Bilanz nach 100 Tagen: Verfolgen Kanzler und Bundesregierung eine große Idee? – Kultur | ABC-Z

Hundert Tage Kanzler Merz – das bietet Anlass für viele kleinteilige Meckereien. Die grundlegende Dimension der Krise unserer Demokratie ist damit aber nicht beschrieben. Sie hat mit mangelnder Vorstellungskraft zu tun.
Zehn Menschen haben in dieser Republik bislang das Amt des Bundeskanzlers ausgeübt und sind, wenn es gut lief, mit einer großen Rede, einer Initiative oder auch nur mit einem Spruch in Erinnerung geblieben. Ein paar sind mehr oder weniger vergessen, waren es schon während ihrer Amtszeit. Manchmal war es die Zeit nach dem Ausscheiden, die ihren Ruf beschädigte, das wäre bei Gerhard Schröder und Helmut Kohl anzumerken. Oder, im Gegenteil: sie wurden als Politpensionäre erst richtig Kult – bei Willy Brandt und Helmut Schmidt war das so. Kohl und Brandt skizzierten zu Beginn ihrer Regierungszeit ambitionierte Programme, die auch die Kultur des Miteinanders verändern sollten. Brandt wollte mehr Demokratie wagen und Kohl eine geistig-moralische Wende. Daraus wurde nur zum Teil etwas, denn die Macht in Deutschland ist aus den bekannten historischen Gründen differenziert, regionalisiert, verrechtlicht und noch auf zig anderen Wegen gehemmt. Durchregieren kann hier niemand. Damals polarisierten diese Absichten, heute möchte man eher anerkennen, dass es überhaupt versucht wurde.