Berliner Palliativarzt – Prozess gegen Johannes M.: 15 Patienten mutmaßlich ermordet | ABC-Z

Berlin. Der Palliativmediziner Johannes M. soll mindestens 15 seiner Patienten getötet haben. Vor dem Berliner Landgericht schweigt er.
Die Hintergründe einer der womöglich größten Mordserien der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte blieben am Montag unbeleuchtet. Johannes M., der Palliativmediziner, dem von der Berliner Staatsanwaltschaft Mord an mindestens 15 seiner Patienten vorgeworfen wird, entschied sich vor dem Landgericht der Hauptstadt, zu den Tatvorwürfen zu schweigen. Zuvor hatte Staatsanwalt Philipp Meyhöfer eine halbe Stunde lang die Anklageschrift verlesen, die Umstände des Todes jedes einzelnen der bekannten 15 Verstorbenen aufgezählt, die M. mittels Medikamenten gezielt getötet haben soll.
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Bekannte Verstorbene, weil eine Ermittlungsgruppe des Landeskriminalamts (LKA) derzeit 96 weitere Todesfälle aus dem Umfeld des 40-jährigen Arztes untersucht, darunter auch den seiner eigenen Schwiegermutter. Für die Staatsanwaltschaft scheint daher klar, dass M. in seiner Tätigkeit in einem mobilen Pflegedienst schlicht Gott spielen wollte.
13 Angehörige wollen vor Gericht Präsenz zeigen
Er habe seine „eigene Vorstellung vom Zeitpunkt des Ablebens“ seiner unheilbar kranken Patienten umsetzen wollen, sagte Meyhöfer, M. wollte Herr sein „über Leben und Tod“. Er habe das Vertrauen seiner Patienten in diesem Sinne missbraucht und die Taten unter dem Vorwand der ärztlichen Fürsorge begangen. Laut Staatsanwaltschaft befand sich keiner der Getöteten vor dem Eingreifen des Mediziners in einer aktiven Sterbephase. Das Motiv der Sterbehilfe negiert sie damit. Palliativärzte begleiten schwerstkranke Menschen, um deren Schmerzen zu lindern.
M., ein schmaler, gepflegter Mann, sah während des Großteils des Vortrags im Glaskasten des Angeklagten zu Boden. Nur einmal blickte er für längere Zeit auf, nämlich als die Nebenklägerin O. laut zu weinen begann. O. ist eine von 13 Angehörigen, die in dem Prozess Präsenz zeigen wollen. Ihre Tochter war mit 25 Jahren das jüngste Opfer. Als der Staatsanwalt erzählte, wie M. seinen Modus Operandi anwandte, vergrub O. die Hände im Gesicht, schluchzte und atmete schwer.
Polizei kam Johannes M. wegen gelegten Bränden auf die Spur
Denn der 40-Jährige soll immer gleich vorgegangen sein: Zur Begehung seiner Taten soll er laut den Ermittlern seinen Patientinnen und Patienten ohne medizinische Indikation und ohne deren Wissen und Zustimmung jeweils ein Narkoseeinleitungsmittel und anschließend ein Muskelrelaxans verabreicht haben. Letzteres soll zu einer Lähmung der Atemmuskulatur und ohne erfolgte künstliche Beatmung innerhalb weniger Minuten zum Atemstillstand und zum Tod geführt haben. Insgesamt zwölf Frauen und drei Männer im Alter von 25 bis 94 Jahren sollen so im Zeitraum von September 2021 bis Juli 2024 zu seinen Opfern geworden sein, verteilt über das ganze Berliner Stadtgebiet.
Die meisten von ihnen lebten allein zu Hause, waren hilflos und unvorbereitet. In einigen Fällen waren Angehöriger vor Ort, denen M. eine reguläre Behandlung vorgegaukelt haben soll. In mindestens einem Fall war M. spontan für einen Kollegen eingesprungen, was bedeuten würde, er hätte einen ihm zuvor unbekannten Patienten auf dem Gewissen. Die Polizei kam M. nur auf die Spur, weil er teilweise Brände in den Wohnungen seiner Opfer legte – wohl, um seine Taten zu vertuschen.
Prozess gegen Palliativarzt: Bis zu 150 Zeugen könnten gehört werden
Kein Platz war am Montag mehr auf den Zuschauerbänken. Die Menschen drängten sich, einen Blick auf diesen jugendlich wirkenden „Dr. Tod“ zu erhaschen, der die Fragen der Richterin Sylvia Busch zu seiner Person mit ruhiger Stimme beantwortete und sich sogar erlaubte, einen flapsigen Scherz zu machen. Auf die Frage Buschs nach seiner Wohnanschrift, sagte M.: „Momentan Alt-Moabit 12a“. Es ist die Adresse der Justizvollzugsanstalt, in der der Mediziner seit August 2024 in Untersuchungshaft sitzt. Unter den Zuschauern befand sich auch die Schwester des Angeklagten, die im weiteren Verlauf des Prozesses von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen gedenkt.
Die Staatsanwaltschaft fordert im Falle einer Verurteilung für M. zusätzlich die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, eine an die Haft anschließende Sicherungsverwahrung sowie die Anordnung eines lebenslangen Berufsverbots. Das Landgericht Berlin hat für das Verfahren zunächst 35 Verhandlungstermine bis zum 28. Januar 2026 angesetzt. Zu jedem Fall gibt es mehrere Zeugen, insgesamt könnten somit rund 150 Menschen vor Gericht gehört werden.