Welche Rolle spielt der Tod in unserem Leben? – Gesellschaft | ABC-Z
Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der „Süddeutschen Zeitung“, der jeden Freitagabend verschickt wird. Hier können Sie ihn abonnieren.
Liebe Leserin, lieber Leser,
es soll ja Menschen geben, die gerne auf Friedhöfe gehen. Wegen der Ruhe, vielleicht auch als Ermahnung an einen selbst, dass es jeden irgendwann erwischt. Mein Kollege Detlef Esslinger ist so jemand. Darüber hat er diesen tollen Text geschrieben, der im besten Sinn nachdenklich und heiter zugleich ist (SZ Plus).
Detlef schreibt: „Wenn es irgendwie geht, fahre ich zu fast jeder Beerdigung im Familien-, Freundes-, Kollegenkreis. München, Berlin, ein Dorf bei Hildesheim, dessen Name mir nicht mehr einfällt, Maastricht, Altötting, Gröbenzell, Madrid, Bitburg (wo ich herkomme), Bonn, Bad Feilnbach, Los Angeles, Bernkastel-Kues, Starnberg und so weiter.“
Bei der letzten Beerdigung, auf der ich war, wurde der Vater eines guten Freundes beigesetzt. Auf dem Grabstein steht auch schon der Name seiner Mutter und der seines kleinen Bruders. Mein Freund ist der letzte Überlebende seiner Kernfamilie. Mit Anfang dreißig.
Ich musste an ihn denken, als ich kürzlich für eine Recherche an einem Grab an der deutsch-französischen Grenze stand. Hier liegt ein kleiner Junge, ein Säugling, der vor zwölf Jahren tot in einem Gebüsch gefunden wurde. Kein Name, keine Angehörigen. Nur ein Ehepaar, dem der Junge bis heute nicht aus dem Kopf geht.
Heike und Alois Hector heißen die beiden. Sie sind mit der Zeit in die Rolle der Hinterbliebenen gerutscht, kümmern sich auch jetzt noch um das Grab. Ihr Engagement finden aber nicht alle gut. Auch darum geht es in meinem Porträt (SZ Plus). Mich hat vor allem beeindruckt, mit welcher Leidenschaft sie sich seit mehr als zehn Jahren für ein Kind einsetzen, das sie gar nicht kannten. Und wenn die beiden mal nicht mehr sind? Dann übernimmt ihr Sohn, das hat er ihnen schon versprochen.
Ein schönes Wochenende wünscht
Julian Gerstner
