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Beruf Friedhofsgärtnerin: Ein ruhiger Beruf, der nichts Morbides hat – Bayern | ABC-Z

Katharina Schillig kniet auf einer Steinplatte in der Mitte eines Grabes und wühlt in der Erde. Sie lockert den Boden, gräbt Kleepflanzen und anderes Unkraut aus, legt alles in eine Schüssel neben sich. Grabpflege nennt sich diese Arbeit, bei der es darum geht, die Ruhestätte eines toten Menschen immer wieder herzurichten und neu zu bepflanzen. Katharina Schillig, 21 Jahre, frisch absolvierte Friedhofsgärtnerin, macht diese Arbeit gerne. „Ich glaube, ich habe etwas gesucht, was mich erdet“, sagt sie.

Die Augsburgerin hat im Juli ihre Ausbildung zur Friedhofsgärtnerin abgeschlossen. Mit gerade einmal zehn anderen Absolventen in ganz Bayern. Die Nachfrage nach der Ausbildung „Gärtner mit der Fachrichtung Friedhofsgartenbau“ sei in Bayern im Vergleich zu anderen Ausbildungen nicht besonders groß, teilt das bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus mit. 2023 hätten gerade einmal drei Azubis im Freistaat die Abschlussprüfung absolviert. Katharina Schillig hat sich also einen ganz besonderen Beruf ausgesucht.

Es ist still, obwohl der katholische Friedhof in Augsburg an der einen Seite an den Hauptbahnhof grenzt und auf der anderen Seite an die Hermannstraße, über die sich der Verkehr wälzt. Nur der Regen ist zu hören, der leise auf die Grabsteine tropft. Es herrscht nicht etwa bedrückende Stille, die Katharina Schillig traurig machen würde. Es sei eher eine angenehme Ruhe, sagt sie.

Der katholische Friedhof in Augsburg ist für Katharina Schillig ein Ort der Ruhe.
Der katholische Friedhof in Augsburg ist für Katharina Schillig ein Ort der Ruhe. (Foto: Cara Emilia Dühr)

Ursprünglich wollte Schillig eine Ausbildung beim Zoll machen, fühlte sich dafür mit 18 Jahren aber noch nicht bereit. Sie wollte erst mehr Lebenserfahrung sammeln. Durch Zufall sei sie auf die Ausbildung zur Friedhofsgärtnerin gestoßen, erzählt sie. Dabei habe sie mit Gärtnern vorher wenig am Hut gehabt.

Die junge Frau wirkt wie eine ruhige und überlegte Person. Bevor sie spricht, denkt sie nach. Sie hat sich vorher gut über die Ausbildung informiert und ein einwöchiges Praktikum bei ihrem Ausbildungsbetrieb gemacht.

Vorsichtig sticht sie mit einer Metallhacke immer wieder in die Erde, zieht Blätter hervor, reißt Wurzeln aus. Gemeinsam mit ihren Kollegen kümmert sie sich heute um das Schwesterngrab eines Klosters bei Augsburg. 14 Grabsteine stehen nebeneinander, die Inschriften sind kaum noch lesbar.

Sie bereiten die Gräber für die Herbstsaison vor. Statt Eisbegonien soll hier bald die Besenheide stehen. Kältebeständigere Pflanzen, erläutert Schillig. Ihre Aufgabe als Friedhofsgärtnerin umfasst alles rund um Grabauflöse, Bepflanzung- und pflege.

Der Friedhof, eine „grüne Lunge“ in der Stadt.
Der Friedhof, eine „grüne Lunge“ in der Stadt. (Foto: Cara Emilia Dühr)

„Man reflektiert sein eigenes Leben. Gerade wenn man Gräber von Leuten sieht, die jünger sind als man selbst. Das geht mir schon nahe“, erzählt die 21-Jährige. Am Anfang habe sie auf dem Friedhof manchmal ein mulmiges Gefühl gehabt, erinnert sie sich. Aber je länger sie dabei gewesen sei, desto mehr habe sie sich an die Atmosphäre gewöhnt. Ihr Blick auf den Friedhof habe sich durch ihre Arbeit verändert. Die Totenstätten sind für sie nicht gruselig. Für sie sind es Orte der Ruhe, gar eine „grüne Lunge“ in der Stadt, wie sie sagt.

Denn: „Ein Grab ist ja auch ein kleiner Garten.“ Ein Garten, der viel über den Verstorbenen aussage. Aus den Pflanzvorgaben, der Art des Grabsteins, Inschriften und Bilder entstehe ein Bild der Menschen, die dort begraben sind. Schön sei das.  Es gebe der Arbeit mehr Bedeutung, als zum Beispiel das Anlegen normaler großer Gärten bei der Ausbildung zur Landschaftsgärtnerin. Das sei ein Grund dafür gewesen, wieso sie sich gegen den klassischen Garten- und Landschaftsbau entschieden habe. Dort sei man mit größeren anonymen Projekten befasst, habe weniger unmittelbare Erfolgserlebnisse. Bei einem Grab sei die Gestaltung dagegen sehr persönlich und man sehe direkt ein Vorher-Nachher-Ergebnis.

