Boris Rhein für mehr Härte und Hilfe im Frankfurter Bahnhofsviertel | ABC-Z

Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist das Tor zur Stadt – und zugleich das Tor in erschreckendes Elend. Seit Jahren entwickelt sich dort, mitten in Frankfurt, ein Brennpunkt der Drogensucht und Drogenkriminalität. Durch das Dealen und den Konsum von immer mehr Crack hat sich die Lage weiter verschärft. Für die Menschen, die dort leben, arbeiten, ankommen oder ausgehen, sind die Zustände unzumutbar. Abhängige leben in einem Biotop des Elends ohne Ausweg. Das Bahnhofsviertel wirkt mittlerweile als Magnet für Drogentourismus durch ein geschlossenes Ökosystem aus Beschaffung, Betäubung, Behandlung, Beratung und Betreuung an einem Ort.
So kann und darf es nicht bleiben. Der in den neunziger Jahren eingeschlagene „Frankfurter Weg“, der vor allem auf Heroinsüchtige ausgerichtet war, wird dieser verschärften Situation durch neue Drogen nicht mehr gerecht. Wir brauchen deshalb eine konsequente politische Neuausrichtung im Frankfurter Bahnhofsviertel – mit mehr Härte und Repression gegen Dealer und Kriminelle und mit mehr Hilfsangeboten für Süchtige.
Das Land Hessen stellt sich seiner Verantwortung und hat schon vor mehr als einem Jahr eine intensive Sicherheitsoffensive gestartet, die deutliche Fortschritte erzielt hat. Die enorme Präsenz der Landespolizei und mehr als 15 Großrazzien seit Februar 2024 haben den Druck auf Dealer und Kriminelle massiv erhöht. Seit Anfang vergangenen Jahres gibt es außerdem eine großflächige Videoüberwachung an Brennpunkten, und die durch die Stadt mittlerweile endlich eingerichtete Waffenverbotszone wurde zu Beginn dieses Jahres noch einmal ausgeweitet. All das zeigt Wirkung: Die Kriminalität geht zurück, die Aufklärungsquoten steigen, Dealer geraten zunehmend unter Druck.
Sogwirkung nach Frankfurt nicht länger zulassen
Aber das reicht nicht. Wir brauchen neue Ansätze und ein konsequentes Vorgehen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, um der veränderten, aggressiven Drogenszene zu begegnen. Der illegale Handel mit Crack ist in den vergangenen drei Jahren enorm gestiegen. Der Crack-Konsum und sein hoher Suchtdruck gehen mit Straßen- und Beschaffungskriminalität einher, gleichzeitig steigt die Zahl der Gewaltdelikte.
Hinzu kommt eine enorme Sogwirkung nach Frankfurt: Im Jahr 2023 kamen mehr als die Hälfte der fast 3000 Suchtkranken in Frankfurter Drogenhilfe-Einrichtungen nicht aus der Stadt, und die Hälfte davon wiederum stammte sogar aus anderen Bundesländern. Das können und dürfen wir nicht länger zulassen. Frankfurt kann nicht die Drogenprobleme ganz Deutschlands lösen. Auch andere Städte und vor allem andere Länder müssen Verantwortung für ihre Abhängigen übernehmen.
Wir wollen deshalb in Frankfurt die Kausalkette brechen und das Bahnhofsviertel – so weit es geht – für suchtkranke Menschen schließen. Denn wo Drogenkonsumenten sind, sind Dealer, und wo Dealer sind, ist Kriminalität. Diesen Teufelskreis des Elends durch das Drogen-Ökosystem aus Beschaffung, Betäubung, Behandlung, Beratung und Betreuung am gleichen Ort wollen wir beenden. Dafür braucht Frankfurt einen neuen Frankfurter Weg. Die Hessische Landesregierung hat deshalb einen Sieben-Punkte-Plan beschlossen, um Kriminalität noch härter zu bekämpfen, Süchtigen besser zu helfen und die Situation im Bahnhofsviertel gemeinsam mit der Stadt zu verbessern.
Ein Sieben-Punkte-Plan
Erstens muss es intensivere Kontrollen und einen ganzheitlichen Ansatz geben: Mehr Polizei im Viertel, offene und verdeckte Kontrollen sowie Dauer-Razzien haben sich bewährt. Das werden wir ausbauen. Die „Gemeinsame Arbeitsgruppe Intensivtäter“ wird alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um den Aufenthalt im Bahnhofsviertel für Straftäter konsequent zu beenden.
