Berliner Fußballerin Rita Cygon: “Am Anfang haben wir in Berlin heimlich gespielt, weil der Frauenfußball verboten war” | ABC-Z

Fußballerin Rita Cygon
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“Am Anfang haben wir in Berlin heimlich gespielt, weil der Frauenfußball verboten war”
Rita Cygon begleitet den Berliner Fußball der Frauen von den Anfängen bis heute – erst als Spielerin für TeBe, inzwischen als Trainerin in Tegel. Im Interview spricht sie über geputzte Türklinken, steigende Mitgliederzahlen und die bevorstehende EM.
rbb|24: Frau Cygon, der Fußball ist seit mehr als 50 Jahren ein Teil Ihres Lebens – als Spielerin, Trainerin, Funktionärin und sicher immer auch als Fan. Was war in dieser langen Zeit besonders prägend?
Rita Cygon: Das erste Highlight war, als es Ende der 1970er Jahre konkret darum ging, eine deutsche Frauen-Nationalmannschaft zu gründen. Für uns war das damals nicht greifbar, nicht in Worten zu beschreiben. Wir haben ja die Anfänge mitbekommen, als gelästert wurde und Sprüche von draußen kamen. Ganz am Anfang haben wir hier in Berlin noch heimlich gegeneinander gespielt, weil der Frauenfußball verboten war [der Deutsche Fußball-Bund untersagte Frauen zwischen 1955 und 1970 das Fußballspielen; Anm. d. Red.].
Seitdem hat sich viel getan. Die Frauen des 1. FC Union sind vor zwei Monaten in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Am letzten Spieltag sorgten 20.132 Zuschauer im Stadion An der Alten Försterei für eine Rekordkulisse. Hätten Sie sich diese Entwicklung jemals träumen lassen?
Das nicht gerade. Kurioserweise war es aber so, dass die Medien damals, als ich in den Siebzigern noch bei TeBe gespielt habe, unheimlich viel über den Frauenfußball berichtet haben. In Abendschau und Sportschau wurden Spielausschnitte gezeigt, die “Bild”-Zeitung und “B.Z.” waren ziemlich voll und wir hatten relativ viele Zuschauer, teilweise 600 bis 700. Und wir spielten ja eigentlich nur, unsere Erbsensuppe kochend, in Berlin – da war wenig Überregionales.
Erwischen Sie sich manchmal bei dem Gedanken daran, wie es wäre, in der heutigen Zeit mit dem Fußballspielen zu beginnen und echte Karrierechancen zu haben?
Ja, natürlich. Ich würde auch jetzt noch spielen, kann das aber nach einer Knie-OP leider nicht mehr. Wenn ich aber sehr viel jünger wäre, wären meine Ambitionen mit Sicherheit, so guten Fußball zu spielen, dass ich vielleicht auch in die Nationalmannschaft komme.
Und zugleich dürften Sie stolz auf die Pionierarbeit sein, die Sie geleistet haben.
Das auf jeden Fall. Es gibt in ganz Deutschland viele Frauen, die jetzt noch leben und damals Pionierarbeit geleistet haben. Ich persönlich fände es schön, diese Leute alle mal für ihre Leistungen zu ehren und zu sagen: “Ihr habt den Weg geebnet.” Das wäre eine feine Sache. Denn wir haben damals wirklich um alles kämpfen müssen. Es gab keine Sponsoren, die Trainingssachen oder Trikots bezahlt haben. Man musste selbst unheimlich viel investieren, um sich auszustatten. Man wollte ja auch nicht mit Ringelsöckchen zum Training erscheinen. Ein bisschen wollten wir schon auch nach Fußball aussehen. (lacht)
Neben den Union-Frauen ist auch der FC Viktoria in der abgelaufenen Saison aufgestiegen – in die 2. Bundesliga. Die Hertha-Frauen spielen mit Aufstiegsambitionen in der Regionalliga. Sie sind im Amateurbereich beim FC Arminia Tegel als Trainerin tätig. Wie bewerten Sie den Status Quo im Berliner Fußball der Frauen?
Wenn ich mal von meinem Verein und meiner Abteilung, den Frauen und Mädchen beim FC Arminia Tegel, ausgehe, kann ich sagen: Wir haben uns erst 2018 gegründet und einen richtig tollen Zulauf, gerade im Mädchenbereich. Heutzutage gibt es immer mehr Mädchen, die gerne Fußball spielen wollen, dabei bleiben und Qualität haben.
Wo sehen Sie noch Verbesserungs- und Entwicklungspotenzial?
Gerade im Amateurbereich brauchen wir Sponsoren, das muss alles ein bisschen professioneller sein. Man rennt immer noch Türklinken putzen. Da heißt es gerne mal: “Ach, für die Mädchen, nicht für die Jungs? Nein, wir sponsern nur die männliche Jugend.” Aber man gibt nicht auf und macht weiter. Ich hoffe einfach, dass sich noch viel mehr Menschen für den Frauen- und Mädchenfußball interessieren.
In einer Woche beginnt die Frauen-EM in der Schweiz – auch dort deutet alles auf einen neuen Zuschauerrekord hin. Nach Angaben der Uefa sind von den rund 670.000 Tickets schon mehr als 570.000 vergeben. Wie werden Sie das Turnier verfolgen – und wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Nationalelf ein?
Ich schätze die Chancen sehr gut ein und denke, dass wir da ganz vorne mitspielen werden. Ganz klare Sache. Ich selbst muss noch sehen, wie ich die EM verfolgen kann, weil ich dann im Urlaub bin. Ich werde mit dem Wohnmobil in Irland unterwegs sein und muss sehen, dass ich da in irgendeinem Pub mal einen Fernseher erwische, wenn Deutschland spielt. Wir werden aber auch einen Laptop dabei haben – irgendwie kriegen wir das schon auf die Reihe. Fußballgucken muss sein. (lacht)
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Anton Fahl.