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Böllern an Silvester: Regeln und Verbote in Deutschland – Stil | ABC-Z

Zu Beginn ein Gedankenexperiment, um zu verstehen, wie besonders die beiden Tage rund um Silvester im juristischen Sinne sind: Man stelle sich einmal vor, es gäbe ein Gesetz, das erwachsenen Menschen das Autofahren ohne Führerschein an genau zwei Tagen im Jahr ausdrücklich erlaubt. Und dabei ist es auch noch völlig egal, dass die Führerscheinlosen ausgerechnet an diesen beiden Tagen erfahrungsgemäß besonders viel Alkohol im Blut haben. Ungefähr nach dieser Logik funktioniert das deutsche Sprengstoffgesetz.

Dort ist festgelegt, dass Feuerwerkskörper der „Kategorie 2“, also etwa Raketen, Feuerwerksbatterien und Böller, an 363 Tagen im Jahr ausschließlich von Menschen abgebrannt werden dürfen, die eine entsprechende Erlaubnis haben. Jedoch: „Am 31. Dezember und 1. Januar dürfen sie auch von Personen abgebrannt werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben“, heißt es in der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV, Paragraf 23)

Der promovierte Rechtsanwalt und Experte für Verwaltungsrecht Malte Brix aus Berlin sagt, einen solchen „Freifahrtschein“ kenne das deutsche Recht ansonsten nicht. Es sei geradezu beeindruckend, wie diese sehr spezielle Ausnahmeregelung den „wahnsinnig gestiegenen Brandschutz- und Sicherheitsanforderungen“ der jüngeren Vergangenheit getrotzt habe. Zwar wird der Ruf nach einem umfassenden Böllerverbot im Privatbereich lauter. Eine Petition der Gewerkschaft der Polizei Berlin mit circa 2,3 Millionen Unterstützern (Bundesweites Böllerverbot, jetzt!) zeigte allerdings bislang keinen nennenswerten Effekt. Entsprechende Appelle von Umwelt- und Tierschützern sind ohnehin seit Jahren weitgehend wirkungslos.

Deutschland, der Regulierungsweltmeister? Nicht beim Böllern! Wobei, einige Regeln gibt es natürlich auch an Silvester. Für alle, die auf ihrer privaten Silvesterparty ein Feuerwerk zünden wollen, lohnt ein Anruf beim Ordnungsamt. Denn: „Kommunen können eigene Verordnungen erlassen“, erklärt Brix. So haben etwa mehrere Berliner Bezirke gerade erst entschieden, dass bei ihnen in diesem Jahr nur von 18 Uhr am 31. Dezember bis sieben Uhr am 1. Januar geböllert werden darf – und nicht, wie es nach dem Sprengstoffgesetz möglich wäre, 48 Stunden am Stück.

Auch die sogenannten „Böllerverbotszonen“ können sich regional unterscheiden. Bundesweit verboten sind Feuerwerke zwar nur „in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie neben leicht brennbaren Gebäuden oder Anlagen“, wie es in dem Gesetz heißt. Doch zum Beispiel auf Sylt und Amrum sind private Feuerwerke bereits seit mehr als 40 Jahren gänzlich untersagt. Auch die Insel Föhr im Kreis Nordfriesland ist diesen Schritt im Jahr 2025 gegangen. Zumindest auf dem Festland aber gibt es solche generellen Verbote so gut wie nirgends.

Also: Lebt man weder auf einer Insel noch in direkter Nachbarschaft eines Pflegeheims oder Gotteshauses, darf man vor seinem Haus und im Garten unter bestimmten Voraussetzungen böllern; auf dem Balkon ist das jedoch streng verboten. Wenn man sich nicht daran hält, können Bußgelder in Höhe von mehreren Tausend Euro fällig werden. Wer zu Silvester Knallkörper zünden will, dem sei allerdings dringend der Erwerb von Feuerwerkskörpern empfohlen, die in Deutschland zugelassen sind. Auch beim Kauf im Ausland sollte man auf das entsprechende CE-Zertifikat achten. Ansonsten droht womöglich sogar Gefängnis.

Kürzlich bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Berliner Landgerichts, das einen Mann wegen eines „außer Kontrolle geratenen privaten Feuerwerks“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt hat. Bei jenem privaten Feuerwerk an Silvester 2021/2022 wurden laut der Pressemitteilung des BGH illegale Feuerwerkskörper verwendet, die sich der Täter aus Polen hatte liefern lassen. Darunter waren auch sogenannte Kugelbomben, die in Deutschland selbst an Silvester verboten sind (Az. 5 StR 406/24). Weil der Mann diese vor dem Anzünden auch noch völlig unzureichend befestigte, kippte die „Abschusskiste“ während des Feuerwerks um, „sodass die Abschussrohre auf die Zuschauer wiesen“, heißt es in der Pressemitteilung. Die Druckwelle und herumfliegende Teile hätten daraufhin zu „teils erheblichen Verletzungen“ bei zwölf Menschen geführt.

Ungefährlich ist freilich auch die legale Böllerei nicht, jährlich werden Hunderte Menschen in Notaufnahmen eingeliefert, nicht selten mit weniger Fingern als noch vor dem Silvesterabend. Wer ein solches Risiko lieber nicht eingehen möchte, könnte stattdessen beispielsweise zur guten alten Wunderkerze greifen. Die darf man an jedem Tag im Jahr abbrennen.

Silvester verbringt der Autor in Norwegen. Dort sind private Feuerwerke streng reglementiert.
Silvester verbringt der Autor in Norwegen. Dort sind private Feuerwerke streng reglementiert. (Foto: Bernd Schifferdecker)
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