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Bienen mögen keine Ecken. Ein Imker baut deshalb runde Rahmen – Dachau | ABC-Z

Warum bauen die Bienen nicht in die Ecken? Die Frage stellt sich Andreas Heidinger bald, als er vor gut 20 Jahren beginnt, sich mit Bienen zu beschäftigen. Und weil der heute 61-Jährige Modellschreiner gelernt hat, dann Gießereitechnik und später in Qualitätssicherung und Konstruktionsberatung tätig war, geht er mit einem speziellen Blick an die Sache heran.

Bienen mögen es warm im Stock. Sobald Brut da ist, braucht es 35 Grad. Die Wärme erzeugen sie selbst, mit Bewegungen ihrer Flugmuskeln. Das kostet Kraft, die mit Nahrung ausgeglichen wird, für Imker also geringeren Honigertrag und Mehrkosten für Zucker als Ersatzfutter bedeutet. Schnell machte Heidinger Kältebrücken in den Ecken der Rahmen aus, in die Bienen die Waben für Brut und Honig bauen. Diese Ecken hat aus Gründen leichterer Bewirtschaftung der Mensch für Bienen erfunden, in der Natur bauen sie rund oder tropfenförmig.

Ganze Ordner hat Heidinger mit Messungen und Simulationen gefüllt, dann war klar: Die Ecken müssen weg. Doch so einfach war es nicht. Ganze zehn Jahre vergingen, bis die erste Bienenkugel fertig war. Sie hatte runde Holzrahmen, an den Enden kleinere, zur Mitte hin größer werdend. Doch es gab diverse Probleme, Weiterentwicklungen folgten. Schließlich bestätigte sich Heidingers Theorie: „Die Bienen in den Kugeln haben weniger Heizmaterial gebraucht und sie waren sehr entspannt, nicht mehr so aggressiv.“

Mit der Zeit wurde aus der Bienenkugel ein Zylinder in rücken-schonender Höhe. Heidinger besuchte Imkerkongresse, hielt Vorträge. 2013 lud ihn die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ein, in einem Studienprojekt wurde die Bienenkugel mit eckigen Beuten, so heißen Bienenbehausungen, verglichen. Das Ergebnis: Die Bienen in den Kugeln verbrauchten rund die Hälfte weniger Heizenergie, gemessen in Honigverbrauch.

Eines der ersten Bienenkugel-Modelle von Imker Andreas Heidinger, der gerne die Imkerei revolutionieren würde. (Foto: Alexandra Vettori)

Ein weiterer Vorteil sind konstantere Temperaturen in den Kugeln. So entsteht weniger Kondenswasser, die Gefahr von Schimmelbildung ist geringer.  Gleichmäßige Temperaturen, sagt Heidinger, bedeuten auch weniger Drohnenbrut und damit weniger Varroamilben, weil die sich in deren Zellen besonders vermehren.

Mit den Bienen habe sich sein Blick auf die Natur verändert, erzählt Heidinger in seinem essbaren Bienenwald im westlichen Landkreis Dachau. Schon vor 20 Jahren hat er die Streuobstwiese gekauft und bienenfreundlich angereichert, mit Maronibäumen, Brombeeren, Blumen und Totholz. „Was blüht? Gibt es genügend Futter?“ Oder, wie er mit Blick auf die Felder ringsum fragt: „Was blüht nicht?“ Jetzt im Hochsommer? Eigentlich böten da Disteln oder Kornblumen Nektar und Pollen, doch die werden in der modernen Landwirtschaft mit Pestiziden bekämpft. Imker müssen deshalb oft schon im August Zucker zufüttern.

Die Weiterentwicklung sieht aus wie ein Zylinder,  bietet mehr Raum, hat eine Wärmeisolierung aus Holzwolle und abtrennbare Bereiche.
Die Weiterentwicklung sieht aus wie ein Zylinder,  bietet mehr Raum, hat eine Wärmeisolierung aus Holzwolle und abtrennbare Bereiche. (Foto: Johannes Simon)

Kritik übt Heidinger trotzdem nicht, „das sind Analysen. Ich stecke keine Energie in kontra, nur in pro“. Also schlägt er bienenfreundliche Wälder vor, die durch den Honig schon Ertrag vor der Holzernte erbringen, ebenso Blühstreifen an Feldern, nicht nur für die Förderung einen Sommer lang. Früher hatten viele Bauernhöfe Bienenstöcke, warum heute nicht mehr? Und wenn nicht selbst, dann über Kooperationen.

