Borussia Mönchengladbach: Neuer Geschäftsführer Stegemann vorgestellt – Sport | ABC-Z
Stefan Stegemann, 61, war ein Junge von elf Jahren, als Borussia Mönchengladbach am 21. Mai 1975 durch einen 5:1-Sieg in Enschede den Uefa-Pokal gewann. Mit dem großen Bruder war Stegemann aus der münsterländischen Stadt Rheine über die niederländische Grenze gefahren und im Stadion Zeuge des Triumphs geworden. An jenem Abend wurde er Fohlen-Fan auf Lebenszeit.
Roland Virkus, 58, war zehn Jahre alt, als Gladbach am 16. März 1977 durch einen 1:0-Sieg in Brügge ins Halbfinale des Europapokals der Landesmeister einzog. Virkus hörte die Radio-Übertragung heimlich im Bett. Noch vor dem späten Siegtreffer nahm ihm die Mutter das Radio weg. Virkus fiel in einen unruhigen Schlaf.
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Markus Aretz, 58, war sieben Jahre alt, als Gladbach am 18. Mai 1974 am letzten Bundesliga-Spieltag den bereits feststehenden Meister FC Bayern 5:0 besiegte. Aretz war zuvor schon oft mit dem Vater und dem Opa auf dem Bökelberg gewesen, aber an jenem Samstag hatte er etwas angestellt und musste daheim bleiben. Während er am Haus des Großvaters nahe dem Bökelberg zwei Stunden lang frustriert einen Ball gegen die Wand drosch, vernahm er aus dem Stadion fünfmal den Torjubel.
Stefan Stegemann wechselte von einem Sponsor in die Geschäftsführung der Borussia
Am Dienstag saßen der Westfale Stegemann und die gebürtigen Mönchengladbacher Virkus und Aretz auf dem Podium im Souterrain des Borussia-Parks und sprachen über die Zukunft des Traditionsvereins Borussia. Die drei bilden die Geschäftsführung. Virkus ist seit Februar 2022 fürs Sportliche verantwortlich, Aretz seit Mai 2022 für Marketing und Kommunikation – und Stegemann seit dem 1. Januar als Vorsitzender für die Finanzen. Er kommt vom Sponsor Sonepar.
Die langjährigen Verantwortlichen Rolf Königs (Präsident), Stephan Schippers (Finanzen) und Max Eberl (Sport) haben die Borussia im Lauf der vergangenen drei Jahre verlassen. Die neuen Geschäftsführer sind zwar alle noch recht jung im Amt, doch ihre Liebe zum Verein ist umso gereifter. Und dieses Jahr wird die Borussia auch noch 125 Jahre alt.
Ob ein solches Jubiläum nicht ein schöner Anlass für Gladbach wäre, sich mal wieder für die Champions League zu qualifizieren, ist der seit dem vergangenen Jahr als Präsident amtierende Borussia-Held Rainer Bonhof, 72, neulich gefragt worden, und hat geantwortet: „Die Champions League wäre mal wieder ein Ziel – aber ob wir das schon 2025 erreichen, sei mal dahingestellt.“ Bevor die Gladbacher am kommenden Samstagabend gegen den FC Bayern die Saison fortsetzen, haben sie auf Platz acht nur drei Punkte Rückstand zum Viertplatzierten RB Leipzig.
Bonhof hat am 18. Mai 1974 auf dem Bökelberg mitgespielt, als Aretz den 5:0-Sieg gegen die Bayern nur anhören durfte. Bonhof hat am 21. Mai 1975 auch in Enschede mitgespielt, als Stegemann auf der Tribüne den 5:1-Sieg sah. Und Bonhof hat auch am 16. März 1977 in Brügge mitgespielt, als Virkus den 1:0-Sieg am Radio knapp verpasste. Für alle drei Geschäftsführer ist der Held ihrer Kindheit heute ihr Präsident.
Bonhof ist zwar kein gebürtiger Mönchengladbacher, aber doch Rheinländer aus Emmerich. Jener Spieler hingegen, der den Borussen zurzeit den zarten Traum von der Champions League erhält, hatte bis zum vergangenen Sommer mit Gladbach und dem Niederrhein nichts zu tun: Es ist der Brandenburger Tim Kleindienst, 29, der just in jenem Jahr 1995 geboren wurde, als die ganz großen Zeiten der Fohlenelf zwar vorbei waren, als diese mit Spielern wie Stefan Effenberg, Martin Dahlin und Heiko Herrlich aber den DFB-Pokal und damit den bis heute letzten Titel gewann.
Kleindienst ist mit neun Treffern und vier Vorlagen nicht nur Gladbachs mit Abstand bester Scorer in dieser Saison – er ist vor allem Anführer und Mitreißer. „Seinen Mut und seine Physis haben wir gebraucht, um die Mannschaft mitzuziehen“, sagt der Trainer Gerardo Seoane, „ich habe selten erlebt, dass ein neuer Spieler derart schnell eine Kabine prägen kann“.
An Spielern wie Kleindienst, Rocco Reitz, Franck Honorat und Alassane Plea liegt es, dass Gladbach nach zuvor drei schwachen Spielzeiten jetzt wieder in der oberen Tabellenhälfte mit dabei ist. „Hier entwickelt sich gerade wieder etwas“, sagt voller Zuversicht der neue CEO Stegemann, der das Amt des Finanzchefs genauso „solide, umsichtig und vorsichtig“ weiterführen will wie sein Vorgänger Schippers, der nach einem Vierteljahrhundert auf eigenen Wunsch aufgehört hat.
Nach coronabedingten Verlusten von insgesamt 56 Millionen Euro über drei Jahre hinweg und einem Rückgang des Eigenkapitals von 103 auf 47 Millionen Euro hatte die Borussia für das Geschäftsjahr 2023 erstmals wieder einen kleinen Gewinn von 4,3 Millionen Euro verbucht. Wie 2024 ausgefallen ist, kann Stegemann noch nicht sagen. Er ist erst eine Woche im Amt und beansprucht lächelnd noch „Welpenschutz“.
Sportchef Virkus verhandelt mit dem Klub gerade über eine Verlängerung seines Vertrags
Während der Sportchef Virkus mit dem Präsidenten Bonhof und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Hollmann gerade über eine Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrags verhandelt, sinniert Stegemann darüber, wie er die Borussia „weiterentwickeln“ kann. Überraschende Impulse sind dabei eher nicht zu erwarten. Ihm gefällt, wie die Borussia so tickt und fühlt sich „geehrt“, dort mitmachen zu dürfen.
Als Gladbach 1975 in Enschede den Uefa-Pokal gewann, war dies Stegemanns erstes Livespiel mit der Borussia. Nun, da er ihr Chef ist, könnte ihm ein neuerlicher Cup-Gewinn zwar gefallen, allerdings tritt er seinen Dienst demütig an. „Um einen Titel zu gewinnen, musst du vorher etwas aufbauen“, sagt er. „Bei Borussia Mönchengladbach entsteht gerade wieder etwas.“