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Berliner SPD verliert beide Vorsitzende – Politik | ABC-Z

Steffen Krach hatte sich auf einen entspannten Sonntag gefreut, aber die Berliner SPD ist halt die Berliner SPD. Hier geschehen Dinge, fast wie in der Politserie „House of Cards“. Immer für eine Überraschung und neue Demontagen gut. Für 14 Uhr wurde spontan eine Schalte des geschäftsführenden Landesvorstands angesetzt, dort erklärten die Landesvorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel, dass sie ihr Amt Ende des Monats niederlegen. So soll Krach nun nicht nur die Spitzenkandidatur für die Berlin-Wahl im nächsten Jahr übernehmen, sondern auch den Vorsitz der Berliner SPD.

Das vielleicht einzig Gute: Es gibt nun klare Machtverhältnisse, wenngleich Krach, einer der weniger gewordenen Hoffnungsträger der Partei bundesweit, nun sehr stark ins Risiko geht.  Wenn er als Spitzenkandidat scheitert bei der Wahl am 20. September 2026, könnte man wieder ohne Führung dastehen. Aber der Reihe nach.

Am Freitag sind mehrere Spitzenleute der Berliner SPD abends im Olympiastadion, beim Zweitliga-Spiel Hertha BSC gegen Eintracht Braunschweig. Da laufen schon Wetten, wie hoch Böcker-Giannini tags darauf bei der Listenaufstellung für die Wahl in Reinickendorf verlieren wird. Es wird versucht, sie von der Kampfkandidatur um Platz 3 abzubringen; zu groß die Gefahr, dass sie krachend scheitern kann. Denn es gibt viel Unzufriedenheit mit der Landesführung.

Auch der amtierenden Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey droht das politische Aus

Böcker-Giannini tritt jedoch an und verliert am Samstag dann die Abstimmung um Listenplatz 3 gegen Laurence Stroedter mit 17 zu 49 Stimmen, eine Demütigung für die SPD-Landeschefin, noch schlimmer als von vielen erwartet. Ohne Listenplatz ist ihr Einzug in das Abgeordnetenhaus, das Landesparlament von Berlin, aussichtslos, da sie im Wahlkreis Heiligensee, einer CDU-Hochburg, kaum Chancen auf das Direktmandat hat. Stroedter ist übrigens die Tochter des Vize-Fraktionschefs der SPD im Abgeordnetenhaus, Jörg Stroedter, der zudem mit SPD-Innensenatorin Iris Spranger liiert ist.

Hikel erhielt zuvor bei der Nominierung für die erneute Kandidatur als Bezirksbürgermeister in Berlin-Neukölln – ohne Gegenkandidat – nur 68,5 Prozent. Unter anderem sorgt hier sein demonstratives Vorgehen gegen Clan-Kriminalität intern für Kritik. Er fand, so wenig geschlossen könne man nicht in den Wahlkampf ziehen und erklärte, nicht erneut für dieses Amt kandidieren zu können.

Es ist nicht irgendein Amt. Vorgänger wie Heinz Buschkowsky und Franziska Giffey wurden bundesweit mit hartem Vorgehen bekannt, weil sich in Neukölln eben auch zunehmend Negativwirkungen misslungener Integration zeigen, wo sich arabische Parallelwelten entwickeln – und wo auf der Sonnenallee nach dem Hamas-Terror in Israel Süßigkeiten verteilt wurden. Übrigens wurde auch Giffey, amtierende Wirtschaftssenatorin, in Neukölln nicht mit einem sicheren Listenplatz versehen, ihr droht das politische Aus.

