“Blood & Sinners”: Der Teufel müsste ein Verbündeter sein | ABC-Z

Christliche Moralwächter haben schon dem Blues,
dem Rock’n’Roll und schließlich auch dem Hip-Hop vorgeworfen, Teufelsmusik zu
sein. Ein Grund dafür könnte sein: All diese Musikstile lassen sich zu den Gesängen
Schwarzer Sklaven auf amerikanischen Baumwollplantagen zurückverfolgen. Sie sind
somit ein identitätsstiftendes Symbol des Widerstands gegen Kontrolle und
Unterdrückung. Ryan Coogler, seit Black Panther einer der prominentesten
Regisseure, die Schwarze Figuren und deren Geschichten in große Kinosäle tragen,
macht diese Traditionslinie in seinem neuen Film deutlich. In einer Schlüsselszene
durchbricht die widerständige Kraft der Musik die Grenzen von Raum und Zeit: In einem Holzschuppen im Mississippi der 1930er-Jahre treffen westafrikanische
Trommelgruppen, Blueskünstler, E-Gitarristen und Hip-Hop-Crews aufeinander, um
gemeinsam zu feiern.
Dort in Mississippi, zwischen Baumwollplantagen,
und etwa zu dieser Zeit soll einer Legende nach der Bluesmusiker Robert
Johnson den Satan getroffen und im Tausch gegen seine Seele besondere musikalische Fähigkeiten erlangt haben. In der Welt des Films ist
das plausibel, denn Blood & Sinners ist ein Horrorfilm und flirtet
selbst mit dem Jenseits: Schon in der westafrikanischen Folklore gebe es den
Glauben, Volkssänger könnten durch eine besonders authentische Performance Geister
rufen, sagt während des
Vorspanns die Schauspielerin Wunmi Mosaku aus dem Off. Sie tritt später als Ms.
Annie auf, eine Figur, die Hoodoo praktiziert, eine spirituelle Praxis abseits
des Christentums, die Sklaven entwickelten. Denn auch alles Unchristliche ist
ein Akt des Widerstands: Die Religion sei ihnen einst von den Sklavenhaltern
aufgezwungen worden, sagt im Film der ältere Bluesmusiker Delta Slim (Delroy
Lindo) zum Jungtalent Sammie (Miles Caton). Der Blues dagegen sei ihr Eigen.
Teufelsmusik? Sei’s drum. Der Teufel müsste für diese Figuren eigentlich ein
Verbündeter sein.
Zunächst kommt Blood & Sinners aber
wie ein Gangsterfilm daher. Michael B. Jordan, der in allen Filmen von Ryan
Coogler mitgespielt hat, tritt diesmal gleich doppelt auf: als Zwillingsbrüder
Smoke und Stack. Die kehren aus Chicago, wo sie für Mobster Al Capone
gearbeitet haben, in ihre Heimat in den Südstaaten zurück. Ihr Plan: vom
ergaunerten Geld eine alte Mühle kaufen und sie in einen ertragreichen Nachtclub
verwandeln. Die beiden glauben nicht an Magie, sondern an die Macht
des Geldes – auch wenn sie darüber streiten, ob sie ihren Schwarzen Mitmenschen mit diesem Club einen sicheren Hafen bieten oder doch lieber möglichst viel an ihnen verdienen wollen.
Diesen sicheren Hafen könnten die Menschen jedenfalls gut gebrauchen. Sie sind von der Arbeit erschöpft: Immer wieder zeigt Ryan Coogler die mit
viel Geschichte und Bedeutung aufgeladenen Baumwollfelder. Und in dieser Gegend geben sich Rassisten und andere unheilvolle Gestalten die Klinke in die Hand. “Den
Klan gibt es doch nicht mehr”, sagt
der weiße Mann, der ihnen die Mühle verkauft, als die Brüder misstrauisch nach dem Ku-Klux-Klan fragen.
Eine Lüge: Nur ein paar Hausnummern weiter steht eine spitze weiße Kapuze auf
einer Kommode. Und ausgerechnet dort klopft bald ein Vampir an die Holztür und
bittet um Einlass.
Die Ereignisse des Films spielen an einem
einzigen Tag und in einer einzigen Nacht: Den Tag über treffen Smoke und Stack
alte Weggefährten, die sie für die Tür, die Bar oder fürs Unterhaltungsprogramm
anheuern. Allen voran ihren Cousin Sammie, Sohn eines Priesters, der mit seinem
Bluestalent den Laden vollmachen soll. So wächst die Krisengemeinschaft, die
sich abends in der alten Mühle verbarrikadieren wird. Denn die
Vampire, nun schon in ihrer Zahl gewachsen, stören die Eröffnungsparty. Dann wirft
der Film den Brüdern ihren quasireligiösen Glauben ans Geld vor die Füße: Geld
interessiert Vampire herzlich wenig. Aber auch die Idee, in dieser gefährlichen
Gegend eine Art Safe Space zu schaffen, ist gescheitert.