Berliner Abgeordnetenhaus: Vielleicht doch nur mit Feenstaub | ABC-Z
Das Parlament debattiert vor der Sommerpause Wege aus der Haushaltskrise. Die ist durch den Einwohnerschwund beim Zensus noch größer geworden.
BERLIN taz | „Dafür sind Sie verantwortlich!“ – „Dass haben wir doch von Ihnen geerbt!“ – „Ja, aber schon die davor regierend rot-schwarze Koalition habe …“ – Es ist die letzte Sitzung vor der Sommerpause im Abgeordnetenhaus, und die schwarz-rote Koalition und die Opposition sind sich in einer Sache ziemlich einig: Dass an der aktuellen Milliarden schweren Finanzmisere auf jeden Fall die andere Seite schuld ist.
Zehn Wochen wird das Parlament pausieren, erst am 12. September wieder tagen. Grünen-Haushaltspolitiker André Schulze empfiehlt darum, wie er das mit seinem Schreibtisch mache, ein bisschen aufzuräumen in dieser vorerst letzten Sitzung. „Zum Beispiel das Chaos dieser Koalition“, schlägt er vor. „Euer Chaos“, schallt es sofort aus den Reihen von CDU und SPD, für die klar ist, dass es sich allein um Relikte von Grünen und Linkspartei handelt. Wobei zu der rot-grün-roten Koalition bis April 2023 ja auch die SPD gehörte.
Die Linksfraktion hat den jüngsten Zensus-Schock zum Anlass genommen, noch einmal eine Debatte über die Haushaltslage anzumelden und durchzusetzen. Schock, weil nach jüngster Feststellung Berlin 128.000 Einwohner kleiner ist als gedacht. Auf dem Wohnungsmarkt hat sich das nicht bemerkbar gemacht – Wohnungen sind auch nach dieser offiziellen Korrektur Mangelware. Doch beim Länderfinanzausgleich führen weniger Einwohner dazu, dass es weniger Geld für Berlin gibt – je nach Rechnung 500 bis 700 Millionen Euro.
Die Linksfraktion empört sich darüber, dass die Koalition eine noch in ihrer Regierungszeit geplante Abpufferung für einen solchen Fall anderweitig verwandte. Als später Finanzsenator Stefan Evers (CDU) spricht, wird der Linken-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg stakkatohaft dazwischenfragen, wieso das passierte – ohne eine Antwort zu bekommen.
Opposition vermisst verlässliche Planung
Grünen wie Linken fehlt eine solide Finanzplanung, Schulze drängt darauf, die Sommerpause für einen Nachtragshaushalt zu nutzen – „beenden Sie das Haushaltschaos“. Das klingt allerdings stark nach jenem Fingerschnipp, mit dem die Fee aus dem taz-„Touché“-Comic so etwas regelt. Senator Evers denkt offenbar Ähnliches: „Sparen durch Geldausgeben und Feenstaub, das wird nicht gehen“, sagt er wenig später.
Sven Heinemann (SPD) verspricht immerhin, dass CDU und SPD in diesem Jahr eine tragfähige Planung vorlegen würden. „Diese Koalition wird sparen, dabei aber sozial, innovativ und verlässlich bleiben“, kündigt er an. Was dann doch so allumfassend klingt, dass man daran ohne Hilfe der taz-Fee Zweifel haben könnte.
Evers schließlich erinnert daran, dass die Einsparungen einen „historischen Handlungsbedarf“ erforderten. Tatsächlich machen die fünf Milliarden, die für 2026 fehlen, prozentual im Landeshaushalt einen weit größeren Brocken aus als im Bundeshaushalt die gerade diskutierten Einsparungen – die dort den Fortbestand der Ampelkoalition bedrohen.
Wo ein Teil davon eingespart werden könnte, deutet sich später an: Kultursenator Joe Chialo (CDU) mag nicht garantieren, dass die Komische Oper modernisiert werde. Jetzige Bautätigkeiten seien „nicht ausgesetzt und werden nicht ausgesetzt werden“, sagt er. Über den aktuellen Sanierungsschritt hinaus legt er sich nicht fest – und erinnert vielmehr an die gerade gehörte Rede des Finanzsenators: Die habe doch gezeigt, in welcher Haushaltslage Berlin sei.