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Blutvergiftung: Sepsis erkennen und schnell behandeln | ABC-Z

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Sepsis: Eine frühe Erkennung kann Leben retten (7 Min)

Stand: 12.09.2025 13:04 Uhr
| vom

Eine Sepsis ist ein akuter Notfall. Auslöser können eine Wunde oder eine Infektion im Körper sein. Gelangen Bakterien in den Blutkreislauf, kann sich daraus eine lebensgefährliche Blutvergiftung entwickeln.

Pro Jahr erkranken in Deutschland nach Angaben des Aktionsbündnisses “Deutschland erkennt Sepsis” mindestens 230.000 Menschen an den Folgen einer sogenannten Blutvergiftung, alle sechs Minuten stirbt ein Mensch daran. Damit ist Sepsis hierzulande eine der häufigsten Todesursachen.

Ein vereiterter Zahn, ein Infekt mit Husten oder eine Wunde an der Hand genügen: Gelangen Bakterien in den Blutkreislauf, kann sich binnen weniger Stunden eine lebensgefährliche Blutvergiftung entwickeln.

Symptome einer Blutvergiftung sind unspezifisch

Schnelle Atmung, schneller Puls, Fieberschübe, Ganzkörperschmerzen, ein zu niedriger Blutdruck und erhöhte Entzündungswerte im Blut – das sind oft typische Zeichen einer Sepsis. Trotz ihrer Gefährlichkeit wird eine Sepsis oft nicht oder zu spät erkannt, denn die Symptome können auch Anzeichen anderer Erkrankungen, zum Beispiel einer Grippe, sein. In etwa zwölf Prozent der Fälle treten auch gar keine typischen Symptome auf. Vor allem bei älteren Menschen werden Anzeichen wie Verwirrtheit, Fieber und Störungen der Organfunktion zudem häufig zunächst übersehen oder fehlgedeutet.

Das Sterberisiko ist hoch: Warum wird eine Sepsis oft zu spät erkannt? Auf welche Symptome sollte man achten? Prof. Jan Heyckendorf informiert.

Verwirrtheit ist ein Alarmzeichen – Notarzt unter 112 anfordern

Klagt ein Betroffener über schwerstes Krankheitsgefühl, entwickelt er Fieber, atmet er schnell und macht er dabei einen verwirrten Eindruck, sind das eindeutige Alarmzeichen für eine Sepsis. Entscheidend ist die plötzliche Verwirrtheit, die bei anderen schweren Infektionen wie einer Grippe nicht auftritt. In diesem Fall ist keine Zeit zu verlieren, denn es droht ein Organversagen. Unter 112 muss sofort der Notarzt alarmiert werden.

Dass man eine Blutvergiftung an einem blauen oder roten Strich von einer Wunde zum Herzen erkennen könne, ist ein Irrglaube. Ein solcher Strich ist vielmehr ein Symptom entzündeter Lymphbahnen. Auch das sollte bei einem Arzt abgeklärt werden, denn unbehandelt kann sich daraus ebenfalls eine Blutvergiftung entwickeln.

Wer hat ein erhöhtes Risiko?

Ab einem Alter von 50 Jahren steigt die Gefahr, eine Sepsis zu erleiden – ältere Menschen ab etwa 75 Jahren, Menschen ohne Milz und Immunsupprimierte haben aufgrund eines schwachen Immunsystems ein erhöhtes Risiko. Diabetiker sind ebenfalls besonders gefährdet und sollten ihren Blutzucker gut einstellen. Für sie alle ist es wichtig, sich impfen zu lassen – zum Beispiel gegen Grippe, Erreger der Lungenentzündung und auch gegen das Coronavirus.

Was passiert bei einer Sepsis?

Eine Sepsis beginnt immer mit einer Infektion, zum Beispiel einer eitrigen Wunde, einer Zahnwurzel-, Harnwegs-, oder Nasennebenhöhlenentzündung, einer Gallenblasen- oder Lungenentzündung, einem geplatzten Blinddarm oder Magen-Darm-Erkrankungen. Auch nach Operationen und anderen medizinischen Eingriffen, wie dem Legen eines Dauerkatheters, kann es zu einer Sepsis kommen, wenn dabei Erreger in die Blutbahn gelangen.

In der Regel gelingt es dem Immunsystem, Erreger erfolgreich zu bekämpfen. Bei einer Sepsis aber gerät die Lage außer Kontrolle: Die Krankheitserreger und von ihnen produzierte Giftstoffe verteilen sich über die Blutbahn und das Immunsystem reagiert darauf mit einer heftigen Entzündung im ganzen Körper.

Die weißen Blutkörperchen setzen Gifte und Botenstoffe frei, die die Erreger bekämpfen, aber auch kleine Blutgefäße schädigen und regelrecht durchlöchern. Große Mengen Flüssigkeit gelangen so ins Gewebe, die Blutgerinnung gerät außer Kontrolle und immer mehr winzige Blutgerinnsel verstopfen die Gefäße im ganzen Körper. Im weiteren Verlauf kommt es durch den resultierenden Sauerstoffmangel oft zu lebensbedrohlichen Störungen der Organfunktionen – bis hin zum sogenannten septischen Schock.

Fast jeder dritte Betroffene überlebt nicht

Auch wenn Intensivmediziner durch Beatmung, Blutwäsche, Kreislaufunterstützung, Gerinnungstherapie und künstliches Koma viele Organfunktionen vorübergehend ersetzen oder unterstützen können, ist die Sepsis eine sehr schwere Erkrankung, die fast jeder dritte Betroffene trotz maximaler Therapie nicht überlebt.