Außerdem nehmen wir das Viertel künftig mit einem ganzheitlichen Ansatz in den Blick: Polizei, Ausländerbehörde, Sozial- und Gesundheitsämter sowie weitere Akteure sollen in Zukunft unmittelbar zusammenarbeiten, um ein differenziertes Lagebild des Bahnhofsviertels zu erstellen und bei der individuellen Lebenssituation der Betroffenen anzusetzen. Gleichzeitig wollen wir dadurch schnelle und koordinierte Reaktionen ermöglichen, um den Kreislauf aus Beschaffung, Konsum und Verelendung zu durchbrechen.
Zweitens sind härtere Strafen notwendig. Hessen stellt als erstes Land wiederholte Verstöße gegen Aufenthaltsverbote unter Strafe und ermöglicht dafür Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren. Gleichzeitig verdoppeln wir die Höchstdauer des Gewahrsams zur Unterbindung von Straftaten und erheblichen Ordnungswidrigkeiten von sechs auf zwölf Tage. Das stärkt die Handlungsfähigkeit der Polizei, um vorbeugend unter anderem gegen mutmaßliche Drogendealer tätig zu werden. Wir nutzen damit konsequent die uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel zur Gefahrenabwehr im Bahnhofsviertel und in ganz Hessen.
Mehr Videoüberwachung und bessere Versorgung
Drittens brauchen wir mehr Videoüberwachung. Die bestehende Videoüberwachung im Bahnhofsviertel ist ein Erfolg: Seit ihrer Einführung verzeichnen wir weniger Verbrechen bei höheren Aufklärungsquoten. Mit der deutlichen Verschärfung unseres Polizeigesetzes haben wir als erstes Land den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur frühzeitigen Erkennung von Straftätern und potentiellen Straftaten ermöglicht und werden sie im Bahnhofsviertel erstmals einsetzen. Damit unterstützen wir unsere Einsatzkräfte bei der Echtzeit-Auswertung und machen die Videoüberwachung intelligenter und effektiver, vor allem in unübersichtlichen Situationen. Außerdem weiten wir den Einsatz von Body-Cams aus. Dadurch schützen wir die, die uns schützen: unsere Polizistinnen und Polizisten.
Viertens ist eine bessere Versorgung von Hilfsbedürftigen nötig. Mit dem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz hat das Land Hessen ein starkes Instrument geschaffen, um die Versorgung von Personen mit psychischen Störungen sicherzustellen. Wir werden prüfen, wie wir diese Rechtsgrundlagen noch stärker auf frühzeitige Hilfe für Schwerst-Suchtkranke ausrichten können und eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik angeordnet werden kann.
Fünftens muss eine Verlagerung von Beratung, Betreuung und Behandlung erreicht werden. Das Land hat in den vergangenen Jahren in großem Umfang Haushaltsmittel für die Beratung, Betreuung und Behandlung von Drogenabhängigen bereitgestellt. Das wollen wir fortschreiben und die Präventionshilfe von Land und Stadt noch besser koordinieren. Wir wollen außerdem erreichen, dass sich Betreuungs- und Beratungsangebote auch außerhalb des Bahnhofsviertels ansiedeln. In Zukunft sollen Beratung, Betreuung und Behandlung nicht mehr dort stattfinden, wo auch Beschaffung und Betäubung möglich sind.
Florierendes Drogenviertel gehört nicht nach Deutschland
Sechstens brauchen wir mehr Hilfe für Wohnsitzlose: Gemeinsam mit der Hessischen Fachkonferenz Wohnungslosenhilfe und wissenschaftlicher Begleitforschung analysiert das Land derzeit die Lebenssituation der Betroffenen. Wir wollen die Planungsgrundlage verbessern und die bestehenden Hilfen für betroffene Menschen gezielt weiterentwickeln. Außerdem wollen wir als Land noch mehr dafür tun, den Wohnungsverlust bei Drogenabhängigkeit zu verhindern.
Siebtens muss die soziale und integrationspolitische Quartiersarbeit verstärkt werden. Das Umfeld muss stimmen. Deshalb unterstützt das Land die Stadt Frankfurt in ihrer Quartiers- und Gemeinwesenarbeit und setzt diese Förderung in diesem und im nächsten Jahr fort. Hinzu kommen auch im Jahr 2025 mehr als fünf Millionen Euro des Landes Hessen als soziale Hilfen für die Stadt, etwa für Beratungsangebote und Schutzeinrichtungen.
Dieser neue Frankfurter Weg wird kein leichter sein. Es wird Zeit brauchen, bis Maßnahmen wirken und wir gemeinsam Erfolge erzielen. Aber die Hessische Landesregierung wird mit aller Kraft dafür arbeiten, dass Frankfurt endlich ein ansehnliches Tor zu seiner Stadt erhält und dabei auch neues Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaates und die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie wächst. Ein florierendes Drogenviertel gehört weder nach Frankfurt noch nach Hessen oder nach Deutschland.