Katharina Schillig kümmert sich auch um die Grabumrandung. Die Pflege der Wege und Bäume auf dem Friedhof ist allerdings nicht ihre Aufgabe.
Katharina Schillig kümmert sich auch um die Grabumrandung. Die Pflege der Wege und Bäume auf dem Friedhof ist allerdings nicht ihre Aufgabe. (Foto: Cara Emilia Dühr)

Schillig nimmt die elektrische Heckenschere und beginnt die Grabumrandung des Schwesterngrabs zu stutzen. Millimeterarbeit ist das. Nur das laute Knattern der Maschine ist auf dem Friedhof zu hören. Die meiste Zeit reden sie und ihre Kollegen bei der Arbeit nicht. „Man hat hier einfach den perfekten Ort, um einmal kurz innezuhalten. Um über Sachen nachzudenken. Dazu kommen viele andere in dem Trubel ihres Alltags gar nicht.“

Nicole Müller, Schilligs Ausbilderin bei „Die Wörner Gärtner“, arbeitet auch am Schwesterngrab mit. „Das Thema Friedhof ist für viele abschreckend, weil sie es mit Tod und Leichen verbinden. Aber der Friedhofsgärtner hat nichts mit dem Totengräber zu tun“, erklärt Müller.

Dem Ausbildungsbetrieb fällt es nicht leicht neue Azubis für diese Ausbildung zu finden. Auch in diesem Jahr konnten sie bisher nur eine von drei möglichen Stellen besetzen. Viele Leute wüssten nicht einmal, dass es diese Ausbildung gebe.

Nicole Müller, Ausbilderin bei „Die Wörner Gärtner“, arbeitet mit Katharina Schillig an dem Schwesterngrab.
Nicole Müller, Ausbilderin bei „Die Wörner Gärtner“, arbeitet mit Katharina Schillig an dem Schwesterngrab. (Foto: Cara Emilia Dühr)

Dabei ist der Job wichtig. Irgendjemand muss sich um die Gräber von Verstorbenen kümmern. Im besten Falle machen das die Angehörigen, aber manchmal wohnen diese nicht am Ort. Diese Situation kennt Schillig von ihren eigenen Großeltern, die weiter weg wohnten und vor ein paar Jahren verstorben sind. „Ich habe immer den Gedanken, anderen Menschen mit meiner Arbeit etwas Gutes zu tun und ihnen etwas zurückzugeben. Es ist immerhin ein verstorbener Mensch, der unter der Erde liegt. Ich will einen Ort schaffen, an dem sich die Angehörigen wohl fühlen.“

Natürlich gebe es auch den Trend, Urnen oder Seebestattungen der klassischen Erdbestattung vorzuziehen. Konkurrenz für Schilligs Job, eine aufwendige Pflege ist hier nicht notwendig. Doch das mache ihr keine Sorgen. „Mein Beruf stirbt nicht so schnell aus“, sagt sie und schmunzelt.

Auch bei Regen macht Schillig ihren Job noch gerne.
Auch bei Regen macht Schillig ihren Job noch gerne. (Foto: Cara Emilia Dühr)

Mit beiden Händen sammelt Schillig das Laub vom Boden und wirft es in eine Schubkarre. Drei Personen stehen ein paar Gänge weiter dicht beisammen. Sie schauen auf ein Grab, umarmen sich. Schillig schaut kurz hinüber. Dann macht sie weiter mit ihrer Arbeit.

Jeden Tag wird die 21-Jährige mit dem Tod konfrontiert – etwas, das viele andere vermeiden. Früher habe sie sich mit dem Tod nicht so sehr auseinandergesetzt, sagt sie. Ihre Einstellung dazu habe sich jetzt verändert: „Man überlegt sich schon, was man vielleicht noch machen will. Und ich habe für mich nochmal realisiert, dass Gesundheit das Wichtigste ist.“

Besonders gefällt Schillig das Vorher-Nachher-Ergebnis bei ihrer Arbeit.
Besonders gefällt Schillig das Vorher-Nachher-Ergebnis bei ihrer Arbeit. (Foto: Cara Emilia Dühr)

Gut zwei Stunden braucht Schillig mit ihren Kollegen, um die 14 Gräber zu pflegen. Es regnet immer noch. Aber jetzt ist Feierabend. Sie streift sich die Handschuhe ab. Gemeinsam steht sie noch kurz mit ihren Kollegen zusammen, ein wenig durchgefroren aber zufrieden mit dem Ergebnis. Am Ende des Tages sehe man immer, was man geschafft habe, erzählt sie. In einer Woche kommen sie wieder zum katholischen Friedhof und beginnen mit der Herbstbepflanzung. Katharina Schillig könnte sich gerade keinen schöneren Job vorstellen.

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