Borussia Mönchengladbach trennt sich von Trainer Gerardo Seoane – Sport | ABC-Z

Vor sechs Wochen wurde am Niederrhein noch gefeiert: 125 Jahre Borussia Mönchengladbach. Das Jubiläum bot Anlass zum stolzen Rückblick auf jene Zeit, in der ganz im Westen Deutschlands ein Fußballverein seine heutige Bedeutung erlangt hat. Doch die neue Bundesliga-Saison hat für die Borussia schlimm begonnen. Am Sonntagabend verlor Gladbach 0:4 gegen Werder Bremen. Es war am dritten Spieltag das dritte Spiel ohne Sieg und eigenes Tor. Mittlerweile ist Gladbach saisonübergreifend seit zehn Bundesliga-Spielen sieglos und seit fünf Bundesliga-Spielen ohne Treffer. Mit einem Punkt und 0:5 Toren legte die Borussia im Jubiläumsjahr den drittschlechtesten Saisonstart ihrer Historie hin. Nur 1999 und 2015 war sie mit jeweils null Punkten und 2:8 Toren noch schlechter gestartet. Damals schieden die Trainer Rainer Bonhof (1999) und Lucien Favre (2015) zeitnah aus dem Amt.
Vor diesem historischen Hintergrund war es nicht verwunderlich, dass sich die Borussia am Montag von Trainer Gerardo Seoane getrennt hat. Am Vormittag hatte er das Training noch geleitet, doch nachmittags tagten die Vereinsgremien und entschieden sich für die Trennung. „Nach einer intensiven Aufarbeitung unseres Saisonstarts sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass wir eine Änderung auf der Position des Cheftrainers vornehmen müssen“, sagte der Sportgeschäftsführer Roland Virkus laut Vereinsmitteilung. „Bei uns ist der Glaube geschwunden, dass der Umschwung mit Gerardo gelingen kann.“ Präsident Rainer Bonhof erklärte: „Gerardo hat den Entwicklungsprozess der Mannschaft angeschoben und hat sie stabilisiert, allerdings war das Ende der vergangenen Saison nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben, und der Start in die neue Spielzeit ebenfalls nicht.“
Der bisherige U23-Trainer Eugen Polanski übernimmt zunächst das Traineramt. Am kommenden Sonntag gastiert Gladbach bei Bayer Leverkusen. Polanski, 39, hat als Spieler 254 Bundesligapartien für Gladbach, Mainz und Hoffenheim gemacht und trainiert seit Juli 2022 die zweite Gladbacher Mannschaft in der viertklassigen Regionalliga West.
Seoane, der im Oktober 2022 bei Bayer Leverkusen nach gerade mal 15 Monaten schon wieder entlassen worden ist, war in der dritten Saison Trainer bei der Borussia. In seiner ersten Spielzeit landete das Team mit 34 Punkten auf Platz 14, in der zweiten mit 45 Punkten auf Platz zehn. Eigentlich will man sich jetzt weiter verbessern, aber danach sah es zuletzt nicht aus. Borussias Bundesliga-Bilanz unter dem 46 Jahre alten Schweizer lautet: 71 Spiele, 20 Siege, 20 Unentschieden, 31 Niederlagen. Seoanes Ausbeute quer durch die Spiele aller Wettbewerbe war die schlechteste aller Gladbach-Trainer seit Michael Frontzeck zwischen 2009 und 2011. Christian Ziege und Hans Meyer unmittelbar vor Frontzeck waren noch schlechter gewesen. Unter dem Trainer Favre und dem Manager Eberl erlebte die Borussia ab 2011 zehn Jahre lang einen Aufschwung. Zuletzt stockte die Entwicklung aber vier Jahre lang.
Auch die Tabelle signalisiert Zweifel: Für den Moment steht Gladbach auf dem drittletzten Platz
Nach dem Schlusspfiff am Sonntagabend um 19.24 Uhr hatte es gellende Pfiffe im Borussia-Park gegeben. Alle Beteiligten zeigten sich selbstkritisch und einsichtig. Ausgewählte Analysen beinhalteten aber Vokabular, das für hygienisch geprägte Gemüter ungeeignet erschien. „Wir haben eine große Scheiße gespielt“, sagte unverblümt der Flügelstürmer Robin Hack. „Unsere Fans sind verständlicherweise angepisst“, ergänzte ähnlich unappetitlich der im Mittelfeld spielende Kapitän Rocco Reitz. „Das reicht nicht für Bundesliga-Niveau“, fand Reitz. Auch die Tabelle signalisiert diesbezüglich Zweifel: Für den Moment steht Gladbach auf dem drittletzten Platz.
Der Torjäger Tim Kleindienst ist am Knie vorerst weiter verletzt, der Angreifer Alassane Plea wurde an PSV Eindhoven verkauft, die Abwehrleute Ko Itakura und Julian Weigl wurden an Ajax Amsterdam und Al-Qadsiah nach Saudi-Arabien veräußert. Die offensiven Zugänge Shuto Machino, Giovanni Reyna und Haris Tabakovic sind noch nicht ansatzweise im Spiel. Auf dem Transfermarkt war Gladbach schon in den vergangenen Jahren nur so mittelprächtig erfolgreich. Diese Bilanz fällt auch auf den Sportgeschäftsführer Roland Virkus zurück, der Anfang 2022 die Geschäfte vom Manager Max Eberl übernommen hatte.
Nach einem 0:0 gegen den Aufsteiger Hamburger SV und einer 0:1-Niederlage beim VfB Stuttgart war das 0:4 gegen Bremen am Sonntag ein kapitaler Tiefschlag. In den beiden vorangegangenen Spielen hatten trotz schwacher Chancenverwertung wenigstens Spielanlage, Defensive und Körpersprache gestimmt. Gegen Bremen und dessen Trainer Horst Steffen, der eine Gladbach-Vergangenheit als Nachwuchstrainer besitzt, zeigte die Borussia nun aber eine derart schwache Leistung, dass Reitz „halbherzige Zweikämpfe“ beklagte und dass diese Leistung auch auf den Trainer Seoane zurückfallen musste.