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Biathlon-WM 2025: Der beeindruckende Höhenflug der Franziska Preuß | ABC-Z

Biathletin Franziska Preuß musste immer und immer wieder Rückschläge verkraften. Mit 30 Jahren ist sie nun stärker denn je und Goldanwärterin bei den Weltmeisterschaften in Lenzerheide. Das hat Gründe.

Die Rolle der Gejagten, der Mitfavoritin, der Person im Mittelpunkt ist nicht gerade die liebste der Franziska Preuß. „Aber ich kann das gerade relativ gut ausblenden“, sagt Deutschlands routinierteste und aktuell beste Biathletin bei einem Video-Call. Mit 30 Jahren, in ihrer zwölften Weltcupsaison und nach einer mit viel Leidenszeit gespickten Karriere hat sie sich ein Stück Gelassenheit und durch die jüngsten Erfolge eine gute Portion Selbstbewusstsein zugelegt. Dass sie jetzt als Weltcupführende nach Lenzerheide zu den Weltmeisterschaften reist, ist ihr da mehr Motivation als Druck. „Es fühlt sich richtig gut an“, sagt sie. „Ich weiß es zu schätzen, weil ich die Kehrseite kenne.“

Die Bayerin ist in der Form ihres Lebens – nie war sie besser, nie so konstant wie in dieser Saison, in der ihr nach fast sechs Jahren des vergeblichen Versuchens ihr zweiter und kurz danach ihr dritter Weltcupsieg gelang. Das weckt Begehrlichkeiten für die Titelkämpfe vom 12. Februar an in der Schweiz, bei Fans und Zuschauern, aber auch bei ihr selbst. Und Preuß ist fest entschlossen, diese zu erfüllen. In einem Winter, in dem sie eindrucksvoll beweist, dass sie einst zurecht neben Laura Dahlmeier als großes deutsches Talent galt, soll nach zehn Jahren endlich die zweite WM-Einzelmedaille her.

Der viermalige Olympiasieger und heutige ZDF-Experte, Sven Fischer, glaubt an Preuß. „Es bleibt offen und spannend, aber es ist gut, dass Deutschland aus Sicht der Frauen mit Franzi vorn dabei ist“, sagt er und hat wenig Sorge, dass die gute Form ausgerechnet bei den Titelkämpfen verschwindet. „Besser ist es, eine Form zu halten, als dass man sagt, ich bin überhaupt nicht in Form oder habe das Gefühl, ich bin auf dem absteigenden Ast.“

Mit dem Papa im Mai zur WM-Inspektion

Erst ein einziges Mal stand Preuß bisher bei Weltmeisterschaften allein auf dem Podest: 2015 als Zweite des Massenstarts von Kontiolahti/Finnland. Sie redet auch nicht lange um ihr Ziel herum. „Die Sehnsucht nach einer Einzelmedaille ist sehr groß. Und nach genau zehn Jahren wäre es ein cooles Jubiläum“, sagt Preuß und gibt zu: „Da ich in den vergangenen Wochen bei fast jedem Rennen auf dem Podest stand, wäre es schon eine Enttäuschung, wenn ich es bei der WM nicht schaffe.“

In weiser Voraussicht und vor allem, da sie bei Weltcups nicht allzu oft in Lenzerheide gestartet war, hatte sie sich Ende Mai gemeinsam mit ihrem Vater auf den Weg in den WM-Ort gemacht. Strecken ansehen, den Schießstand begutachten. „Ich habe mir viele Notizen gemacht“, erzählt sie. Jetzt also erneut auf nach Lenzerheide – und zwar gesund, topfit und erholt von den Strapazen sowie dem Trubel der vergangenen Wochen mit zwei Heim-Weltcups und Rennen in Italien.

Nach den letzten Wettbewerben vor der WM war erst eine kurze Regenerationszeit gefolgt, dann die Reise nach Antholz ins Vorbereitungstrainingslager. Von dort vermeldet sie: „Letzte Woche war ich noch sehr kaputt, nicht richtig frisch, aber mir geht es jetzt gut.“ Die Energiespeicher sind wieder aufgeladen und die Erkältungswelle ist an ihr vorbeigezogen.

Ein Gelbes Trikot als Dank für den Techniker

Für Preuß, die in der Vergangenheit immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte und deshalb ausgefallen war, ist allein das schon ein großer Erfolg. „Ich war sehr, sehr vorsichtig, hatte fast keine Kontakte nach außen“, erzählt die 30-Jährige, die bereits seit Wochen wieder auf einen Mund-Nase-Schutz setzt – auch, wenn sie sich mit der Familie trifft. „Klar ist das nicht schön“, sagt sie, „aber das gehört dazu. Wenn ich vorn mitspielen will, muss ich die eigenen Befindlichkeiten zurückstecken. Ich weiß ja, wofür ich es tue.“ Für Medaillen in Lenzerheide. Um sich dort den Lohn für all die Trainingsjahre, für das Durchhalten auch in den Krisen zu erkämpfen.

Dass sie jetzt als Weltcupführende zur WM reist, ist beim Blick auf ihre Karriere schließlich alles andere als selbstverständlich. Doch schon beim Saisonstart im November in Finnland ließ Preuß als Dritte des Massenstarts aufhorchen; Mitte Dezember dann, als sie in Hochfilzen/Österreich 2154 Tage nach ihrem ersten Weltcupsieg wieder ganz oben auf dem Podest stand, übernahm sie das Gelbe Trikot der Führenden im Weltcup.

