BMW Open: Das deutsche Tennistalent Diego Dedura-Palomero bietet ein Spektakel – Sport | ABC-Z

Am Montagnachmittag stand Michael Kohlmann auf dem Schotterweg vor dem Klubhaus des MTTC Iphitos, als ihn plötzlich etwas Wuscheliges ansprang. „Ich bin drin, ich bin drin“, rief Diego Dedura-Palomero, der seit einer verlorenen Wette eine bemerkenswert mutige wasserstoffblonde Mähne trägt. Er streckte die Hand aus, damit ihn Kohlmann abklatschen konnte, und das tat der Bundestrainer der deutschen Tennismänner natürlich gerne. Kurz zuvor hatte der Franzose Gaël Monfils seinen Start aufgrund einer Verletzung zurückgezogen, es ist ohnehin ein eigenwilliges Turnier, denn neun der 32 vorgesehenen Spieler des Hauptfeldes konnten aus verschiedenen Gründen nicht antreten. Sagenhafte fünf Lucky Loser, Profis, die in der Qualifikation gescheitert waren, rückten auf diese Weise ins Tableau. Und Dedura-Palomero, im Dezember erst 17 Jahre alt geworden, ein Berliner, der Vater aus Chile, die Mutter aus Litauen, stand so auf einmal vor seinem ersten Match in der ersten Runde eines ATP-Turniers.
Die Geschichte war da bereits eine gute, in der ersten Qualifikationsrunde hatte der junge Deutsche den Amerikaner Mackenzie McDonald besiegt, die Nummer 100 der Weltrangliste. Dedura-Palomero ist auf Platz 549 geführt und spielte zuletzt Challenger- und ITF-Turniere unterhalb der ATP Tour. Dann verlor er gegen den erfahrenen Kasachen Alexander Bublik und war erst mal draußen, ehe Monfils ihm ein zweites Turnierleben schenkte.
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Dedura-Palomeros Geschichte wurde aber noch besser. Er nutzte diese Chance, und das auf eine spektakuläre Art, wie man sie lange nicht bei einem Talent des DTB gesehen hat.
Gegen den Kanadier Denis Shapovalov, 29. im ATP-Ranking, spielte Dedura-Palomero nicht nur brav mit, er agierte frech, forsch und selbstbewusst. Mit seiner Vorhand, die erstaunlich an die seines Vorbildes Rafael Nadal erinnert, wagte der Linkshänder Schüsse. Mit rudernden Armen forderte er die Zuschauer im neuen, riesigen Stadion der BMW Open auf, ihn anzufeuern. Die Nummer hat er auch drauf. Als er den ersten Satz im Tiebreak gewann, wurde es sehr laut, als dann Shapovalov beim Stand von 6:7 (2) und 0:3 angeschlagen aufgab, hatte Dedura-Palomero, der als eine der größten Begabungen des Jahrgangs 2008 gilt, wirklich sein erstes ATP-Match gewonnen.
In der Weltrangliste springt er mindestens mehr als 170 Plätze nach vorn auf Rang 376
Er ist der erste Spieler dieses Jahrgangs auf der ATP Tour. Schon im vergangenen Jahr war er der Erste, der 2008 geboren wurde und ein Match auf der Challenger Tour gewann. Dass die jugendlichen Emotionen ihn überkamen, konnten die Zuschauer nach dem Sieg sehen. Dedura-Palomero, der sehr gläubig ist, zeichnete mit der Schuhsohle ein Kreuz auf den Sandbelag an der Grundlinie und legte sich rücklings drauf. Anschließend formte er seine Hände zu einem Herz und hielt es den applaudierenden Zuschauern entgegen.
„Ich kann es nicht glauben, ich kann es nicht in Worte fassen“, sagte Dedura-Palomero danach in einem Interview mit der ATP, er sprach in bestem Englisch und so schnell, wie seine Beine vorher geflitzt waren. Vier Sprachen spricht er: „Ich sagte mir, geh raus und hab Spaß, genieße das Publikum und zeige dein bestes Tennis.“ Er dankte seiner Mutter, die zu Hause geblieben war, er sei „superhappy“. Nervös sei er gewesen, gab Dedura-Palomero zu, „aber nach außen bleibst du natürlich ruhig“. Diesen Bluff hat er sich sicherlich von Nadal abgeschaut, mit dem 22-maligen Grand-Slam-Sieger, inzwischen im Tennisruhestand, hat er schon trainiert, in dessen Akademie auf Mallorca.

Gut 20 000 Euro Preisgeld hatte er vorher in seiner jungen Karriere erspielt, nun sind ihm schon 36 560 Euro sicher. In der Weltrangliste springt er mindestens mehr als 170 Plätze nach vorn auf Rang 376. „Es ist so verrückt“, sagte Dedura-Palomero, der von seinen Eltern, beide Tennistrainer, angeleitet wird. Der frühere Profi Philipp Petzschner kümmert sich als Jugendbundestrainer beim DTB um ihn. In der zweiten Runde trifft Dedura-Palomero auf den Belgier Zizou Bergs. Ob er von weiteren Siegen träume? „Das ist zu weit gedacht“, sagte er zackig, „ich kann gegen diese Jungs noch nicht regelmäßig gewinnen.“
Lob erhielt Diego Dedura-Palomero, der bei Tennisinsidern DDP genannt wird, auch von Jan-Lennard Struff. Vor zwei Jahren habe er mit Dedura-Palomero einmal trainiert, sagte der gestandene 33-jährige Profi, „da war ich begeistert von der Intensität, die er spielt“. Fürsorglich sprach Struff nur aus: „Ich wünsche den Jungs, dass sie mit Ruhe und Geduld arbeiten können.“ Er bezog den 17 Jahre alten Justin Engel aus Nürnberg in seine kurze Erklärung mit ein, das bayerische Talent durfte am Dienstag dank einer Wildcard ebenfalls im Hauptfeld spielen. Engel schlug sich im ersten Satz achtbar, verlor aber 4:6, 1:6 gegen den Ungarn Fabian Marozsan. Trotzdem strahlte Engel später, „es war eine Supererfahrung“, sagte er. „So ist das im Tennis, mal gewinnt man, mal verliert man.“
Ein weiser Satz, der auch auf Struff zutraf. Im vergangenen Jahr hatte der Warsteiner ja die BMW Open und damit erstmals ein ATP-Turnier gewonnen. Nun verlor er 0:6, 2:6 gegen den Argentinier Francisco Cerundolo in nicht mal einer Stunde, in dieser Saison läuft es nicht gut für ihn. „Im Training kriege ich es hin, aber sobald ich auf dem Platz bin, ist es, als ob der Stecker gezogen ist“, gestand er. „Das Selbstvertrauen ist nicht da, null, sieht man ja. Ich muss versuchen, mich da rauszuziehen, aber das wird nicht leicht.“ Zumal jetzt die Turniere in Madrid, Rom und Paris kommen. Einen tollen Erfolg feierte dagegen der 33 Jahre alte Karlsruher Yannick Hanfmann, der den starken Tschechen Jakub Mensik 7:6 (4), 4:6, 6:3 besiegte. Mensik, 19, hatte im März das Masters-Turnier in Miami gewonnen und dabei im Finale Novak Djokovic bezwungen.