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BookTok-Autorin Josi Wismar im Interview | ABC-Z

Unter Tränen hat die 25 Jahre alte Autorin Josi Wismar am Samstagabend den Preis als #BookTok Autorin bei den TikTok Book Awards auf der großen Bühne der Frankfurter Buchmesse entgegengenommen. Sie selbst hatte am allwenigsten damit gerechnet.

Seit ihrem 2022 erschienenen Debüt hat die Mainzerin noch vier weitere Bücher folgen lassen. Gleichzeitig produziert sie regelmäßig Videos für ihren TikTok-Account @josiwismar und veröffentlicht einmal pro Woche einen Podcast, in dem sie mit ihrer besten Freundin Sarah Bücher bespricht.

Wie haben Sie den Weg zum Schreiben und zur Autorinnenschaft gefunden?

Ich hatte immer diesen Traum, Autorin werden, aber so, wie halt andere sagen: Ich werde Popstar. Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist. Da hat TikTok und Bookstagram eine große Rolle gespielt, weil ich dort gesehen habe, dass andere auch schreiben und sogar einen Verlag gefunden haben. Da habe ich gelernt, dass man eine Literaturagentur braucht. Meine Agentin habe ich dann über eine befreundete Autorin kennengelernt. Sie war sehr wichtig für mich, weil sie schon zu einem frühen Zeitpunkt an mein Projekt geglaubt hat. Dann hatte ich auch zur richtigen Zeit etwas geschrieben, das Interesse geweckt hat, wobei ich rückblickend sagen würde, dass ich mich heute für meine ersten Exposés schämen würde. Aber das war halt das, was ich damals konnte, und man lernt unterwegs dazu.

Ihre „Amber Falls“-Trilogie und die aktuelle „Wild-Hearts“-Reihe spielen in den USA und Kanada. Was ist Ihr Bezug zu diesen Ländern, und waren Sie vor Ort an den Schauplätzen?

Meine ersten Bücher haben in einer fiktiven Kleinstadt in den USA gespielt. Das war einfach ein Sehnsuchtsort, und ich wusste, das wird gern gelesen. Meine Dilogie sollte ursprünglich in Neuseeland spielen, aber ich war vorher fünf Wochen in Kanada im Urlaub, und dabei habe ich mich in dieses Land verliebt. Dann habe ich alles nochmal geändert. Es hat tatsächlich einen großen Unterschied für mich beim Schreiben gemacht. Ich wusste, wie es sich anfühlt, an diesen Orten zu sein, und musste mir deshalb nicht mehr so den Kopf über die Schauplätze zerbrechen wie bei der ersten Reihe. Ich konnte mich dadurch auf andere Dinge mehr konzentrieren.

Diese fünf Romane sind in den vergangenen zwei Jahren erschienen. Wie schaffen Sie es, so produktiv zu sein?

Der Zwang, schreiben zu müssen, hilft. Klar, eine Zeitlang war es auch viel zu viel: Schreiben, auf Social Media aktiv sein, meinen Podcast produzieren, und am Anfang hatte ich ja auch mein Studium noch nicht abgeschlossen. Da habe ich schon mal die eine oder andere Nachtschicht eingelegt. Ich habe das für das große Ganze gemacht. Wenn ich nicht so viel Zeit investiert hätte, dann wären meine Bücher auch keine Bestseller geworden.

Können Sie inzwischen vom Schreiben leben?

Jein. Ich könnte es theoretisch, das habe ich mir schon erarbeitet. Aber ich mache noch meinen Buch-Podcast weiter und produziere auch weiter Content. Da habe ich dann Kooperation mit Werbepartnern. Es macht mir aber auch einfach Spaß. Wir waren dieses Jahr zum Beispiel auf Deutschland-Tour mit unserem Podcast #Ausgelesen. Es nimmt mir aber auch den Druck, erfolgreich sein zu müssen mit meinen Büchern. Ich freue mich über den Erfolg, gehe aber auch nicht insolvent, wenn sie sich nicht mehr so gut verkaufen sollten.

Sie sprechen hier ihre Doppelrolle als Autorin und Content-Creatorin auf TikTok an, wo sie auch Bücher besprechen. Wie ist das Verhältnis dazwischen?

Ich versuche, nicht dazwischen zu unterscheiden. In meinen Videos kann es genauso um meine Bücher gehen, wie um Bücher, die ich empfehle oder auch um meinen Alltag als Autorin. Ich glaube, dieser Mix zeichnet mich einfach aus und auch ein Grund dafür, dass die Leute das so gerne gucken.

Wie produziert man ein erfolgreiches Video für BookTok auf TikTok?

Man braucht viel Erfahrung und Geduld. Außerdem muss man sich mit dem Video-Format auf TikTok wohlfühlen, damit man authentisch auftreten kann. Ein Konzept ist auch wichtig: Wer bin ich und wer will ich auf TikTok sein? Was kommt gut bei der Community an und welche Trends lasse ich auch mal liegen? All solche Fragen.

Wie wichtig ist diese Community für Sie?

Es ist sehr wichtig, zu interagieren, sowohl bei den Nachrichten als auch bei den Kommentaren, weil die Leute dadurch das Gefühl haben, dass ich ihnen auf Augenhöhe begegne. Ich stehe nicht über ihnen als Autorin, weil ich ja auch selbst Teil der Community bin. Es hat mir sehr geholfen, eine enge Community zu entwickeln, die mich mit meinen Büchern unterstützt.

Die Community auf BookTok besteht zu einem großen Teil aus Mädchen und jungen Frauen. Wie sehen Sie diese klaren Geschlechterverhältnisse?