Seither sammelt sie die gelben Leibchen, um sie am Saisonende an besondere Personen zu verschenken – eines hat sie zum Dank aber bereits vergeben: an ihren Techniker Sebastian Hopf, mit dem sie seit 2017 zusammenarbeitet.

Gold, Olympia-Drama, WM-Podest und etliche Ausfälle

Fünf Jahre zuvor hatte Preuß erstmals für mächtig Furore gesorgt: Bei den olympischen Jugendwinterspielen gewann sie Gold mit der Staffel sowie im Sprint, dazu Silber in der Verfolgung. 2013 legte sie bei den Junioren-Weltmeisterschaften mit Staffel-Gold und zweimal Bronze nach. Seither galt Preuß als Hoffnungsträgerin, debütierte im November 2013 im Weltcup und gehörte 2014 zum Olympia-Team in Sotschi/Russland. Dort aber, das erste Mal auf der größten Bühne des Weltsports, lief es so gar nicht – Plätze jenseits der 40. Und dann auch noch das Staffeldrama an jenem Tag, als Gerüchte um Dopingvorwürfe an Evi Sachenbacher-Stehle den Vormittag bestimmt und auch die Mannschaft erreicht hatten.

Preuß stand als Startläuferin im Fokus der Öffentlichkeit wie nie zuvor, stürzte nach gerade mal 600 Metern, rappelte sich auf und lief zum Schießstand, wo das Drama weiterging. Während des Schießens liefen der damals erst 19-Jährigen Tränen übers Gesicht. Später erzählte sie: „Ich bin in einen Zweikampf geraten, habe mich mit dem Ski verheddert, dann bin ich gestürzt.“ Am Schießstand musste sie dann erst mal ihre Waffen reinigen. Umso bemerkenswerter, dass Preuß sich sowohl liegend als auch stehend keine Strafrunde leistete, bevor sie schließlich als Elfte an Andrea Henkel übergab. Das Rennen aber war für die Deutschen gelaufen, Preuß untröstlich.

Ein Jahr später dann ein komplett anderes Bild, als sie in Kontiolahti nicht nur eine WM-Einzelmedaille gewann, sondern auch mit der Frauenstaffel über WM-Gold jubelte. Zwei Welten, erlebt in kurzer Zeit.

Die Achterbahnfahrt ihrer Karriere ging weiter, vor allem, weil sie immer und immer wieder gesundheitliche Rückschläge wegstecken musste und fast keine Saison ohne Pause hatte. Ende 2021 kam im olympischen Winter auch noch Pech hinzu, als sie auf einer Treppe stürzte, sich den Fuß verstauchte und dann auch noch eine Covid-Infektion den weiteren Aufbau zunichte machte. 2022/2023 geriet wenig besser: Preuß brach die Saison aus gesundheitlichen Gründen im Januar ab, verpasste die WM in Oberhof und verbrachte dann im Sommer zwei Monate in Thailand, um Abstand zu gewinnen und sich über ihre sportliche Zukunft klarzuwerden.

Profi in Sachen Krisenmanagement und eine OP

Sie ging gestärkt daraus hervor, startete bestens in den vergangenen Winter und durfte sich das Gelbe Trikot überstreifen. Der Höhenflug aber endete erneut mit einer Covid-Infektion. Danach kämpfte sie sich zwar zurück, stieg aber zum Ende der WM in Nove Mesto/Tschechien – erneut durch einen Infekt angeschlagen – aus der Saison aus. Es hörte einfach nicht auf. „Wenn der Körper Stopp sagt, muss man das ernst nehmen und sich die Pause gönnen, um Kräfte zu sammeln“, sagt Preuß rückblickend über all ihre Zwangsauszeiten.

Über all die Jahre ist sie ein Profi in Sachen Krisenmanagement geworden. „Wenn man die Situation nicht ändern kann, muss man sie annehmen und versuchen, irgendwie das Positive zu sehen. Man lernt mit der Zeit, damit umzugehen“, erzählt sie. „Wenn es wieder nicht läuft, ist es dennoch jedes Mal traurig und frustrierend, aber man muss die nötige Geduld mitbringen, die eine Krise abverlangt, absolut ehrlich zu sich selbst sein und dann nach Lösungen suchen.“ Ihre größten Lehren aus all den Weltcupjahren? „Mehr Gelassenheit, Geduld und smarter auf den Körper reagieren.“

Nicht die einzigen Faktoren, die zum aktuellen Erfolg beitragen. Im Sommer unterzog sich Preuß einem Eingriff an den Nasennebenhöhlen, um einen Entzündungsherd zu eliminieren. Danach konnte sie kompromisslos wie selten trainieren und zog in Absprache mit den Trainern und im Wissen, was ihr guttut und was nicht, ihr Ding durch. „Man muss manchmal selbst die Verantwortung für sich übernehmen“, sagt Preuß. Der Lohn ist ihre bisher beste Saison und eine vielversprechende Ausgangslage für die WM. „Ich fahre mit gutem Selbstvertrauen hin. Und in dem Wissen, dass ich es schaffen kann, dass ich nicht zaubern muss.“

Melanie Haack ist Sport-Redakteurin. Für WELT berichtet sie seit 2011 über olympischen Sport sowie über Themen aus dem Fitness- und Gesundheitsbereich. Hier finden Sie ihre Artikel.

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