. Dazu ist er Rechtsausleger, seine Schlaghand ist also die Linke – für viele Gegner ist das ungewohnt. Bei der Reichweite liegen Kabayel und Zhang beide bei 2,03 Metern – der Deutsche hat für seine Körpergröße ungewöhnlich lange Arme. „Ich bin nicht unbedingt dafür bekannt, diese Reichweite immer zu nutzen“, sagt Kabayel. „Ich bin eher ein Wühler, gehe in den Mann, dahin wo es wehtut. Ich suche gerne den Kampf.“
Früher spielte er Fußball, hatte den Brasilianer Ronaldo auf einem Poster in seinem Zimmer hängen. Erst als Jugendlicher versuchte er es mit Kampfsport. Die Karriere war mehr ein Zufall: „Entdeckt wurde ich beim Kirmesboxen“, sagt Kabayel. „Da muss ich 17 gewesen sein. Ich habe jemandem die Stirn geboten, der 30, 40 Amateurkämpfe hatte. Zu dem Zeitpunkt habe ich vielleicht sechs Monate richtig geboxt. Mein Bruder hat den Kampf gefilmt und auf Facebook hochgeladen. Daraufhin hat sich ein Trainer gemeldet, und ich bin nach Wuppertal gekommen.“
Dort traf er Trainer Sükrü Aksu, der ihn bis heute betreut. Jetzt heißt die nächste gemeinsame Station Saudi-Arabien.
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.