Beziehungskiller Liebesfilm? Psychologin über „harte Realität“ | ABC-Z
Berlin. Liebesfilme an Weihnachten – schlecht für die Beziehung? Eine Psychologin verrät, wovon es abhängt, ob ein Film die Beziehung gefährdet.
Wenn man draußen vor Kälte bibbert und im Dunkeln die Haustür aufschließt, will man sich oft nur noch unter die Decke kuscheln – am besten liegt man auch nicht allein auf dem Sofa, sondern im Arm des Partners oder der Partnerin. Für noch gemütlichere Stimmung kann ein Liebesfilm wie „Tatsächlich Liebe“ sorgen, in dem Hugh Grant als Premierminister Englands an Weihnachten an der Türe seiner großen Liebe klingelt. Doch kann es passieren, dass man nach einem Liebesfilm an der eigenen Beziehung zweifelt, sich gar trennen will?
Grundsätzlich sei es gut, mit dem Partner einen Liebesfilm zu schauen, denn man verbringe „Quality Time“ miteinander, sagt Psychologin und Love Coachin Stella Schultner. „Wenn ich mir etwas anschaue, was mit unserer Partnerschaft zu tun hat, kann das etwas sehr Schönes sein.“
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Es könne aber auch Druck aufbauen, so Schultner. Denn ein Liebesfilm könne auch die Schwachpunkte der eigenen Beziehung verdeutlichen. Zwar gebe es heute Liebesfilme, die ein realistischeres Bild von einer Beziehung zeigen. Bei den klassischen Liebesfilmen wie „Tatsächlich Liebe“ sieht die Psychologin aber durchaus Probleme: „Es wird entweder eine sehr schöne Beziehung dargestellt, oder toxische Beziehungen und Kennenlernphasen als etwas Erstrebenswertes gezeigt.“ Gerade der Alltag spiele in Liebesfilmen oft keine Rolle, denn niemand wolle „Müsli-futternde Männer in Unterhose“ sehen, sagt Schultner.
Davon sind Liebesfilme geprägt
Vielmehr seien die meisten Liebesfilme von dem klassischen Katz– und Maus–Spiel geprägt, bei dem die Charaktere umeinander kämpfen – und verzweifeln. „Wenn Paare in Liebesfilmen auf diese Weise zusammenkommen, ist das ein ständiges Auf und Ab der Gefühle.“ Am Ende gibt es zwar häufig ein Happy End – dabei sei es im echten Leben laut der Psychologin oft so, dass der eine irgendwann nicht mehr will und der andere klammert. Sie stellt fest: „Am Ende hat einer Liebeskummer – das ist die harte Realität.“
Wie beeinflusst die romantisierte Darstellung von Liebe die eigene Beziehung? Schultner sagt, Liebe und Partnerschaft müssten aufregend sein – das könnten viele Menschen aus Filmen mitnehmen. Aber: „Unsicherheit, Lust und Leidenschaft hängen ganz nah zusammen.“ Unfassbare Leidenschaft werde oft dann ausgelöst, wenn man die Person nicht haben kann. Die Psychologin sagt: „Sicherheit ist ein Killer der Leidenschaft.“
Doch Unsicherheit steht einer gesunden Beziehung im Weg – das müsse man sich laut Schultner klarmachen: „Wenn ich Spielchen spielen muss, um jemanden für mich zu gewinnen, habe ich vermutlich eine Partnerschaft, die keine echte Nähe zulässt.“ Gerade in Langzeitbeziehungen ständen Verlässlichkeit, Verbundenheit, gemeinsame Erlebnisse oder gemeinsame Kinder an der Tagesordnung. Auch würden Liebesfilme suggerieren, dass beide Partner ständig Lust auf Sex hätten – viele würden denken, es stimme etwas mit ihnen und der Beziehung nicht, wenn ihre Beziehung anders aussehe, so Schultner.
Auch Konflikte werden laut Schultner in Liebesfilmen oft mit der Strategie des „rar-machens“ gelöst: „Die Charaktere werden unabhängig und leben ihr Leben, und dann kommt der andere zurück.“ Doch Gedankenlesen würde vorausgesetzt: „Ich äußere meine Bedürfnisse nicht und erwarte, dass der andere sie errät. In der Realität wären das nur Missverständnisse, die meist dazu führen würden, dass sich Menschen nie wieder sehen.“ In Filmen hingegen würden sie sich plötzlich beim Bäcker wieder treffen und so doch erkennen, wie sehr sie sich lieben, kritisiert die Psychologin.
Psychologin: Dieser Faktor entscheidet, ob Liebesfilme die Beziehung gefährden
Beziehungen in Liebesfilmen sind also oft durch Unsicherheit und Leidenschaft geprägt. Ebenso können sie dadurch die Vorstellung bestärken, dass es „den einen“ oder „die eine“ gibt, so die Psychologin. Man erwarte dadurch unrealistisch viel von seinem Partner: „Vielleicht suche ich dann nach ähnlicher Perfektion im echten Leben und bin wegen dieser Erwartungen sehr unzufrieden mit meiner aktuellen Beziehung“, sagt Schultner.
Allerdings gibt es laut Schultner einen entscheidenden Faktor, ob Menschen beim Schauen dieser Liebesfilme denken, dass Liebe und Beziehungen derart auszusehen haben: Die eigene Prägung: „Wenn ich zu Hause gesehen habe, dass meine Eltern echte Probleme hatten und diese lösen konnten, dann lache ich wahrscheinlich über so einen Film: Meine Eltern haben eine gute Partnerschaft – aber die haben das anders gemacht als die Protagonisten im Film“, erklärt die Psychologin.
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Anders sehen es Personen, die zu Hause kein Vorbild für eine harmonische Beziehung hatten, so Schultner. Sie betont: „Dann gehe ich eher davon aus, dass Beziehungen so wie in Liebesfilmen aussehen müssen.“ Viele Menschen glauben, dass es in Partnerschaften keine Konflikte geben darf, weil es ihnen nicht anders vorgelebt wurde, so die Psychologin. „Eine der schwierigsten Herausforderungen in Partnerschaften ist es, dass wir uns erlauben, Konflikte zu haben: Es kommt darauf an, wie wir mit ihnen umgehen, nicht, dass wir welche haben. Und das wird in vielen Filmen nicht gezeigt.“
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Mit welcher Brille man Liebesfilme sieht und den Partner anzweifelt, hängt also von den eigenen Erfahrungen ab. Wenn man sich dessen bewusst ist, könne man sogar etwas von Liebesfilmen lernen, meint die Psychologin: „Liebesfilme können positiv dazu beitragen, dass Menschen ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche in einer Beziehung äußern.“ Vielleicht sehe man Verhaltensweisen, die man gar nicht kannte.
Oder man habe sich nicht eingestanden, Wünsche an den Partner haben zu dürfen. Zum Beispiel, wenn man liebevolle Gesten in einem Film sieht, aber lieblosen Umgang gewohnt ist. Dann könne einem klar werden: „Das, was ich hier erlebe, ist nicht gut und gesund“, so Schultner. Am Ende des Tages sollte man sich bei dem Genuss eines Liebesfilms aber laut der Expertin bewusst machen: Viele der vermeintlich perfekten Schauspieler seien zu Hause vermutlich ähnlich wie der Partner anzutreffen – eben Müsli futternd in Unterhose.