BookTok ist ein Space, indem sich junge Frauen sehr wohl fühlen, weil sie wissen, sie werden nicht belächelt für das, was sie lesen. Wenn man hüpfend und kreischend über etwas reden möchte, muss man sich wohl fühlen. Und das ist auf TikTok so. Aber wir sind auch sehr offen. Es gibt auch Männer, die lesen und schreiben auf BookTok, aber das ist eher eine Seltenheit. Auf TikTok wird viel New Adult und Romance gelesen und das spricht eben eine primär weibliche Leserschaft an.

Was diese Community auch viel liest, ist sogenannte Dark Romance. Man begegnet in diesem Subgenre der Romanze viel brutalen Sexszenen, gar Vergewaltigungen, in denen Frauen die Opfer sind. Wie passt das zusammen?

Was ich wirklich kritisch sehe, ist, dass viele junge Mädchen aktuell auf den Dark-Romance-Trip aufspringen und Bücher lesen, in denen sexualisierte Gewalt romantisiert wird. Als junge Frau ist es schwer genug, sich selbst zu entdecken und seine Sexualität auszuleben. Wenn ich als 14-, 15-jährige ständig Bücher lese, in denen toxische Beziehungen romantisiert werden, wo ein „Nein“ kein Nein ist, sondern ein „Du musst nur lange genug warten, dann gefällt es dir schon“, dann macht es das noch schwerer. Eltern sind oft ahnungslos bei diesen Inhalten und freuen sich, wenn ihre Kinder Bücher lesen. Wenn ich das als deutlich erwachsenere Frau lese und vielleicht trennen kann, ist es nicht ganz so schlimm. Oder wenn diese Gewalt vorkommt, aber nicht romantisiert wird. Aber es gibt eben einschlägige Bücher, in denen ist es der Fall.

Ich denke: Du kannst lesen, was du möchtest, ob du es als Unterhaltung oder Flucht vor der Realität begreifst. Es gibt ja auch Studien, die zeigen, dass gerade Frauen an diesen Themen interessiert sind, weil sie primär die Opfer solcher Verbrechen sind und sich dort auf eine abgespacete Art gesehen fühlen. Oder auch wenn es um die Sexszenen geht, und man daran gewisse Kinks mag: You go, girl. Für mich ist das Alter eine ganz entscheidende Sache. Die wenigsten Bücher haben Altersempfehlungen oder -beschränkungen. Bei Filmen gibt es das, bei Büchern nicht.

Bewegen sich Leute auf BookTok auch über die Grenzen des Genres New Adult hinaus?

Ja, definitiv. Ich habe das Gefühl, viele fangen durch BookTok mit den typischen Büchern an und entwickelt sich dann eben weiter. So wie ich älter werde, wird die Community auch älter und wird dadurch andere Bücher konsumieren. Da sind zum Beispiel die Klassiker von Jane Austen oder Kafka, die schon vorkommen in der Community. Es gibt eine Ästhetisierung in diese Richtung, man zieht sich dunkel an, positioniert eine alte Schreibmaschine und dicke Bücher aus Leder in seinem Video. Ich habe keine Ahnung, ob die Bücher dann auch wirklich gelesen werden. Aber ich denke, die typischen Genres werden trotzdem noch eine Weile lang dominieren. Content, der sich nicht auf New Adult bezieht, geht meistens nicht so gut, da ist das Interesse noch nicht groß genug.

Sie berichten auf Instagram und TikTok live von der Buchmesse. In ihrer jüngsten Story haben Sie ironisch darauf hingewiesen, neben Denis Scheck im Buchregal zu stehen. Wie ist ihr Verhältnis zu Herrn Scheck?

Auf TikTok wissen schon alle Bescheid, dass ich eine Online-Fehde gegen ihn führe. Es fing letztes Jahr mit den TikTok Book Awards an. Er saß in der Jury, die die Shortlist zusammengestellt hat. Aus der Perspektive der Ausrichter kann ich das auch durchaus verstehen, einen etablierten Literaturkritiker für diese damals erste Ausgabe damit zu betrauen. Das Problem war aber, dass es eben um TikTok-Bücher ging, und das sind nun mal rosa Unterhaltungsbücher für Frauen. Die Shortlist bestand dann aber nur aus Büchern, die auf TikTok keine Relevanz haben. Darauf gab es einen großen Aufschrei in der Community, und auch ich habe mich zu Wort gemeldet. Denis Scheck hat dann in Interviews grundsätzlich den Community-Begriff auf Social Media infrage gestellt. Als Beleg hat er Social Media mit einem Telefonanschluss verglichen: Alle Menschen, die einen Anschluss besitzen, seien ja auch noch keine Community. Ich denke wir wissen alle, dass man Social Media nicht mit einem Telefonanschluss vergleichen kann. Ich finde, es ist Schwachsinn, Dinge aus einer Perspektive, die man offensichtlich nicht versteht, von oben herab zu beurteilen.

New-Adult-Bücher werden also offensichtlich von der etablierten Literaturkritik nicht ernst genommen. Stört Sie das?

Was wertvoll ist, entscheidet nur die Person, die das Buch liest. BookTok ist für viele, die noch nie ein Buch in der Hand gehalten haben, ein Einstieg. Außerdem sprechen viele New Adult Bücher wichtige Themen wie Erwachsenwerden, Selbstfindung und Mental Health an. Das ist super hilfreich, gerade für Personen in unserem Alter. Wenn das jetzt ein 60 Jahre alter Mann nicht verstehen kann, ist es nicht schlimm, für den schreiben wir ja auch gar nicht.

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