Beide hatten sich einst in einem Mitgliederentscheid durchgesetzt, aber wurden dann in Flügelkämpfen zerrieben

In jener Schalte am Sonntag geht es schnell. Hikel, ohnehin angeschlagen wegen der Neukölln-Klatsche, und Böcker-Giannini erklären den Rücktritt als Landeschefs, um 16.49 Uhr geht eine Mail an alle Mitglieder raus, sie liegt der Süddeutschen Zeitung vor. „Wir sind angetreten mit dem Versprechen, einen inhaltlichen, einen kulturellen und auch einen personellen Wechsel in der Berliner SPD einzuläuten“, schreiben beide.  „Heute, rund anderthalb Jahre später, können wir selbstbewusst sagen: Wir haben geliefert und unsere Mission erfüllt. Mit dem Zukunftsprozess Berlin 2035 haben wir im Dialog mit der Stadtgesellschaft eine breite inhaltliche Grundlage für die nächsten zehn Jahre der Berliner Sozialdemokratie gelegt.“

Aber im weiteren Verlauf wird dann nichts beschönigt: „Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass unser Vorhaben eines Wandels auf immer stärker werdende Blockaden gestoßen ist. Dies mündete in zwei schwerwiegenden Entscheidungen im Rahmen der Wahl-Aufstellungen auf Kreisebene.“ Beide Vorgänge zeigten, „dass wir innerhalb der Gremien der Partei den versprochenen Wandel, und damit den Auftrag der Mitglieder, nicht mehr glaubhaft umsetzen können, da dieser Kurs, den die Mitglieder wünschen, nicht von der Funktionärsebene mitgetragen wird.“

Beide hatten sich einst in einem Mitgliederentscheid durchgesetzt, aber wurden auch zerrieben von den Flügelkämpfen und einem Linksruck im Landesverband. Dabei hatte der Pragmatiker Hikel noch den Pragmatiker Krach zurück nach Berlin geholt. Der 46-Jährige war hier fünf Jahre Staatssekretär und ist seit 2021 Präsident der Region Hannover, er gilt auch bundesweit in der SPD mit seinem unideologischen Kümmerer-Ansatz als einer, dem noch höhere Ambitionen zugetraut werden. Aber darüber wird nun auch der Ausgang des Abenteuers Berlin entscheiden. Auch Krach beschönigt etwa beim Thema Kriminalität nichts. Immerhin wurde er zuletzt einstimmig zum Spitzenkandidaten der Berliner SPD nominiert.

Nur 21 Prozent sind zufrieden mit dem Berliner Senat

Krach pendelt gerade viel zwischen Berlin und Hannover, es wird erwartet, dass er Richtung März sein Amt als Präsident der Region Hannover abgeben wird. Zudem ist er auch noch Vorsitzender des SPD-Unterbezirks der Region Hannover. Krach selbst betont auf SZ-Anfrage, er wolle den beiden Vorsitzenden für die Arbeit sehr danken. Und fordert:  „Für den Erfolg der SPD brauchen wir starken Zusammenhalt in unserer Vielfalt.“ Er wolle die Wahl im kommenden Jahr gewinnen. Die jüngste Unterstützung bei seiner einstimmigen Nominierung sei zugleich Ermutigung, sich auch um den Landesvorsitz zu bewerben. „Dass mich der geschäftsführende Landesvorstand heute dafür einstimmig vorgeschlagen hat, bestärkt mich in dem Ziel, unsere SPD zu neuer Kraft zu führen“, so Krach.

Nur: Die Wahlaussichten sind bisher alles andere als gut, wenngleich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auch so seine Probleme hat. Bisher regiert in Berlin ein Bündnis aus CDU und SPD.

Im neuen Berlin-Trend vom RBB verliert die CDU drei Punkte und liegt bei 22 Prozent, die SPD verliert einen Punkt auf 13 Prozent. Es ist ein weiter Abstand, zumal Linke (19 Prozent), Grüne und AfD (jeweils 16 Prozent) auch noch vor der SPD liegen. Nur 21 Prozent sind zufrieden mit dem Berliner Senat: Die zunehmende Unsicherheit, die Bildungsmisere, hohe Mieten, die Vermüllung der Stadt, all das besorgt die Bürger. Es ist mit Abstand der niedrigste Zufriedenheitswert aller Landesregierungen und fällt sogar leicht hinter die sehr niedrige Zufriedenheit mit der Bundesregierung zurück. Diese Zahlen zeigen schon: Das wird gerade für Kai Wegner und Steffen Krach ein schwerer Wahlkampf.  Krach muss als allererstes nun hoffen, dass die SPD sich bei ihm geschlossener zeigen wird.

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