Bespaßung statt Stärkung der Demokratie | ABC-Z
In Liechtenstein schaffen sie gerade den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab. Eine Volksabstimmung, die auf Initiative von Rechtspopulisten abgehalten wurde, hat so entschieden. Das Argument der „Demokraten pro Liechtenstein“ war, der Sender sei zu teuer. Radio Liechtenstein wird vor allem aus dem Staatsbudget finanziert und musste mehrfach mit Notkrediten gerettet werden.
Vergleiche mit der hiesigen Situation der Radio- und Fernsehanstalten würden hinken. ARD, ZDF und Deutschlandfunk haben fast so viele Beschäftigte wie Liechtenstein Einwohner. Doch auch hierzulande wächst der Druck auf die öffentlichen Sender. Niemand mit Verstand will sie abschaffen. Niemand mit Verstand kann aber damit zufrieden sein, wofür sie das Geld ausgeben, das sie den Bürgern über eine Gebühr abnehmen, der sich selbst die nicht entziehen können, die keinen Gebrauch von öffentlich-rechtlichen Sendungen machen.
Das sind immer mehr Bürger. Etwa sieben Prozent der 14- bis 49-Jährigen erreichen ARD und ZDF. Lag die durchschnittliche Reichweite des ZDF 1992 noch bei mehr als sieben Millionen Zuschauern, liegt sie heute bei unter vier Millionen. Gewiss, die Zugriffe auf ihre Mediatheken kommen hinzu. Aber auch dort sind Sendungen Spitzenreiter, die zwei Millionen Mal angeklickt werden. Der Anspruch, alle zu erreichen, weil alle zahlen, wird nicht im Mindesten erfüllt. Dennoch verlangen die Sender regelmäßig eine Gebührenerhöhung.
Die ist soeben von den Ministerpräsidenten der Länder aufgeschoben worden. Das Programm, lautet der Beschluss, müsse reduziert werden. Gemeint sind die ins Kraut geschossenen Rundfunkkanäle, die Spartensender – allein sechs Nachrichtensender unterhalten ARD und ZDF –, die exzessiven Ausgaben für Sportrechte, die umfassenden Online-Angebote „presseähnlicher“ Texte ohne Bezug auf Sendungen.
Die Debatte wird scheinheilig geführt
Die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird dadurch nicht enden. Sie geht nur ständig in eine nächste Runde. Das liegt daran, dass sie scheinheilig geführt wird. Im Kampf um die von ihnen als notwendig empfundenen Gebührenerhöhungen stellen sich die Rundfunk- und Fernsehanstalten als die Garanten der Demokratie dar. Wer an ihnen spare, spare an der Demokratie. Weniger tagesschau.de komme nur den politischen Extremen zugute.
Das geht mit dem Argument einher, privatwirtschaftliche Medien trügen zu wenig zu Demokratie und Aufklärung bei. Im Blick auf reine Unterhaltungsmedien, Popradios und Fußballsender mag das zutreffen. Es unterschlägt aber nicht nur, dass es auch Zeitungen und Zeitschriften gibt, die sich nicht vorzugsweise am Tralala der Spaßgesellschaft beteiligen. Es unterschlägt auch das Ausmaß, in dem sich öffentlich-rechtliche Anstalten diesem Tralala hingeben. Für Kultur und Wissenschaft haben sie eigene Kanäle wie 3sat gegründet, denen dann vorgehalten wird, nicht genug Quote zu machen. In ihren Vollprogrammen dominieren Krimis, Quizshows, Sportübertragungen, Kabarett und Heimatkunde. Die Talkshows, die sie der „Information“ zuschlagen, sind Polittheater und könnten, wenn es nicht die Selbsttäuschung der Politiker gäbe, informativ zu sein, genauso gut als schlechte Unterhaltung verbucht werden.
Die von allen finanzierten ARD und ZDF wollen also alle erreichen, ohne es zu können. Darum sind sie in jede denkbare Richtung expandiert. Die Erfolge der AfD hat das nicht verhindert, die Erfolge von Sahra Wagenknecht hat es sogar befördert. Als die CDU im Zuge ihrer „geistig-moralischen Wende“ Mitte der Achtzigerjahre das Privatfernsehen zu lieben begann, wurde das Argument vorgetragen, man überlasse das Massenspektakel RTL und Sat.1, die Öffentlich-Rechtlichen könnten sich dann auf das konzentrieren, was ohne sie keine Chance habe.
Das Gegenteil trat ein. Intendanten, die keine Bücher lesen und sich etwas darauf einbilden, nicht zu wissen, wer Goldoni, Fauré oder Cunningham waren, drängten Phantasie und Bildung an den Rand der Programme, lagerten sie am Ende aus. Am „Bergdoktor“ sparen oder am Champions-League-Finale erschiene ihnen absurd, denn die bringen ja Quote. Wenn 3sat hingegen der Aufforderung, höhere Quoten zu erreichen, durch das Abspielen von Dokumentarfilmen über Trauminseln folgt, muss es sich vorhalten lassen, das sei ja keine Kultur und könne weg.
Es fehlt an Anreizen, etwas Überraschendes zu machen. Mehr vom selben lautet die Maxime: Es gibt neun „Sokos“ im ZDF und neun „Politik-Talks“ in der ARD. Heute bringt sie „Rote Rosen“, „Sturm der Liebe“, „Brisant“, „Wer weiß denn so was?“, das „Großstadtrevier“ und um 20 Uhr 15 eine „Tierdoku“. Wir sind gespannt auf den Brückenschlag zur Demokratie.