Bei einem septischen Schock stirbt sogar jeder Zweite. Da die Überlebenschance vor allem davon abhängt, wie frühzeitig die richtige Therapie eingeleitet wird, sollte eine Sepsis niemals verschleppt werden. Treten im Verlauf einer Infektionskrankheit plötzlich Symptome wie Kurzatmigkeit, Herzrasen, Wahrnehmungs- oder Gedächtnisstörungen auf, ist das ein dringender Notfall, der im Krankenhaus abgeklärt werden muss.

Behandlung mit Breitbandantibiotika

Um den Krankheitserreger zu identifizieren, nehmen Ärzte vor Therapiebeginn Blut ab und versuchen, die Keime im Brutschrank zu vermehren. Dann lässt sich besser bestimmen, um welchen Erreger es sich genau handelt und wie er am besten zu behandeln ist. Aber nur in 30 bis 40 Prozent der Fälle lässt sich der Erreger überhaupt genau ermitteln.

Bisher stehen nur wenige Medikamente zur Verfügung, die das Fortschreiten der Sepsis so lange aufhalten, bis die Keime identifiziert werden und die passenden Antibiotika gegeben werden können. Schon bevor die Ergebnisse vorliegen, wird deshalb meist auf Verdacht mit Breitbandantibiotika behandelt, die gegen viele verschiedene Keime wirken.

Je früher die Therapie beginnt, desto höher ist die Überlebenschance. In der ersten Stunde beträgt sie noch 80 Prozent. Mit jeder Stunde sinkt die Überlebenschance jedoch und es steigt die Möglichkeit des Organversagens oder dass Arme, Beine und Finger absterben.

Spätfolgen: Post-Sepsis-Syndrom

Überlebende leiden oft an Spätfolgen einer Sepsis, dem sogenannten Post-Sepsis-Syndrom. Viele Betroffene, die eine Sepsis überstanden haben, brauchen lange, um sich zu erholen. Für jeden Tag Intensivtherapie rechnen Experten eine Woche Erholung. Und: Viele Betroffene leiden auch noch nach Jahren unter den Spätfolgen: Chronische Erschöpfung, Appetitlosigkeit, posttraumatische Belastungsstörung, Bewegungseinschränkungen und kognitive Defizite sind typisch. Auch Organschäden und Durchblutungsstörungen oder gar Verlust von Extremitäten können die Folge sein.

Sepsis: Hohe Sterblichkeit in Deutschland

Im Vergleich zu Ländern wie USA, Australien oder Großbritannien ist die Sterblichkeit bei einer Sepsis in Deutschland wesentlich höher. Expertinnen und Experten fordern deshalb mehr Impfungen (vor allem gegen Pneumokokken, jährliche Corona- und Grippeschutzimpfungen), eine Reduzierung von vermeidbaren Krankenhausinfektionen, eine bessere Aufklärung in der Bevölkerung und eine bessere Früherkennung. Um die Überlebenschancen der Betroffenen zu steigern, sollten Ärzte und Pflegepersonal fachübergreifend die einzuleitenden Schritte auch regelmäßig trainieren.

Schnelltest identifiziert Keime

In Jena haben Ärzte und Naturwissenschaftler einen Chip entwickelt, der innerhalb von drei bis vier Stunden den für die Sepsis verantwortlichen Keim entlarven und sogar zeigen kann, ob dieser gegen bestimmte Antibiotika resistent ist oder nicht. Mit den üblichen Laborverfahren liegen diese Informationen erst nach 24 oder 48 Stunden vor. Der damit erreichbare Zeitgewinn würde die Überlebenschance der Betroffenen deutlich erhöhen. Bis die Neuerung tatsächlich im medizinischen Alltag ankommen wird, werden aber wohl noch ein paar Jahre vergehen.

Sepsis-Früherkennung: Einsatz von KI wird getestet

Um Menschen vor einer Sepsis zu bewahren, wird auch Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt. Am Uniklinikum Greifswald misst beispielsweise eine KI mittels eines Trackers am Handgelenk von frisch operierten Patienten rund um die Uhr Vitalwerte wie Atem- und Herzfrequenz, Temperatur, Sauerstoffsättigung und Blutdruck. Fallen Werte ab, wird eine Ärztin oder ein Arzt übers Handy alarmiert und kann die Patientin oder den Patienten sofort behandeln. Noch läuft die Anwendung in einer Studie.

Software MAIA unterstützt Mediziner am UKSH

Auch am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel und Lübeck hilft eine KI. Das UKSH hat Anfang des Jahres als erstes Krankenhaus in Deutschland die Software MAIA (Medical Artificial Intelligence Assistant) eingeführt. Die Anwendung greift auf alle Daten von Patientinnen und Patienten zu, die im Krankenhaus angelegt werden – Befunde, Blutwerte, Vitalparameter. MAIA vergleicht die aktuellen Informationen laufend mit Millionen anonymisierten Datensätzen ehemaliger Patientinnen und Patienten und schlägt Alarm, wenn sie erkennt, dass eine Sepsis oder eine andere Komplikation droht.

Experten aus dem Beitrag

PD Dr. Matthias Gründling (Universitätsmedizin Greifswald), Andreas Schössow (Leiter Rettungsdienst ASB Vorpommern Greifswald), Landrat Michael Sack, Prof. Dr. Timm Laslo (Leiter Eigenbetrieb Rettungsdienst LK V-G)

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