Berlin-Moabit: Pro-Palästina-Mob grölt umstrittene Parole | ABC-Z
Von Anne Losensky
Vor dem Kriminalgericht Moabit haben sich Dutzende Menschen zu einer propalästinensischen Demonstration versammelt. Lautstark und aggressiv skandierten sie unter anderem die umstrittene Parole „From the river to the sea, palestine wil be free“.
9.15 platzt der Prozess. 10.36 tut sie es wieder: Daria Modin (28) ruft dieselbe verbotene Palästina-Parole ins Mikrofon, für die sie auf der Anklagebank sitzen sollte.
Etwa 150 Gleichgesinnte wiederholen sie brüllend auf der Straße vor dem Kriminalgericht. Machtdemonstration und Kampfansage zugleich vor dem Berliner Justizpalast.
Eine Herausforderung der Staatsgewalt mit umgehängten Palästinensertüchern. Polizeibeamte in voller Montur stehen bereit. Irritiert drängeln sich Passanten durch.
9 Uhr war der Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten angesetzt, aber die Verhandlung wurde überraschend noch vor Beginn vertagt. Der Amtsrichter plante für den Prozess 45 Minuten ein. Bevor es losging, kündigte die Verteidigerin ein Dutzend Anträge an. Allein deren Verlesung hätte den Zeitrahmen gesprengt, hieß es. Der Prozess wurde abgeblasen, neuer Termin am 11. November.
Derweil versammelte sich vor der Tür des Gerichts ein Mob von schätzungsweise 150 Israel-Hassern, die offen das Gericht verhöhnten.
12 Uhr hat die Polizei die Menge unter lautem Protest aufgelöst („Nieder mit dem Bullenstaat“, „Fucking Bastards“). Unter den Festgenommenen ist auch Daria Modin!
Verteidigung: zu Unrecht angeklagt
Die 28-Jährige soll bei einer propalästinensischen Demonstration in Berlin im März die umstrittene Parole skandiert haben. Die Anklage lautet auf Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen. Das Gericht hatte zunächst im Strafbefehlsverfahren eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro verhängt.
Da Daria Modin dagegen Einspruch einlegte, soll es zur mündlichen Verhandlung kommen.
Aus Sicht der Verteidigung erfolgte die Anklage gegen die 28-Jährige zu Unrecht. Ihre Mandantin stelle das Geschehen selbst nicht infrage, sagte Rechtsanwältin Nadija Samour. Die Parole sei jedoch nicht strafbar, sondern durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt, erklärte Samour. Mit ihren Beweisanträgen will die Verteidigung unter anderem die Herkunft der Parole erläutern.
Daria Modin gehört zum harten Kern der Israel-Hasser. Seit Kriegsbeginn steht sie bei Israel-Hass-Protesten überall in der ersten Reihe: bei den gewalttätigen Sonnenallee-Protesten, am Bundeskanzleramt oder an der HU. Sie kommt aus der links-feministischen Szene, tritt als Rednerin auf, schreit Parolen ins Megafon.
Bundesweit unterschiedliche Bewertung
Die Gerichte gehen bundesweit bislang unterschiedlich mit der Bewertung der Parole um. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es bislang nicht. Das Landgericht Mannheim hat kürzlich entscheiden, dass die Parole straflos bleibt.
In Berlin hat das Amtsgericht Tiergarten vor rund zwei Wochen eine 22-Jährige wegen Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe von 600 Euro (40 Tagessätze zu je 15 Euro) verurteilt.
Sie hatte die Parole bei einer propalästinensischen Demonstration wenige Tage nach dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 angestimmt. Die Parole war laut Urteil im Kontext mit dem Terrorangriff zu sehen. Der Ausruf könne in diesem Zusammenhang nur als Leugnung des Existenzrechts Israels und als Befürwortung des Angriffs verstanden werden.