Alleinreisen auf dem Vormarsch: Neue Erkenntnisse aus der Reisebranche in Berlin – Wirtschaft | ABC-Z

Auf der weltweit größten Tourismusmesse, zu der sich die Reisebranche in dieser Woche in Berlin getroffen hat, konnte man sich an Tausenden Ständen im Gespräch mit Veranstaltern, Airlines, Flugsuchmaschinenbetreibern oder Mietwagenanbietern das Erfolgsgeheimnis der jeweiligen Firma erklären lassen. Dieses lässt sich – egal bei welcher Firma – so zusammenfassen: Man muss den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Eine Erkenntnis, die der seit zwanzig Jahren in der Touristik tätige neue Dertour-Chef Christoph Debus bei einem Bühnen-Interview zur Zukunft des Rewe-Reisekonzerns stolz gleich mehrmals kundgetan hat. Es ist eine Binsenweisheit, die mutmaßlich jeder Start-up Gründer in spe, der frisch von der Uni kommt, schon verinnerlicht haben dürfte, bevor sein Unternehmen eine eigene Steuernummer hat.
Um die Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, auch das ist keine neue Erkenntnis, ist es sinnvoll, möglichst viel über sie zu erfahren. Auf der konzerneigenen Pressekonferenz ließ Europas größter Reiseveranstalter Tui die Öffentlichkeit an den neuesten Erkenntnissen seiner touristischen Marktforschung teilhaben. Deutschlandchef Benjamin Jacobi verkündete zum Beispiel, dass mehr als die Hälfte von 2000 befragten Reisenden in Betracht ziehe, an Bord eines Flugzeugs eine Currywurst zu essen, und 14 Prozent ihre Koffer erst eine Woche nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub auspacken. Und dass man einen neuen Trend identifiziert habe: das Alleinreisen. Jeder neunte Tui-Reisende sei mittlerweile solo unterwegs.
Zu der Erkenntnis, dass viele Menschen allein Urlaub machen, kommt auch die Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), die älteste und umfangreichste jährliche Befragung zum Reiseverhalten der Deutschen. Demnach wurden im Reisejahr 2023 11,1 Prozent aller Urlaube (7,13 Millionen) von Alleinreisenden unternommen, im vergangenen Jahr ist der Anteil nur minimal gestiegen auf 11,2 Prozent beziehungsweise 7,63 Millionen. Da geht noch was, dürften sich die Reiseunternehmen denken, insbesondere wenn man bedenkt, dass der Anteil der Alleinlebenden in Deutschland weit über dem EU-Durchschnitt liegt. Im Schnitt wohnt hierzulande jeder Fünfte allein, in Großstädten wie Berlin und München liegt der Anteil sogar bei der Hälfte.
Die Kernzielgruppe ist eher etwas älter
Wer bei Alleinreisenden hauptsächlich an junge Menschen denkt, die den billigsten Flug nach Bangkok buchen, um sich mit dem Rucksack auf dem Rücken wochenlang durch Südostasien treiben zu lassen, ist einem Klischee aufgesessen. Alleinreisende gibt es in allen Altersgruppen. Die Frage nach dem Durchschnittsalter seiner Solo-Kundschaft konnte Tui nicht beantworten, verriet aber, dass sich viele über Facebookgruppen mit anderen Singles zum Cluburlaub verabreden. Das legt nahe, dass es sich bei der Kernzielgruppe um eine etwas ältere Klientel handelt, da Gen Z und Gen Alpha mit diesem Medium nichts mehr anfangen können.
Für die Reisebranche sind Alleinreisende eine besonders interessante Zielgruppe, weil sie nicht an Ferienzeiten gebunden sind. Wenn ihre Zahl weiter wächst, sorgt das dafür, dass Hotels auch in der Nebensaison gut gefüllt sind. Alleinreisende zahlen zudem meist höhere Durchschnittspreise pro Kopf als Gäste, die sich ein Doppel- oder Familienzimmer teilen. Egal, ob die Kreuzfahrtreederei Aida, der Studienreiseanbieter Studiosus oder eben die deutschen Pauschalreisekonzerne – sie alle hätten gern mehr von den Solo-Reisenden und werben mit Angeboten wie Einzelkabinen oder Gruppenreisen nur für Singles.
Die naheliegende, traurige Befürchtung, dass die Zielgruppe größtenteils aus Menschen bestehen könnte, die leider keine Freunde haben, scheint ein Trugschluss zu sein. Zumindest gibt Tui sich – vermutlich nicht ganz uneigennützig – Mühe, dieses Vorurteil zu entkräften. Nur vier Prozent seien allein unterwegs, weil sie keine Reisepartner haben, hätten sie bei der Befragung ihrer Kunden festgestellt. Etwa jeder Vierte bevorzuge diese Reiseform, um Zeit zu haben, sich mit einer persönlichen Herausforderung auseinanderzusetzen. Gut jeder Dritte schätze einfach die Unabhängigkeit. Bei der Wahl der Lieblingsreiseziele scheinen sich die Alleinreisenden nur wenig von Paaren oder Familien zu unterscheiden. Das absolute Lieblingsreiseziel ist Mallorca.