„Hätte tot sein können“: Nach Polizisten Tritt gegen Fan äußert sich der TSV 1860 | ABC-Z

Saarbrücken/München – Ein Video, das im Internet kursiert, hat bei Löwen-Fans seit dem Sonntagmorgen sehr viel Aufmerksamkeit bekommen. Zu sehen ist, wie ein Polizist einen Mann von hinten eine Treppe herunter tritt. Aufgenommen ist das Video offenbar am Saarbrücker Hauptbahnhof und bei dem Mann handelt es sich um einen Fan des TSV 1860.
Die Szene soll sich am Samstagmittag abgespielt haben, als viele Fans des TSV 1860 mit einem Zug am Saarbrücker Hauptbahnhof ankamen. Der Polizist führt einen Hund, die Szene wirkt ansonsten aber sehr übersichtlich und es ist kein Grund erkennbar, der auch nur ansatzweise rechtfertigen würde, warum der Mann von hinten getreten wird.
Unter den Sechzgerfans bekommt der Vorfall wohl auch deshalb viel Aufmerksamkeit, weil es erst wenige Wochen her ist, als viele Münchner Anhänger beim Auswärtsspiel in Essen durch Pfefferspray der Polizei am dortigen Hauptbahnhof verletzt worden waren. Augenzeugen berichteten daraufhin in der AZ von dramatischen Szenen.
„Es gab davor null Feindseligkeiten“, sagt ein Augenzeuge zur AZ
Und auch nach dem Vorfall in Saarbrücken äußert sich am Montag ein Sechzgerfan, der dabei war. Er berichtet der AZ, dass die Anreise ausgesprochen friedlich abgelaufen sei. 150 bis 200 Löwenfans seien zusammen ab München mit dem ICE gefahren, ab Ulm seien auch viele Ulmer Fußballfreunde auf dem Weg zum Auswärtsspiel in Kaiserslautern im Zug gewesen, in einem vollkommen überfüllten Regionalzug ab Mannheim dann auch noch viele Lauterer. „Es gab null Feindseligkeiten“, sagt der Mann, „keine Sachbeschädigungen, keine Rangeleien, nichts“. Mit dieser Verbindung seien „Normalo-Fans“ unterwegs gewesen, die Ultra-Szene reiste demnach offenbar auf anderen Wegen an.
Er ist 55, fährt seit Jahrzehnten zu fast allen Auswärtsspielen, da überrascht einen so schnell nichts mehr, sollte man meinen. Doch der Empfang in Saarbrücken überrascht ihn. Kläffende Polizeihunde und gepanzerte Polizisten warten am Bahnsteig.
Hunde mit Maulkorb hätten Löwenfans bis zur Brusthöhe angesprungen, so erzählt er es. Dann hätte die Polizei den Bahnsteig schnell frei machen wollen, aufgefordert, schnell zur Treppe zu gehen. „Ich hatte den Eindruck, wir gehen ihnen zu langsam.“
Dann sei ein Fuß an ihm vorbeigesaust – der Tritt, der den Fan die Treppe runter beförderte. „Ohne jede Vorwarnung haut der dem den Polizeistiefel in den Buckel rein“, sagt er. „Ich war total schockiert.“ Der Mann sei regungslos liegengeblieben. „Wenn er blöd fällt, ist er tot“, ist der Augenzeuge überzeugt. Er sei sofort hingeeilt, um zu helfen – daraufhin habe ihn der Hundeführer noch einmal angeschrien.
Das sagt die zuständige Bundespolizei zu den Vorwürfen aus München
Soweit die Fansicht. Und was sagt die Gegenseite? Laut „Saarbrücker Zeitung“ beschäftigt das Video auch die Bundespolizei (die für die Einsätze in Bahnhöfen zuständig ist) selbst.
Wie deren Sprecherin Maxie Imgenberg von der Bundespolizeidirektion in Koblenz auf am Montag Anfrage der „Saarbrücker Zeitung“ sagte, soll das Filmmaterial, welches „in den sozialen Medien kursiert“, seinen Kollegen bekannt sein.
Ermittlungen dazu seien aufgenommen. Imgenberg: „Der Vorgang und dessen Hintergründe werden derzeit geprüft.“ Diese Prüfungen sind laut „Saarbrücker Zeitung“ mittlerweile auf die diensthöhere Einheit in Koblenz übergegangen, hieß es am Montag. Inzwischen schlägt der Fall hohe Wellen, sogar die Online-Redaktion der Tagesschau hat über ihn berichtet.
Am Dienstag wurde bekannt, dass sich inzwischen auch die Staatsanwaltschaft mit dem Fall beschäftigt. Wie die Behörde dem Saarländischen Rundfunk mitteilte, wurde nach der Presseberichterstattung und der Veröffentlichung des Videos „von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet“. Laut „Saarbrücker Zeitung“ geht es um den Anfangsverdacht der Körperverletzung im Amt.
Dabei geht es laut Saarländischem Rundfunk um den „Verdacht der versuchten beziehungsweise der vollendeten Körperverletzung im Amt“. Das zunächst gegen Unbekannt geführte Verfahren richtet sich dem Bericht zufolge mittlerweile gegen einen konkret Beschuldigten. Der Polizeibeamte, der den Fan getreten haben soll, ist also inzwischen namentlich bekannt.
So bewertet die Bundespolizei den Einsatz am Saarbrücker Hauptbahnhof
In der „Saarbrücker Zeitung“ hat sich die Bundespolizei mittlerweile ausgiebiger zu dem Einsatz am Hauptbahnhof geäußert – und stellt die Situation als deutlich aufgeheizter dar, als es der Löwenfan in der AZ getan hatte. Schon auf dem Bahnsteig habe es kurz nach der Ankunft der Löwenfans erste Reibereien gegeben, so eine Sprecherin. Während Fußball-Anhänger berichten, dass ein Hundeführer grundlos und aus heiterem Himmel einen der 1860-Fans mit einem Tritt in den Rücken eine Treppe hinuntergestoßen habe, schildert sie die Ausgangslage anders. Ihre Behörde habe Aufnahmen der Überwachungskamera ausgewertet. Dasselbe gelte für die Einsatzpläne vom vergangenen Samstag. Demnach habe sich der Zwischenfall ereignet, als Polizisten Platzverweise gegen angereiste TSV-Fans durchsetzen wollten. Dies habe die Angesprochenen aber nicht gekümmert, so die Sprecherin der „Saarbrücker Zeitung“. Was der Auslöser der Platzverweise war, dazu macht die Bundespolizeisprecherin keine Angaben.
Auf eine AZ-Anfrage vom Mittwoch reagierte auch der TSV 1860, der sich zuvor nicht proaktiv öffentlich zu dem Vorfall geäußert hatte. „Der TSV 1860 München hat noch am Spieltag Kenntnis eines Videos erhalten, das einen Zwischenfall bei der Anreise von Löwen-Fans am Bahnhof in Saarbrücken zeigt“, sagte ein Sprecher. „Unmittelbar daraufhin hat die Fanbetreuung des TSV 1860 München Kontakt zu dem betroffenen Fan aufgenommen und ist seither im engen Austausch mit diesem. Der TSV 1860 München hat dabei auch jederzeit Unterstützung angeboten.“ Dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen habe, begrüße man ausdrücklich, so der Löwen-Sprecher zur AZ.