Hätten Landwirte finanzielle Vorteile durch die Insekten, ist Heidinger überzeugt, wäre deren Erhalt gesichert. „Das ist nachhaltiges Denken“, sagt er. Dafür wirbt er, das will er erreichen, wenn er ehrenamtlich im Bienen-Infogarten im Dachauer Schlosspark Kindergartengruppen oder interessierten Erwachsenen Einblicke in die Welt der Bienen gibt.

Andreas Heidinger benutzt fast nie einen Imkerhut. Dass seine Bienen so friedlich sind, führt er darauf zurück, dass sie in ihrer Wohnstatt zufrieden sind.
Andreas Heidinger benutzt fast nie einen Imkerhut. Dass seine Bienen so friedlich sind, führt er darauf zurück, dass sie in ihrer Wohnstatt zufrieden sind. (Foto: Johannes Simon)
Auch das Klimaflugloch hat Heidinger selbst entworfen und im 3-D-Drucker aus Mais-Filament gedruckt. Es soll dafür sorgen, dass nicht so viel Kälte in den Bienenstock kommt.
Auch das Klimaflugloch hat Heidinger selbst entworfen und im 3-D-Drucker aus Mais-Filament gedruckt. Es soll dafür sorgen, dass nicht so viel Kälte in den Bienenstock kommt. (Foto: Johannes Simon)

Mittlerweile ist Heidinger bei der Bienenkugel Pro 3.0, „wer was auf sich hält, hängt ein Pro an“, sagt er grinsend. Die Rahmen sind aus Lignin, eine Art Flüssigholz, das bei der Papierherstellung anfällt und biochemisch aufbereitet wird. Es gibt sogar ein Klimaflugloch, auch so eine von seinen Erfindungen.

Es führt schräg nach unten, weshalb sich die kalte Luft unten sammelt, die warme nach oben in den Stock steigt. Grinsend zeigt Heidinger auf die Riffelung im Inneren des Einflugloches: „Die erste Bienentreppe, damit sie nicht rutschen.“ Die Herstellung übernimmt er selbst, mit Mais-Filament, das vor allem aus Maisstärke besteht, und einem 3D-Drucker.

In seinem essbaren Bienenwald finden die Bienen von Imker Andreas Heidinger viel Nahrung.
In seinem essbaren Bienenwald finden die Bienen von Imker Andreas Heidinger viel Nahrung. (Foto: Alexandra Vettori)

Bei all seiner Begeisterung kann die Frage nicht ausbleiben, warum die Bienenkugel zwar einzelne Liebhaber in vielen Ländern bis nach England und Frankreich findet, sich aber nicht durchsetzt. Es liege sicher nicht nur daran, sagt er lachend, dass auch heute noch Imker meist alte Männer seien. Tatsächlich schlügen ihm auch Vorbehalte, Ängste und die Frage nach dem Wozu entgegen. Der Hauptgrund aber sei: „Energieeffizienz und Nachhaltigkeit ist in der Imkerei noch nicht angekommen.“

Dabei würde es sich lohnen, wie er recherchiert hat. 18 Kilo Honig werden pro Bienenstock und Jahr durchschnittlich in Bayern geerntet, als Ersatz erhalten die Bienen in der Regel Zucker, zwölf bis 14 Kilo je Volk. Die Zuckerproduktion aber ist energieintensiv, von der Pflanzung bis zur Verarbeitung, würden rund 300 Liter Erdöl für eine Tonne Zucker verbrannt. „Nachhaltig“, so Heidingers Fazit, „ist das nicht“. Er selbst füttert keinen Zucker, „ich ernte nur den Überschusshonig“.

Längst beschäftigt sich Andreas Heidinger auch mit Apitherapie. Das Lauschen der Bienentöne mit der von ihm kreierten Bienen-Abhörstation ist sehr entspannend, sagt er.
Längst beschäftigt sich Andreas Heidinger auch mit Apitherapie. Das Lauschen der Bienentöne mit der von ihm kreierten Bienen-Abhörstation ist sehr entspannend, sagt er. (Foto: Johannes Simon)

Am Preis kann es kaum liegen, dass die Bienenkugel kein Selbstläufer ist. Heidinger verkauft Bausätze, der einfachste kostet  120 Euro. Derzeit werden die Teile in der Schreinerei einer Jugendhilfeorganisation gefertigt. „Sollte die Nachfrage irgendwann steigen“, sagt er, „habe ich Vorbereitungen getroffen, dass unbegrenzt Bienenkugeln gebaut werden können, in jedem Land, in jeder Werkstatt, auch in Schulen“.

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