Umverteilung im Koalitionsvertrag: Dieser Koalitionsvertrag ist riskant | ABC-Z

Die Unterstützung für die AfD ist in den letzten Monaten
gewachsen, mittlerweile liegt sie in Umfragen gleichauf mit der Union.
Da stellt sich die Frage, welche Verteilungswirkungen der neue
Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD haben wird – und was dieser
etwa für AfD-Wählerinnen und -Wähler bietet. Aber auch für zum Beispiel
die junge Generation, die sich in den
vergangenen Jahren zunehmend von den demokratischen Parteien der Mitte
abgewandt hat?
Viel wird über die Frage
diskutiert, wie die Wirtschaft gestärkt, Migration begrenzt und manche
Maßnahmen finanziert werden sollen. Mindestens genauso wichtig ist
jedoch die
Frage, wie sich der gesellschaftliche Zusammenhalt in den kommenden
Jahren
entwickeln wird. Das ist ebenso wichtig für Wirtschaft und Wohlstand und
für die Frage, ob es der neuen Bundesregierung gelingen wird, die
Aushöhlung der Demokratie und die soziale Spaltung zu stoppen oder gar zurückzudrehen. Dass AfD-Wählende allein durch eine verschärfte
Migrationspolitik befriedet werden, ist naiv zu glauben. Zumal die
Bundestagswahl große Unterschiede beim Wahlverhalten
zwischen gesellschaftlichen Gruppen gezeigt hat.
Ungewöhnlich am
Koalitionsvertrag
ist, wie vage die Ziele formuliert sind. Konkrete Versprechen fehlen. Es
wird viel darüber geschrieben, was man tun will – wenig
jedoch, was man konkret tun wird. Das kann zu Dauerstreit führen. Es
gibt der Bundesregierung aber auch die Möglichkeit, schnell und flexibel
auf neue Entwicklungen zu reagieren, ohne die Ziele ständig neu
verhandeln zu müssen.
Konkret wird der Vertrag aber bei der
Umverteilung: Hier profitieren Unternehmen und die Industrie besonders.
Denn es soll Steuererleichterungen
für Investitionen geben. Energieintensive Industrieunternehmen
werden stark vom Absenken der Energiesteuer um fünf Cent profitieren.
Die neue Bundesregierung hat eine deutliche, schrittweise Reduzierung
der
Körperschaftsteuer für Unternehmen von heute 15 auf 10 Prozent in
Aussicht
gestellt. Für Bürgerinnen und Bürger dagegen gibt es kaum Entlastungen;
manche
Förderprogramme, wie bei der Gebäudesanierung und der E-Mobilität,
wurden sogar
gekürzt oder gestrichen.
Die unteren Einkommensgruppen werden vergessen
Als zweite Verteilungsperspektive
enthält der Koalitionsvertrag eine Umverteilung von Arm zu Reich. So
profitieren Menschen mit hohen Vermögen und Einkommen nicht nur durch die
steuerliche Entlastung der Unternehmen – zum Teil, weil sie selbst Unternehmerinnen
oder Unternehmer sind –, sondern auch perspektivisch durch die vom
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in Aussicht gestellten Erleichterungen bei der
Einkommensteuer für Besserverdienende. Auch profitieren Gutverdienende
deutlich mehr von der versprochenen Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie sowie
von der Erhöhung des Dienstwagenprivilegs und der Pendlerpauschale.
Steuererhöhungen auf große Einkommen, Vermögen oder Erbschaften wurden
ausgeschlossen.
Menschen mit geringen und
mittleren Einkommen dagegen gehören tendenziell zu den Verlierern. Eine Reihe
von Sozialleistungen sollen gekürzt werden – beispielsweise beim Bürgergeld.
Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderarmut, zur Qualifizierung oder um Wohnen in
den Städten wieder etwas erschwinglicher zu machen, sind zu einem großen Teil
Fehlanzeige. Energie und Lebensmittel werden durch die CO₂-Bepreisung in den
kommenden Jahren teurer werden, ein sozial ausgleichendes Klimageld wird es
aber wohl nicht geben.
Auch die Arbeitsmarktpolitik wird
die Ungleichheit der verfügbaren Einkommen eher vergrößern. Insbesondere die
Steuerbefreiung von Überstunden für Menschen, die in Vollzeit arbeiten, nutzt
vor allem jenen, die nicht prekär oder in Teilzeit beschäftigt sind. Die
Koppelung eines Mindestlohns von 15 Euro pro Stunde an das Votum der
Mindestlohnkommission dürfte dagegen bedeuten, dass die Lohnuntergrenze auch in den
kommenden Jahren eher moderat steigen dürfte.